Bibliothek

In einer Welt, die zunehmend von schnellen Klicks geprägt ist, verliert man sich oft in einer Flut von Informationen und weiß nicht so recht, in welche Richtung man die digitalen Segel ziehen soll. Für Studierende ist die Universitätsbibliothek der Leuchtturm, auf den man sich beim Navigieren durch Fake-News und pseudowissenschaftlichem Halbwissen verlässt. Wo soll man wissenschaftliche, verlässliche Literatur finden, wenn nicht an der Universität?

Die Universitätsbibliothek, im Fall von Wien mit dem Gründungsjahr 1365 die älteste im deutschsprachigen Raum, bietet ihren Nutzer:innen Zugang zu mehreren Millionen Werken, darunter etwa fünf Millionen physische Bücher und 1,8 Millionen E-Books. Aufgeteilt ist die Universitätsbibliothek in eine Hauptbibliothek und 38 Fachbereichsbibliotheken. Während die Hauptbibliothek sich im historischen Hauptgebäude befindet, sind die Fachbereichsbibliotheken in verschiedenen Instituten untergebracht und bieten spezialisierte Literatur für die jeweiligen Disziplinen.

Dabei ist dieser Bestand das Rückgrat der akademischen Forschung - aber wer entscheidet eigentlich, was im Bestand ist und nach welchen Kriterien geschieht das? alexandria hat sich bei Wolfgang Mayer, dem Leiter der Abteilung E-Ressourcen Management der Universität Wien, schlau gemacht.

Hinter den Kulissen von u:search

Der Gründer der Bibliothek, Rudolf IV, „der Stifter“ genannt, ist trotz seiner kurzen Regentschaft von nur sieben Jahren ein äußerst einflussreicher Habsburger. In seinem Lebenslauf findet sich neben der Universitätsgründung die Erschaffung des „Privilegium Maius“, eine gefälschte Urkunde, die die Macht der Habsburger erheblich stärkte. Zu Zeiten Rudolfs wird die Literatursuche nicht ganz so wichtig gewesen sein wie heute. Wer u:search schon einmal verwendet hat, weiß von der Fülle an Ergebnissen, die vorgeschlagen werden. Wie setzen sich diese Ergebnisse zusammen?

Zu einem Teil werden den Nutzer:innen elektronische Werke gezeigt, die über das Internet automatisch in den Katalog kommen – entweder durch Schnittstellen mit anderen Institutionen, die ihre wissenschaftlichen Repositories zur Verfügung stellen, oder weil die Universität Lizenzen dafür zahlt. Die sogenannten wissenschaftlichen Repositorien sind Sammlungen von wissenschaftlichen Texten. Das Ziel ist, akademische Materialien zu verwalten und zugänglich zu machen.

Der größte Teil der digitalen Ressourcen kommt durch Verträge mit wissenschaftlichen Verlagen zusammen, mit großen Verlagen wie Elsevier und De Gruyter, als auch mit kleineren wie Nomos. Physische Exemplare werden im Verhältnis von drei bis vier Prozent nur mehr einzeln gekauft, wenn Nachfrage besteht. Auf die Frage, wie der restliche physische Bestand angekauft wird, erzählt Mayer, dass über neunzig Prozent davon durch Ankaufsvorschläge der Mitarbeiter:innen der Fakultäten zustande kommt. Ankaufsvorschläge können Studierende auf der Website der Bibliothek selbst auch machen – hier zeigt sich noch einmal die Vormachtstellung der elektronischen Ressourcen, mit dem Hinweis: „Bitte beachten Sie, dass Werke im Normalfall nur in elektronischer Form […] angekauft werden.” Das schlägt sich übrigens auch in der Finanzierung nieder: Über achtzig Prozent des Literaturbudgets gehen an E-Ressourcen.

Beständiger Bestand?

Ob Urkundenfälscher Rudolf eine seiner Fälschungen der Universitätsbibliothek heute unterjubeln könnte? Einerseits ist der Bestand mit Milliarden Datensätzen so umfassend, dass es für die Mitarbeiter:innen unmöglich wäre, alles durchzuschauenanzuschauen – andererseits wäre eine solche Überprüfung wohl überflüssig, ein großer Teil der Werke ist wie erwähnt, Produkt wissenschaftlicher Verlage und somit ist eine Peer Review bereits vorhanden. Wenn sich doch durch verschiedene online Schnittstellen ein problematisches Werk im Katalog findet, kann dies an die Bibliothek weitergegeben und im äußersten Fall der Datensatz unterdrückt werden.

Wolfgang Meyer betont, dass die Bibliothek darauf bedacht its, nicht zu zensieren und man den eigenen Nutzer:innen durchaus Kontroversen zumuten kann – an diesem Punkt des Gespräches geht es konkret um ein Buch, das sich in der Bibliothek findet und in dem der Völkermord in Srebrenica geleugnet wird. Auch wenn ein solches Buch an sich nicht nach dem besten wissenschaftlichen Gewissen geschrieben ist, kann es doch Gegenstand eines wissenschaftlichen Diskurses sein, als Beispiel für Genozidleugnung, relevant für Studierende der Zeitgeschichte oder der Rechtswissenschaft. Mayer nennt das eine „ganz schwere Gratwanderung“ und verweist auf bereits bestehende Arbeitsgruppen, die sich mit dem Thema beschäftigen.

Der Leuchtturm Universitätsbibliothek ist ein stabiler Wegweiser für Recherchen und bietet eine fast unglaubliche Menge an Informationen. Gleichzeitig sind eine gründliche Literaturrecherche und Quellenkritik für Studierende genauso fester Bestandteil einer wissenschaftlichen Arbeit wie das Googeln von „Seitenzahl ab Seite 3 Word“ und Fundament gewissenhafter Forschung.

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