Warum das wichtig ist: Lithium ist ein vielversprechender Rohstoff für die Energiewende. Lithium-Ionen-Batterien sind in E-Autos verbaut, sie speichern Solar- und Windenergie, sie versorgen unsere Handys und Tablets mit Strom.
Doch in den Abbauregionen der trockenen argentinischen Puna enthüllt die Lithiumgewinnung ihre weniger grünen Schattenseiten: Der Bergbau entzieht Mensch und Tier das lebensnotwendige Grundwasser, verändert die Landschaft und greift in die traditionelle Lebensweise der lokalen indigenen Bevölkerung ein.
Im Rahmen des Themenschwerpunkts Bausteine der Zukunft diskutiert alexandria die politischen und ökologischen Herausforderungen der Lithiumgewinnung am Beispiel der Indigenen in Argentinien und ihrer unermüdlichen Proteste.
Das weiße Gold
Lithium: ein Rohstoff mit einer scheinbar endlosen Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten. Angefangen bei der Medizin über die Keramik und die Pyrotechnik bis hin zur Atomphysik und der Kernfusion kommt das chemische Element in verschiedensten Bereichen zur Anwendung. Am besten kennen wir das silberweiße Metall aber als Bestandteil der Lithium-Ionen-Akkus und -Batterien, die in unseren Handys und Laptops verbaut sind und uns so im Alltag ständig begleiten.
Die besonderen Eigenschaften der Ressource machen Lithium auch für technische Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien interessant. Als Leichtmetall misst es – wie der Name schon verrät – ein geringes Gewicht und in der Natur ist es recht häufig zu finden.
Weil Lithium-Ionen-Batterien eine hohe Energiedichte bieten, also große Energiemengen auf kleinem Raum speichern können, werden sie zunehmend in Wind- und Solarkollektoren eingesetzt. Die Speicher dieser Batterien sind langlebig und haben außerdem eine hohe Zyklenfestigkeit. Sie können also häufig geladen und entladen werden, ohne dass ihre Leistung nachlässt. Auch die Stromversorgung der meisten E-Autos haben wir dem chemischen Stoff zu verdanken (Brunnengräber & Haas, 2020).
Das häufig als „weißes Gold“ oder „neues Öl“ bezeichnete Lithium gilt schon heute als Rohstoff der Zukunft, der schädlichen Kohlenstoff vom Markt verdrängen und umweltfreundlichere Energieformen fördern wird.
Die Kehrseite des Metalls
Mit der wachsenden Bedeutung des Leichtmetalls im Bereich der nachhaltigen Energiegewinnung hat auch das wirtschaftliche Interesse an Lithium in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. In den Gegenden, wo Lithium in größeren Lagerstätten vorhanden ist, hat sich daher der Abbau des Leichtmetalls intensiviert. Man spricht sogar von einem regelrechten „Lithium Rush“ (Dorn, 2021a).
Mehr als die Hälfte der weltweiten Lithiumressourcen finden sich in der ariden – also wüstenartigen – Zone Lateinamerikas im sogenannten „Lithiumdreieck“, das Teile Boliviens, Chiles und Argentiniens umfasst. In dieser Trockenzone gibt es jedoch nicht nur Bodenschätze – sie ist auch Heimat der endemischen Wildtiere sowie mehrerer tausend Nachkommen indigener Gemeinschaften und deren Herden. Für sie stellt der Abbau des „weißen Goldes“ eine akute Bedrohung dar, denn die Lithiumgewinnung stört das fragile Ökosystem und das Grundwasservorkommen (Bazzani & Dorn, 2021).
Im südamerikanischen Lithiumdreieck finden sich die Hälfte der weltweiten
Lithiumressourcen.
In der Südspitze des Dreiecks, im argentinischen Abbaugebiet, forscht Felix Dorn. Er ist Experte der Politischen Ökonomie und Ökologie an der Universität Wien. Mit seiner Arbeit möchte er die gravierenden Auswirkungen des Lithiumabbaus auf die lokale Natur und die einheimische indigene Bevölkerung aufdecken.
Dabei versucht er auch, vorherrschende neokoloniale Strukturen und soziale und ökologische Ungleichheiten zu entlarven. Er untersucht also, wie reiche Staaten, mächtige Konzerne und einflussreiche Einzelpersonen oftmals von der Ausbeutung der Natur und der strukturellen Unterlegenheit schwächerer Gruppierungen profitieren.
Der Abbau und seine Kosten
Schauplatz des umstrittenen Abbaus ist die Puna, die steppen- bis wüstenartige Hochebene in den argentinischen Anden. Hier oben erstrecken sich kilometerweit die von den Mineralien weißrosa-, türkis- und gelb-gefärbten Lithium-Becken. Wenn das Wasser auf diesen Flächen verdunstet, bleiben konzentrierte Mineralvorkommen zurück – darunter auch die kostbaren Lithiumsalze.
Für die Gewinnung wird die Sole, also das Metallsalz-haltige Wasser im Untergrund, an die Oberfläche gepumpt und in den Lithium-Becken, den sogenannten Salaren, der Sonne zum Verdunsten überlassen. „Der Prozess ist sehr platzintensiv: Über einen Zeitraum von knapp zwölf Monaten – manchmal länger, manchmal ein bisschen kürzer – verdunstet das Wasser unter Einstrahlung der Sonne auf 3.000 bis 4.000 Metern. Zurück bleibt eine gelöste Lithiumkonzentration, die dann weiter unter Zugabe von bestimmten Chemikalien ausgelöst oder voneinander getrennt wird, sodass Lithiumcarbonat noch direkt vor Ort hergestellt wird,“ erklärt Felix Dorn.
Den Gewinnungsprozess konnte der Forscher und Fotograf nicht nur selbst beobachten, sondern auch in seinem Dokumentarfilm „Bajo la Sal“ (dt. „Unter dem Salz“) festhalten (Bazzani & Dorn, 2021).
Die Salar de Olaroz Mine ist eine der größten Lithiumabbaustätten Argentiniens.
(© Felix Dorn)
Wasser ist in der Puna kostbar, denn das rohstoffreiche Hochplateau zählt als eine der trockensten Gegenden der Welt. Zwar ist das verdunstende Salzwasser für Mensch und Tier ungenießbar, allerdings ziehen sich mit dem vermehrten Lithiumabbau auch die Süßwasserquellen zurück.
Die lokale Bevölkerung muss ihre Herden in immer entlegenere Gegenden treiben, um Trinkwasser zu finden. „Es gibt Forscher:innen und NGOs, die vermuten, dass durch den Abbau ein hydrologischer Stress entsteht“, erläutert Dorn. Dort, wo das Salzwasser unterirdisch herausgepumpt wird, fließt Süßwasser nach, um das entstandene Ungleichgewicht auszugleichen. So sinkt der Grundwasserspiegel in der Region. „Teilweise kommt es – das zeigen zumindest erste Erkenntnisse aus Chile – auch zu einer Versalzung der Süßwasservorkommen. Das sind die beiden akuten Gefahren, die besonders relevant sind für die lokale Bevölkerung.“
In der Abbaugegend der argentinischen Puna können Wissenschaftler:innen und Umweltschutzbeauftragte jedoch nur mutmaßen, welchen Einfluss die Lithiumwirtschaft auf die umliegende Natur hat. Zwar gibt es Überwachungen und Studien vor Ort, diese werden jedoch ausschließlich von den Bergbauunternehmen selbst vorgenommen. Dorn führt aus: „In Argentinien gibt es keine unabhängigen Studien über die ökologischen Auswirkungen. Das macht sehr klar, dass man eigentlich von außen wenig Ahnung hat, was dort passiert – und deswegen wird einfach genau so weiter gemacht.“
Die Salzextraktion einer indigenen Kooperative. (© Felix Dorn)
Indigene Communities im Schatten globaler
Konzerne
Die argentinische Puna wird hauptsächlich von den Nachkommen indigener Völker bewohnt. Die Kolla (sprich „Koja“) und die Atacameños bilden die dominanten Kulturen dieser Gegend, wobei es viele Subgemeinschaften innerhalb beider Völker gibt. Historisch gilt ihre Region als marginalisiert, also als gesellschaftlich und wirtschaftlich ausgegrenzt und daher eher arm.
Seit Jahrhunderten leben die Menschen hier von Wanderweiden mit Schafen, Ziegen oder Lamas, von kleinen Landwirtschaftsbetrieben, traditionellem Handwerk oder Tauschhandel. Diese Tätigkeiten sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell bedeutsam für die Einwohner:innen.
Bis in die 1990er Jahre verdienten die Menschen sich zuweilen etwas Geld durch vorübergehende Hilfstätigkeiten im kleinen Blei-, Zink- oder Borax-Bergbau dazu. Seit dem raschen Anstieg der Lithiumförderung in der Gegend gegen Ende des 20. Jahrhunderts hat sich das Leben der Indigenen jedoch drastisch verändert: Auf einmal stehen ihre traditionellen Siedlungsgebiete im Fokus des globalen kapitalistischen Rohstoffmarktes.
Die Indigenen müssen ihre Herden an immer entlegenere Süßwasserquellen treiben.
(© Felix Dorn)
Heute gibt es in den Salztonebenen im Nordwesten Argentiniens, insbesondere in den Provinzen Jujuy, Salta und Catamarca, über sechzig Lithiumprojekte. Die Reaktionen auf diese Entwicklungen unterscheiden sich von Gemeinschaft zu Gemeinschaft. Während zum Beispiel die zehn Communities rund um den Salar de Olaroz-Cauchari größtenteils mit den Bergbauunternehmen kooperieren, protestieren die 33 indigenen Gemeinschaften um die Salinas Grandes seit dem Beginn der ersten Abbau-Explorationen in ihrer Gegend im Jahre 2009 (Dorn & Gundermann, 2022; Dorn & Dietz, 2023).
Diese 33 hauptsächlich den Kolla zugehörigen Gemeinschaften kämpfen gegen die Enteignung ihrer traditionellen Siedlungsgebiete zum Zweck der Lithiumgewinnung. Sie müssen nun schon seit Jahren mitansehen, wie die malerische Salzwüste der Salinas Grandes zunehmend zum Schauplatz der globalen Ressourcenausbeutung wird und sie leiden unter der daraus entstehenden Wasserknappheit.
„Die Kolla in und um die Salinas Grandes haben auch letztes Jahr ordentlich für Aufsehen gesorgt, als sie gegen die Verfassungsreform der Provinz Jujuy protestiert haben“, berichtet Dorn. Die Reform sollte Land in Jujuy als ‚Arbeits- und Produktionsmittel‘ definieren und damit Landenteignungen für weiteren Rohstoffabbau unter dem Vorwand des Gemeinwohls erleichtern.
„Die Communities haben für mehrere Monate eine der wichtigsten Passstraßen blockiert und auch in Buenos Aires protestiert, wo sie hingefahren, zum Teil sogar hingewandert sind.“ Die Luftlinie von der Salzwüste bis zur Hauptstadt beträgt über 1.400 Kilometer – eine Strecke, die mit dem Auto oder zu Fuß noch um einiges länger ist.
Der Experte hat die Proteste im Sommer 2023 genau verfolgt: „Letztes Jahr ist der Streit so krass eskaliert wie noch nie. Manche Demonstrierenden sind in den Hungerstreik getreten. Es kam auch zum Einsatz von Polizeigewalt in Jujuy“. In einem Beitrag über die Proteste beschreibt Dorn, dass mehrere Aktivitst:innen durch die Gummigeschoße der Polizei schwer verletzt wurden. Einige verloren sogar ihr Augenlicht. Die Reform wurde letztendlich umgesetzt, womit der Abbau in den Salinas Grandes weiter erleichtert wird (Dorn & Dietz, 2023).
Die Kolla der Salinas Grandes wehren sich seit den späten 2000er Jahren gegen den
Lithiumabbau. (© Felix Dorn)
Wem gehört der Boden?
In ihren Protesten berufen sich die Einwohner:innen der Salinas Grandes auf die verfassungsmäßigen Rechte indigener Gemeinschaften. „Die Verfassung anerkennt die indigene Präexistenz. Die Indigenen haben schon vor der Gründung des argentinischen Staates existiert“, erläutert Dorn. „Damit gehören Länder oder Ländereien, auf denen die Indigenen seit Jahrhunderten wohnen, den Indigenen – auch ohne Landtitel. Teilweise wurden den Indigenen ihre Landtitel aber wirklich übertragen und teilweise nicht.“ Ohne handfesten Landtitel wird es den Völkern erschwert, ihre Siedlungsgebiete vor Enteignung zu schützen.
Außerdem ratifizierte der argentinische Staat im Jahr 2000 das ILO-Übereinkommen 169, das die Selbstverwaltung und Souveränität der indigenen Völker über ihre traditionellen Ländereien anerkennt. Dieses Übereinkommen besagt auch, dass die Einheimischen konsultiert, also befragt werden müssen, sobald in ihre Ländereien eingegriffen werden soll. Was als rechtmäßige Konsultation der Völker gilt und wie diese abzulaufen hat, wird jedoch gar nicht definiert.
Daher fällt es Bergbauunternehmen leicht, die Befragung nach eigenen Interessen auszulegen oder diese Hürde ganz zu umgehen. Auch bei der Umsetzung der Verfassungsreform von Jujuy wurden die Einheimischen vorher nicht befragt. Die Indigenen-Rechte sind also hauptsächlich symbolischer Natur und bieten kaum Mechanismen, um gegen einen Eingriff oder Verstoß rechtlich vorzugehen (Dorn & Gundermann, 2022).
Unmoralische Angebote
Wie kann es also angesichts all dieser Umstände und Widrigkeiten noch sein, dass einige Communities, wie jene am Salar de Olaroz-Cauchari, den Bergbau tolerieren oder sogar begrüßen?
Einerseits stellt der Widerstand gegen die mächtigen Bergbaukonzerne ein nahezu unmögliches Unterfangen dar – vor allem für die häufig mittellosen Puna-Bewohner:innen, sodass sich viele schlicht mit dem Abbau arrangieren müssen. Felix Dorn hat im Rahmen seiner Forschungsarbeit mit den Betroffenen gesprochen und sie auch für seinen Film interviewt. Daher weiß er: „Es gibt kaum eine Möglichkeit, sich zu organisieren.“
Obwohl es in den Puna-Provinzen Vertretungsgremien der Indigenen gibt, stehen die Lebensumstände der Menschen und der Druck der reichen Grabungsunternehmen einer fairen demokratischen Mitbestimmung häufig entgegen. „Das sind teilweise wirklich sehr prekäre Situationen vor Ort, weil man oft nicht einmal genug Diesel auftreiben kann, um zu einer Versammlung zu fahren. Wie willst du dich da gegen einen Bergbaukonzern organisieren?“, gibt Dorn zu bedenken.
Die Konzerne schaffen es außerdem immer wieder gekonnt, die Bewohner:innen von der Mitbestimmung fernzuhalten, wie der Forscher erläutert: „Sie treiben relativ geschickt einen kleinen Keil zwischen die Gemeinschaften, indem zum Beispiel mit einigen Communities direkt verhandelt wird und andere, die nicht im direkten Einflussbereich liegen, werden stattdessen lange hingehalten und so schleichend aus dem Entscheidungsprozess ausgeschlossen.“
Durch ihre Machtposition können die Konzerne auch die Kontrollmechanismen der lokalen Umweltbehörde UGAMP, in der nur eine einzige Vertretungsperson für alle Indigenen der Gegend sitzt, leicht bewältigen. Der Umweltverträglichkeitsbericht, den sie alle zwei Jahre einreichen müssen, wird einerseits nicht von unabhängigen, sondern von den konzerneigenen Gutachter:innen erstellt und ist außerdem für Laien unverständlich komplex formuliert.
„Sie setzen den Indigenen einen Umweltverträglichkeitsbericht in extrem technischer Sprache vor. Die verstehen eigentlich kein Wort und können dazu keine Fragen stellen,“ kritisiert Dorn. Ein paar dieser Umweltverträglichkeitsberichte hat er sich auch schon selbst angesehen: „Das waren wirklich Stapel, also ganze Tische voll mit Dokumenten. Ich habe auch kein Wort verstanden. Was für eine Mitsprache oder Partizipation soll das sein?“
In vielen Fällen ist die gefühlte Hoffnungslosigkeit eines Widerstandes also der Grund für die ‚Akzeptanz‘ des Abbaus. Was aber ist mit den tatsächlichen Befürworter:innen? Felix Dorn hat eine Antwort: „Die Bergbaukonzerne tun dort ja auch ,Gutes’ – unter Anführungsstrichen. Sie übernehmen nämlich in dieser extrem marginalisierten Region auch Grundaufgaben, die eigentlich eher auf staatlicher Seite liegen müssten. Sie verbessern zum Beispiel die Straßen, sie installieren WLAN. Solche Sachen sind ja wichtig in der Region, wo es keinen Netzempfang gibt, wo die Oma nicht ins Krankenhaus kann, wo es keine Verkehrs- oder Transportmöglichkeiten gibt und so weiter.“
In den trockenen Weiten der Puna ist Trinkwasser kostbar.
(© Felix Dorn)
Die Unternehmen erkaufen sich somit bei ihrer Ankunft das Ansehen der Bevölkerung, die von Armut, Bildungsmangel und Abwanderung betroffen ist. Sie nutzen die strukturelle Benachteiligung der Menschen aus, die solche lebenswichtigen Angebote kaum ausschlagen können, um ihre Konzerninteressen durchzusetzen.
Die Regierung sieht sich hier nicht zuständig, denn als neoliberaler dezentralisierter Staat überlässt Argentinien die Provinzen der Eigenverwaltung. Er kümmert sich nicht um die Armut seiner Indigenen oder gar um den Konflikt um umweltschädlichen Lithiumabbau in der Puna.
Denn obwohl der Großteil des Rohstoffes im Ausland verarbeitet wird, stellt sich Argentinien gerne nach außen hin als Nation der Nachhaltigkeitsinnovationen dar, um mit den reichen Staaten des globalen Nordens mithalten zu können. Sogar der Profit, der aus dem Lithiumbergbau gewonnen wird, landet größtenteils in den wohlhabenden Industriestaaten Europas, Asiens und Nordamerikas (Brand, 2022; Dorn, 2021b; Landherr & Graf, 2019).
Grüne Zukunft mit weißem Gold?
Nun stellt sich also die Frage: Wenn die Gewinnung von Lithium der Umwelt schadet, in das Leben marginalisierter Völker eingreift und zur Unterdrückung ihrer demokratischen Mitspracherechte führt, können wir das „weiße Gold” noch verantwortungsvoll als Teil der grünen Transformation betrachten?
Felix Dorn spricht sich eindeutig nicht gegen den Gebrauch von Lithium-Ionen-Batterien als Alternative zu Öl und Gas aus. Er ist aber der Überzeugung, dass sich das Ausmaß und die Produktionsverhältnisse des Abbaus ändern müssen, wenn wir unsere Energie in Zukunft möglichst menschen- und umweltfreundlich gewinnen möchten.
„Lithiumbergbau ist da und er wird auch nicht mehr gehen. Aber wollen wir, dass es in Argentinien drei Bergbauprojekte gibt, oder sollen es fünfzig werden? Auch Elektromobilität muss richtig verstanden werden, als Investment in Bus, Bahn und Co.,“ plädiert der Experte. Private Verbrennerfahrzeuge sollten daher nicht einfach durch elektrische ersetzt, sondern generell reduziert und von allgemein leistbaren öffentlichen Verkehrsmitteln abgelöst werden.
Konkret vor Ort müssen die Rechte der Indigenen gestärkt werden. Beispielsweise, indem man den Einheimischen angemessene Klagemöglichkeiten einrichtet, handfeste Landtitel erteilt und ihre Repräsentation fairer ausgestaltet. Auch im Westen kann zu einer verbesserten Lage in der Puna beigetragen werden, wenn wir funktionierende Lieferkettengesetze beschließen, die transparent machen, woher das Lithium kommt, wie es gewonnen wird und wo es hinfließt.
Felix Dorn spricht sich auch dafür aus, dass vermehrt nachhaltigere Technologien, die es bereits für den Abbau gibt, genutzt werden. So könnte der negative Einfluss auf die Natur verringert werden. „Zum Beispiel durch ein Zurückpumpen von Solewasser. Da gibt es heute schon viele Möglichkeiten, die sind aber letztendlich ein Kostenfaktor.“
Es muss also auf mehreren Ebenen etwas getan werden, um eine dauerhafte Lösung für den Konflikt in der Puna und eine globale nachhaltige Energieversorgung zu erzielen. Solange die viel gepriesene grüne Transformation wie bisher auf denselben neokolonialen Strukturen, also auf schädlicher Ausbeutung der Natur und Unterdrückung ärmerer Staaten und strukturell benachteiligter Personengruppen, basiert, bietet sie keine faire Alternative zum Brennstoffmarkt. Unsere Handels- und Produktionsregeln, unser Energieverbrauch und unsere Lebensweise müssen sich grundlegend ändern. Andernfalls wird die Welt keinen ökologischen Wandel erleben, sondern lediglich das Gleiche in ‚Grün‘ (Dorn, 2021b).
Wer mehr über die Lage der Indigenen der argentinischen Puna erfahren und die Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive hören möchte, kann den Dokumentarfilm „Bajo la Sal“ ab August 2024 gratis auf YouTube mit deutschen Untertiteln streamen.
Bazzani, E., & Dorn, F. (Regisseure). (2021). Bajo La Sal (Below The Salt)
[Dokumentarfilm].
Brand, U. (2022). The Global Political Economy of the imperial mode of living. Global
Political Economy, 1(1), 26-37.
Brunnengräber, A., & Haas, T. (Hrsg.). (2020). Baustelle Elektromobilität:
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität (1.
Aufl., Bd. 95). transcript Verlag.
Dorn, F. (2021a). Der Lithium-Rush: Sozial-ökologische Konflikte um einen strategischen
Rohstoff in Argentinien. Nova Science Publishers.
Dorn, F. (2021). Inequalities in resource-based global production networks: Resistance to
lithium mining in Argentina (Jujuy) and Portugal (Região Norte). Journal für
Entwicklungspolitik, 37(1), 4.
Dorn, F., & Dietz, K. (2023). Nein zum Lithium: Proteste gegen die Verfassungsreform
und den Bergbau in Jujuy. iz3w, (399). Online. (2.7.2024).
Dorn, F., & Gundermann, H. (2022). Mining companies, indigenous communities, and
the state: The political ecology of lithium in Chile (Salar de Atacama) and Argentina
(Salar de Olaroz-Cauchari). Journal of Political Ecology, 29.
Landherr, A., & Graf, J. (2019). Über uns die Sintflut – Zu Klassenverhältnissen in der
Internalisierungsgesellschaft am Beispiel Chiles. PROKLA Zeitschrift für kritische
Sozialwissenschaft, 196(49), Nr. 3, 487–493.
Dieser Beitrag wurde zuletzt geändert am 14. Juli 2024