Viele Familien sind auf der Flucht und auf Asylrecht angewiesen

Bei alexandria dreht sich diese Woche alles um (inter)nationale Politik. In unserem aktuellen Podcast hilft Ralph Janik, das Völkerrecht besser zu verstehen. Sarah Knoll verrät uns, wie sich die österreichische Asylpolitik seit 1945 verändert hat. Doch wie hat sich das moderne Asylrecht historisch überhaupt erst entwickelt? Einen kurzen Überblick gibt es in diesem Vollwissen!

Der lange Weg zum modernen Asylrecht

Die Wurzeln des Asylrechts („Asylos“, gr. – Zufluchtsstätte) sind im Altertum zu suchen. Im Laufe der Jahrhunderte etablierten sich sakrale Orte - beispielsweise Tempel, Klöster oder Kirchen – als Zufluchtsstätten mit Zugang für die Allgemeinheit, die in der Regel von den politischen Machthabern noch zu Beginn des absolutistischen Zeitalters respektiert wurden.
Die Ursprünge des modernen Asylrechts sind mit dem Siegeszug moderner Nationalstaaten ab dem 18. und insbesondere 19. Jahrhundert und den damit einhergehenden Fluchtbewegungen innerhalb Europas eng verwoben. Eine zentrale Rolle im kollektiven Gedächtnis des alten Kontinents spielt die Flucht der Hugenotten aus Frankreich. Im Zuge dieser Fluchtbewegungen wurde 1685 vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg das „Edikt von Potsdam“ erlassen, welches den religiös verfolgten Niederlassung sowie weitere Privilegien gewährte.

Asylrecht im "kurzen 20. Jahrhundert"

Mit dem oft als „Zeitalter der Extreme“ (nach Eric Hobsbawm) bezeichneten 20. Jahrhundert kam es während und nach dem Ersten Weltkrieg zu Fluchtbewegungen in bis dahin nicht gekannter Zahl und Größe (Armenier:innen und andere Minderheiten aus dem Osmanischen Reich, politisch Verfolgte aus der Sowjetunion,…). Vor dem Krieg waren auf globaler Ebene die Einreise und der Aufenthalt von Menschen aus fremden Ländern rechtlich nur lückenhaft geregelt; die neuen Realitäten erforderten eine Änderung. Mit der Gründung des Völkerbundes (1920) und der Schaffung des Amtes des Hochkommissars für Flüchtlinge (Fridjof Nansen) kam es zur Koordinierung der internationalen Flüchtlingshilfe. Der nächste große Schritt wurde 1933 getan, indem die „Konvention über den internationalen Status der Flüchtlinge“ vereinbart wurde. Als Reaktion auf durch die Nationalsozialisten „politisch, rassisch oder religiös Verfolgte“ kommt es 1938 zur Gründung des „Intergovernmental Committee on Refugees“ (IGCR). Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es Schlag auf Schlag - 1945 wird die „International Refugee Organization“ (IRO) als UN-Agentur gegründet. In der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (1948) ist verankert, dass das Individuum das „Recht, in anderen Ländern Zuflucht vor Verfolgung zu suchen und zu genießen“ besitzt. 1949 kommt es im Zuge der israelisch-arabischen Konflikte zur Gründung der „United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East“ (UNRWA). Als grundlegend und wesentlich für die zukünftige Entwicklung wird das 1951 in Genf (SUI) entworfene und bis heute von 146 Staaten ratifizierte „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ - kurz: „Genfer Flüchtlingskonvention" - angesehen. Ein wesentlicher Beschluss der gegengezeichneten Staaten dabei war, Flüchtlinge nicht in den Verfolgerstaat abzuschieben und im Notfall Asyl zu gewähren. 1967 wurden im Zuge des „Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ die wesentlichen Beschlüsse der „Genfer Flüchtlingskonvention“ erweitert. Diese war nun auch auf jene Personen anwendbar, die aufgrund von Ereignissen geflohen sind, die 1951 und später stattgefunden haben oder zukünftig stattfinden werden

Asylrecht in der Gegenwart

Bis heute existiert kein international einheitlich gestaltetes, allgemeingültiges Recht auf Asyl. 2015 verzeichneten die „United Nations High Commissioner for Refugees“ (UNHCR) in einer Statistik rund 19,5 Millionen Flüchtlinge weltweit. Angesichts solcher Zahlen beschloss man auf EU-Ebene, das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GES) ins Leben zu rufen, welches Schutzsuchenden einen besseren Zugang zum Asylverfahren bieten und dazu beitragen soll, dass Asylentscheidungen gerechter, schneller und auf einer besseren Grundlage getroffen werden. Dennoch ist man aktuell, insbesondere auf globaler Ebene, von einem einheitlich geregelten Asylrecht noch weit entfernt. Es bleibt spannend, in welche Richtung sich dieses entwickelt – nicht nur für Völkerrechtler:innen und Historiker:innen.

- (Juristische) Informationen zu Asylrecht, Ausländerrecht, Migrationsrecht findet ihr in diesem Beitrag: "Recht auf Zuflucht für Verfolgte" (anwalt.org)
- Unser Podcast-Gast Dr. Ralph Janik liefert in diesem Blog-Artikel eine kompakte Darstellung zu Internationalem Flüchtlingsrecht (englisch): "A (very) Short Story of International Refugee law" (ralphjanik.com)
- Ein Standardwerk zu Fluchtbewegungen in der Moderne: Philipp Ther (2017). Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa, Berlin.

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