Felder voller Solaranlagen

Nachhaltige Energieversorgung ist ohne Photovoltaik undenkbar. Darum tauchen auf immer mehr Dächern die schwarz-blauen Module auf. PV-Anlagen auf grünen Wiesen dagegen erregen die Gemüter. Muss das sein? alexandria hat nachgeforscht.

Im Rahmen des Themenschwerpunkts Bausteine der Zukunft diskutiert alexandria die politischen und ökologischen Herausforderungen der Lithiumgewinnung am Beispiel der Indigenen in Argentinien und ihrer unermüdlichen Proteste.

Es ist heiß: In diesem Sommer heizt die Sonne Österreich wieder gewaltig ein, Hitzewellen lassen vor allem Städter:innen von Schatten zu Schatten hasten – es sei denn, ihnen bietet sich ein klimatisierter Zufluchtsort. Was vielen noch als Luxus erscheint, könnte in Zeiten der Klimakrise aber bald notwendige Daseinsvorsorge sein: Klimaanlagen für alle, so formulierte es Wirtschaftspodcaster Wolfgang M. Schmitt kürzlich im Gespräch mit alexandria.

Klimaanlagen, Elektroautos, mehr Verkehr auf Schiene – solche Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise oder zur Anpassung an ihre Auswirkungen werden immer dringlicher. Die Sache hat nur einen Haken: Sie alle benötigen Strom. Und dieser Strom muss ja erst produziert werden.

Es wäre aber fatal, wenn die nötigen Klimamaßnahmen erst recht wieder Emissionen verursachen, die das Klima weiter aus dem Gleichgewicht bringen. Insofern ist die Frage nach der nachhaltigen Energiegewinnung die wohl drängendste unserer Zeit. Dabei liegen die technischen Lösungen dieses Problems großteils auf dem Tisch, auf Kernfusion etwa muss niemand warten.

Ambitionierte Ziele

Doch auch die bereits breit genutzten Technologien haben ihre Schattenseiten. Obwohl Strom oft ein sauberes Image hat, dürfen wir eines nicht vergessen: Die grüne Wende wird etwas kosten. Allein der Abbau der für Speichertechnologien notwendigen Metalle wie Lithium schlägt bereits beträchtliche Wunden in die Umwelt, sorgt für Emissionen und geht mitunter auf Kosten indigener Bevölkerungsgruppen.

Bezüglich Emissionen nehmen sich Photovoltaikzellen dagegen als beinah ideale Alternative aus: Wie von Seiten der PV-Branchenvertretung und Energiewirtschaft betont wird, sorgt die lange Lebensdauer der Module dafür, dass eine PV-Anlage um ein Vielfaches mehr an Energie erzeugt, als für ihre Produktion aufgewendet werden muss. Und allein die Vorstellung, aus Sonnenlicht direkt Energie zu gewinnen, übt eine beträchtliche Anziehung aus.

Kein Wunder also, dass PV-Anlagen in den Ausbauplänen Österreichs eine prominente Rolle spielen: Die aktuelle Regierungskoalition zwischen ÖVP und den Grünen vereinbarte in ihrem Programm, dass die installierte Kapazität im Lande bis 2030 um elf Terawattstunden (TWh) anwachsen soll. Zum Vergleich: Wie die Statistik Austria 2023 ermittelte, beträgt der Stromverbrauch in Österreich pro Jahr 73 TWh, wovon bereits über drei Viertel aus erneuerbaren Quellen kommen. Bis 2030 soll dieser Anteil auf 100 Prozent steigen, so will es der Gesetzgeber.

Stromerzeugung in Österreich

Bis 2030 soll der Anteil des Stromgewinns durch Photovoltaik von 5 auf 11 Prozent
steigen.

Wohin mit PV?

Doch wie wir gesehen haben, wird sich Österreichs Stromverbrauch durch die grüne Wende erhöhen – 2030 gehen Fachleute von bis zu 85 TWh jährlich aus. Folgerichtig nimmt die Regierung Geld in die Hand, um die Kapazität zu erhöhen: Eine Milliarde soll bis 2030 in den Ausbau von (unter anderem) Windkraft, Biomasse und PV fließen. Ob das reicht, wird sich zeigen. Zweifel, ob künftige Regierungen die Ausbaupläne engagiert weiterverfolgen, sind ebenso erlaubt.

Klar ist jedenfalls, es müssen neue Photovoltaikanlagen her. Doch wo sollen die Module stehen? Damit hat sich 2020 eine von der österreichischen Energiewirtschaft in Auftrag gegebene Erhebung beschäftigt. Das ernüchternde Ergebnis: Um das Förderziel nur über Dachflächen zu erreichen, müssten bis zu 90 Prozent aller erschließbaren Dächer mit Modulen versorgt werden, was angesichts der rechtlichen und technischen Kleinteiligkeit bis 2030 unrealistisch sei.

Ähnlich sehe es bei der jüngst aufgeflammten Debatte um die sogenannten Balkonkraftwerke aus, also kleinen PV-Modulen, die an Balkonen oder Fassaden angebracht werden. Sowohl die damit theoretisch erreichbare Kapazität von knapp drei TWh als auch der realisierbare Beitrag von einer halben Terawattstunde erscheinen mager.

Um diese Potentiale dennoch zu heben, fördert das Bundesklimaministerium (BMK) ab 2024 solche Kleinanlagen durch einen Nullsteuersatz. Wenig zu holen gebe es laut Studie auch bei Deponien und Verkehrsflächen. Folgt man der Studie, braucht es Photovoltaik auf Freiflächen, um die Ausbauziele zu erreichen.

Land der Äcker, Land der Photovoltaik?

PV-Anlagen am grünen Acker, der saftigen Almwiese, der stillen Waldlichtung? Naturschützer:innen graut es vor solchen Aussichten, zumal Österreich bei einem Bodenverbrauch von über zehn Hektar täglich im europäischen Spitzenfeld rangiert. Andere Menschen sind dagegen, mitunter fruchtbares Land für die Energiegewinnung zu nutzen.

Zunächst dürfte das Problem nicht so groß sein, wie es vielen scheint: Aus einer alexandria-Anfrage an das Bundesklimaministerium geht hervor, dass in den Jahren 2022 und 2023 etwa 85 Prozent der neu installierten PV Kapazität auf Dächern installiert wurde – und zwar in bisher nie dagewesene Umfang. Damit sieht sich das Ministerium auf Kurs.

Dennoch wurden in beiden Jahren auch PV-Anlagen auf Freiflächen errichtet. 15 Prozent waren es im Jahr 2022 und knapp 12 Prozent der installierten Leistung wurde 2023 auf die grüne Wiese gebaut. Und nimmt man die oben erwähnte Studie ernst, dürfte das auch weiterhin passieren. Kommt hier der Klimaschutz in Konflikt mit dem Naturschutz? Und wie wirken sich PV-Module auf den Boden aus, auf dem sie gebaut sind?

Biodiversität unter PV-Anlage

Wie beeinflusst eine PV-Anlage die Biodiversität, die sich darunter befindet? Das ist von
der Wissenschaft noch nicht abschließend geklärt.

Unklare Auswirkungen

Beim BMK sieht man die Böden und an sie gekoppelte Ökosysteme nicht gefährdet, da es bei PV-Anlagen zwar zur Inanspruchnahme von Boden komme, es durch die teilweise in die Erde steckbaren Modultische aber kaum Versiegelung gäbe.

Allerdings ist Versiegelung nicht die einzige Gefahr für den Boden: Wie der Betreiber eines sächsischen PV-Kraftwerks herausfand, kann die Lufttemperatur unter den Modulen nachts um bis zu fünf Grad höher sein als die Umgebungstemperatur, tagsüber ist es durch die Beschattung um etwa fünf Grad kühler. Fest steht, solche Veränderungen bleiben nicht ohne Auswirkungen auf Bodenlebewesen.

Doch es ist unklar, welche Folgen konkret die PV-Kraftwerke für den Boden haben: Eine Langzeitstudie etwa zeigt eine Abnahme der mikrobiellen Aktivität und der Wasserspeicherfähigkeit des Bodens unter den Modulen. Andere Wissenschaftler:innen kommen dagegen zu dem Schluss, dass die Anbringung von PV-Modulen eine Reihe von Bodeneigenschaften positiv beeinflusst.

Neue Solarbiotope?

Wie die kleinen und kleinsten Bodenlebewesen auf PV-Anlagen reagieren, ist also nicht gänzlich geklärt. Fest steht aber, dass PV-Kraftwerke unmittelbare Folgen für die größeren Bewohner unserer Felder und Wälder haben: Zäune etwa unterteilen bereits stark fragmentierten Lebensraum weiter. Wie sieht es also mit den Auswirkungen auf die Artenvielfalt aus?

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme gibt diesbezüglich Entwarnung: Werden Flächen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung enthoben, steige dort im Allgemeinen die Biodiversität.
Bieten Betreiber:innen Tieren Unterschlüpfe und Nistgelegenheiten in der PV-Anlage oder Möglichkeiten, diese zu durchqueren, ist die Fauna kaum gestört. Selbst wenn manche Arten angesichts der Veränderung abwandern, entsteht bei geeigneter Planung der Anlage ein Biotop für neue Arten.

Um Boden und Biodiversität zu schützen, sieht das BMK in Österreich vor, dass Betreiber von PV-Anlagen auf Freiflächen eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen müssen: So sollen Anlagen möglichst rückbaubar sein und die ursprüngliche Bodenstruktur erhalten bleiben, Mindesthöhen und Abstände der Module werden vorgeschrieben sowie eine Mindestanzahl von Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt.

Unter anderem sollen Betreiber:innen Nisthilfen für Vögel, Fledermäuse und Insekten anbringen sowie Blühstreifen aus gebietseigenen Pflanzen ansäen. Auch die Bewirtschaftung der Fläche ist vorgeschrieben: Wie oft das Gras wie hoch gemäht werden darf – und mit welchen Mitteln. Zudem soll die Strukurvielfalt der Anlagen durch Totholzstapel und Steinhaufen erhöht werden, schreibt das Ministerium.

Große Fläche voller PV Anlagen

Wird es in Österreich irgendwann große Flächen voller PV-Anlagen geben?

Unattraktive Freiflächen

Bereits diese Vorschriften könnten manchen PV-Betreiber:innen die Lust auf Freiflächen verderben. Das BMK folgt diesem Impuls mit finanziellen Anreizen, indem etwa die Förderung für PV auf Grünflächen geringer ausfällt als für Dachflächen. Bis zu 25 Prozent weniger zahlt der Staat, wenn PV-Module auf eine landwirtschaftlich nutzbare Fläche kommen sollen.

Ausgenommen von diesem Förder-Abschlag sind bereits belastete Flächen, wie zum Beispiel Deponien, Infrastrukturflächen oder Bergbaustandorte. Saftige Zuschläge gibt es dagegen für PV auf bereits versiegelten Flächen wie Parkplätzen, an Lärmschutzwänden oder Staumauern. Und diese Förderhaltung scheint klug, ist doch die Faktenlage bezüglich Auswirkungen auf den Boden und seine Bewohner bisher unklar.

Zusammengefasst sollte wohl niemand ob eines PV-Kraftwerks auf Grünflächen in Panik geraten: Bei geeigneter Standortauswahl und Errichtung geht die Abwägung zwischen Schäden für Boden und Artenvielfalt und unseren Klimaschutzinteressen wohl für die PV-Alage aus. Doch es gilt ebenso, nur so viel PV auf guten Grund zu stellen, wie wirklich nötig.

Ein letztes Argument gegen die Freiflächen bleibt: Die Module verschandeln die Landschaft, so hört man es allerorts. Doch dieser Einwand kann nicht gelten: In Österreich sind zahlreiche Ortsanfänge mit den immer gleichen grauen Supermarktschachteln zugestellt, natürlich mit Parkfläche, und aus intakter Natur ragen hierzulande molochhafte Fabrik- und Lagerhallen. Protest dagegen vernimmt man nur selten – nun, er möge auch bei PV verstummen. Immerhin tragen Letztere zumindest dazu bei, unser Klima zu retten.

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