Bundespräsident

Am 9. Oktober findet die Bundespräsidentschaftswahl in Österreich zum 14. Mal statt. Obwohl es als die wichtigste Position im Staat gilt, stellen sich bei jeder Wahl die gleichen Fragen. Wozu brauchen wir überhaupt eine:n Bundespräsident:in? Was liegt in der Kompetenz dieses Amtes? Sind Präsident:innen insgeheim Lenker:innen des Staates oder fungieren sie bloß als Zierde bei Staatsbesuchen und nationalen Feierlichkeiten?

Die mächtigste Person im Staat

Man kennt es aus den USA, aus Frankreich oder der Türkei: Der Präsident – im Falle dieser Staaten waren es bisher ausschließlich Männer – ist die mächtigste Figur der nationalen Politik. Das Staatsoberhaupt ist das Gesicht des Staates in den Medien, es beeinflusst die politischen Entscheidungen der Innenpolitik und schließt wichtige Kontakte und Verträge mit dem Ausland.

In Österreich ist das Bild von dem vorgeblich höchsten Amt im Staate ein anderes. Der Bundespräsident – auch in Österreich wurde das Amt bisher nur männlich besetzt – scheint auf innen- oder außenpolitische Entscheidungen überhaupt keinen Einfluss zu haben, sondern seine Zeit mit Händeschütteln und Eröffnen von Feierlichkeiten zu verbringen.

Doch gerade in Zeiten des Wahlkampfs hört man immer wieder von der vermeintlichen Kompetenz von Bundespräsident:innen, die gesamte Bundesregierung sowie den Nationalrat auflösen zu können. Als Oberbefehlshaber:innen des Bundesheeres könnten sie außerdem die nationalen Streitkräfte mobilisieren und allein mithilfe von Notverordnungen regieren.

Sind österreichische Bundespräsident:innen also nur das dekorative Aushängeschild der Republik oder doch geballte Herrschaftsgewalt, wie zum Beispiel der Amtskollege aus den USA?

Autorität in Reserve

Tatsächlich ist das Amt des/der Bundespräsident:in laut der österreichischen Verfassung mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Amtsträger:innen ist es unter anderem erlaubt, Volksabstimmungen über Gesetzesentwürfe anzuordnen, Gesetze auf deren verfassungsmäßiges Zustandekommen zu prüfen, die Mitglieder der Bundesregierung und des Verfassungsgerichtshofes anzugeloben und sogar Regierung und Nationalrat ohne jegliche Beteiligung anderer Organe zu entlassen.

Als Exekutivorgan ist es außerdem die Aufgabe von Bundespräsident:innen, die Einhaltung von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zu kontrollieren und sie notfalls mithilfe des Bundesheeres zu exekutieren. Der Grund für diese scheinbar übermächtigen Befugnisse ist ein historischer. Zur Zeit der ersten Republik (1919-1933), also nach dem Fall des Habsburgerreiches und vor der austrofaschistischen Kanzlerdiktatur unter Engelbert Dollfuß, dominierten in Österreich zwei gegensinnige Parteien.

Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten weckten das Misstrauen der Gesellschaft einer Parteiendemokratie gegenüber und man sah die Notwendigkeit einer starken Führungsspitze, die in Notsituationen durchgreifen könnte. In der Verfassungsnovelle von 1929 wurde das Bundespräsident:innen-Amt daher mit dem Notverordnungsrecht, der Kompetenz, Regierung und Nationalrat zu entlassen und neu zu bestellen, dem Oberbefehl über das Bundesheer und anderen Eingriffsbefugnissen ausgestattet.

Trotz alledem hielt der 1933 regierende Bundespräsident Wilhelm Miklas weder die Selbstauflösung des Parlaments noch die darauffolgende Machtübernahme durch Bundeskanzler Dollfuß auf. 1945, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde die Demokratie und somit auch die alte Verfassung wiederhergestellt. Nach zwölf Jahren autoritärer Herrschaft – erst unter Dollfuß, dann unter Hitler – hätte es nunmehr als grobe Überschreitung gegolten, wenn ein:e Bundespräsident:in die volle Macht des Amtes ausgeschöpft hätte (Adamovich et al., 2017).

Somit regieren die Amtsträger:innen seitdem als sogenannte ‚Autorität in Reserve‘ (Müller, 2016). Die weitreichenden Befugnisse, die aus einer Zeit der politischen Instabilität stammen, werden heute kaum wahrgenommen. Allerdings sind diese Kompetenzen deshalb nicht einfach verschwunden und es kommt auf den/die jeweilige Amtsträger:in an, wie die Stellung interpretiert und genutzt wird (Müller, 2016).

Wahlgang

Bei der letzten Bundespräsdent:innen-Wahl 2016 konnte sich Alexander van der Bellen mit 53,8 Prozent gegen Norbert Hofer durchsetzen. 

Mythen und Fakten um das höchste Amt

Die bisherigen Bundespräsidenten haben von vielen verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten überhaupt keinen Gebrauch gemacht. Gleichzeitig haben sich über die Jahrzehnte Zuständigkeiten des Staatsoberhauptes herausgebildet, die so gar nicht in der Verfassung stehen.

Es ist in keinem Gesetz verankert, dass Bundespräsident:innen politische Gespräche mit einer neuen Regierung vor deren Angelobung zu führen haben, dass sie auf Staatsbesuche fahren und ausländische Staatsgäste empfangen müssen, oder dass Festakte von ihnen eröffnet werden müssen. Das Bild von händeschüttelnden Präsident:innen ist somit allein durch die eigene Interpretation und Ausgestaltung des Amtes durch die Amtsinhabenden entstanden (Adamovich et al., 2017).

Nicht nur unter der Wähler:innenschaft sorgt das Amt daher für Verwirrung. Kanditat:innen, die zur Bundespräsident:innenwahl antreten, überschätzen regelmäßig den Einfluss des Amtes, für das sie sich bewerben. Die politischen Gegner:innen bisheriger Bundespräsidenten haben dafür deren Befugnisse nicht selten unterschätzt.

In den diesjährigen Wahlkampfdebatten kündigten einige Kandidaten etwa Volksabstimmungen für den Fall ihres tatsächlichen Amtsantritts an. Über den Weg der Abstimmung solle das Volk über wichtige Themen wie einen potentiellen EU-Austritt oder die Aufrüstung des Bundesheers entscheiden.

Ein:e Bundespräsident:in kann Volksabstimmungen aber nur über Gesetzesbeschlüsse oder beschlossene Gesamtänderungen der Verfassung vor deren Inkrafttreten anordnen (B-VG Art. 43f). Für eine Volksabstimmung zur Aufrüstung des Bundesheers müsste daher der Nationalrat zunächst ein dementsprechendes Gesetz beschließen, wobei er in der Gesetzgebung völlig unabhängig ist.

Diese Kandidaten irren sich also, wenn sie glauben, ein:e Bundespräsident:in könne sich aussuchen, zu welchen Themen das Volk abstimmt, und überschätzen damit den Einfluss des Amtes auf politische Inhalte.

Stimmzettel

Wer eine Stimme hat, sollte wählen - denn ein:e Bundespräsident:in hat mehr Einfluss, als viele vielleicht denken.

Selten aber doch kam es in der Geschichte der Republik vor, dass amtierende Präsidenten von ihrer verfassungsmäßigen Autorität Gebrauch machten, wodurch sie jedes Mal rege Diskussionen über ihre Amtsbefugnisse auslösten.
1970 nützte Staatsoberhaupt Franz Jonas seine verfassungsmäßigen Rechte, um die erste Minderheitsregierung ins Amt zu rufen.
Bundespräsident Heinz Fischer war 2008 der erste, der die Beurkundung eines neuen Gesetzes verweigerte, da dessen Inhalt verfassungswidrig war. Sogleich entbrannte eine hitzige Debatte, ob der Präsident nur das verfassungsmäßige Zustandekommen von Gesetzen oder auch deren Inhalt überprüfen dürfe.

Auch die Amtszeit Alexander Van der Bellens verging nicht ohne Reibungen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik wurde der amtierende Bundeskanzler nach einem Misstrauensvotum entlassen. Der Finanzminister derselben Regierung war der erste, der die Exekution eines VfGH-Erkenntnisses durch den Präsidenten zu spüren bekam. Diese Eingriffe sind in Österreich zwar ungewöhnlich, jedoch nicht unerlaubt.

Das Bundespräsident:innen-Amt ist also mächtiger als es zuweilen scheint. Mit ihren weitreichenden Kompetenzen können Bundespräsident:innen einerseits Demokratie und Verfassung schützen, andererseits aber auch großen Einfluss auf die Staatsführung nehmen, wenn sie beispielsweise politische Ämter nach eigenem Ermessen besetzen. Wie das Amt tatsächlich gelebt wird, kommt schließlich auf die Auslegung der Amtsinhaber:innen an.

Wichtig hierbei ist, dass sich Bundespräsident:innen dem Parlament und dem Volk gegenüber politisch verantworten müssen und im Falle von Machtmissbrauch auch abgewählt werden können. Man tut jedenfalls gut daran, das eigene Wahlrecht zu nutzen, um die Auslegung dieses wichtigen Amtes mitzubestimmen.

Adamovich, L., Zede, F., & Prosl, C. (Hrsg.) (2017). Der österreichische Bundespräsident:
     das unterschätzte Amt. Studienverlag.
Müller, C. (2016). Welches Demokratiemodell haben wir in Österreich? Uni:view Magazin

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