Polizist mit Schlagstock

Gewalt, Rassismus und Machtmissbrauch: Die österreichische Polizei gerät immer wieder in Verruf. Unrechtmäßige Amtshandlungen und exzessive Gewaltanwendung werden ihr vorgeworfen. Was davon ist rechtens und wie kann man sich gegen Polizeigewalt wehren? Das erfährst du in diesem „Vollwissen“!

Den gesamten Juli widmen wir uns dem Themenschwerpunkt "Exzess". Mehr darüber, warum gerade Exzess ein spannendes Thema für die Wissenschaft ist, erfährst du hier.

Viele kennen die schockierenden Bilder, die regelmäßig in Netz und Medien über die Polizei kursieren: eine wehrlose Person wird von Uniformierten brutal zu Boden gedrückt, friedlich Demonstrierende werden von einer Truppe bewaffneter Polizist:innen eingekesselt, Kinder und Jugendliche werden festgenommen und grob weggezerrt. Polizeigewalt ist in vielen Staaten der Welt ein Problem – so auch in Österreich. Beim Kontakt mit den Sicherheitsbehörden ist es daher sehr wichtig, seine Rechte zu kennen.

Was ist Polizeigewalt?

Die vorgeschriebene Rolle der Sicherheitspolizei in unserer Gesellschaft ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 3 SPG). Polizeibeamt:innen werden zu diesem Zweck mit bestimmten Befugnissen ausgestattet, die ‚normale‘ Zivilist:innen nicht haben. Unter gewissen Umständen ist ihnen erlaubt, Befehls- oder Zwangsgewalt anzuwenden und in die persönlichen Rechte von Personen einzugreifen, um so andere Rechtsgüter, wie Eigentum oder Menschenleben, zu beschützen.

Ein solcher Eingriff ist aber nur rechtens, wenn andere gelindere Mittel für die Aufgabenerfüllung nicht ausreichen und der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zum Anlass und dem angestrebten Ergebnis steht (§ 28a Abs 3 SPG). Ob ein Eingriff in ein persönliches Recht notwendig und damit erlaubt ist, muss also von Fall zu Fall erneut beurteilt werden.

Allerdings passiert es immer wieder, dass Polizist:innen diese Befugnis überschreiten oder sogar missbrauchen und dadurch Menschenrechte verletzt werden. In diesem Fall spricht man von Polizeigewalt – eine Form des Exzesses. Eine unrechtmäßige Behandlung durch die Polizei kann sich unterschiedlich äußern. Unzulässige Gewaltanwendung wie Schläge, rassistische und diskriminierende Misshandlung, Folter und ungerechtfertigte Festnahmen sind nur einige der erschreckenden Beispiele. Wieso kommen diese Exzesse so häufig vor und wie kann man sie verhindern?

Polizei und Gewalt: ein ewiges Problem?

Die Institution Polizei ist weltweit umstritten und die Thematik entfacht regelmäßig politische Debatten. In Zeiten gesellschaftlicher Instabilität stellt die Politik häufig einen verstärkten Polizeiapparat als essentiellen Beitrag zur Widerherstellung von Sicherheit und Ordnung dar. Andere kritisieren wiederum eine Ausweitung des staatlichen Gewaltmonopols und befürchten die Einschränkung ihrer Freiheiten und Rechte durch vermehrte staatliche Kontrolle und Kriminalisierung. Es stellt sich also die schwierige Frage, wie mit dem heiklen Verhältnis zwischen Polizei und Gewalt umzugehen ist und ob ein gewaltfreier Polizeiapparat überhaupt realisierbar ist.

Auch in der Sozialwissenschaft sind die Meinungen gespalten. Dort werden drei primäre Positionen unterschieden, die einen jeweils eigenen Umgang mit der Gewaltproblematik vorschlagen. Vertreter:innen der ‚autoritären Position‘ sehen die Anwendung von Gewalt durch die Sicherheitspolizei als notwendige Bedingung, um die gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Um Demokratie und Rechtsstaat zu wahren, muss eine autoritäre Institution die Einhaltung der gesellschaftlichen Regeln kontrollieren und sie gegebenenfalls mithilfe von Zwang durchsetzen. Im Gegensatz zum liberalen Verständnis der Grundrechte werden nach dieser Position die Menschen nicht vor dem Staat, sondern durch den Staat geschützt.

Die sogenannte ‚kontingente Position‘ vertritt die Auffassung, dass Gewaltexzesse bei der Polizei veranlagt sind, dass also das Problem schon in der Struktur der Institution selbst liegt. Gleichzeitig empfindet sie die Polizei aber als notwendig, da Kriminalität ein gewöhnliches Übel jeder Gesellschaft darstellt. Der ‚kontingente Ansatz‘ plädiert daher für eine verstärkte Kontrolle der Institution durch das Parlament und unabhängige Kontrollorgane, wie eigens eingerichtete Ermittlungsstellen oder NGOs.

Die ‚anarchistische‘ der drei Positionen verlangt eine gänzliche Abschaffung der Institution, weil sie das strukturelle Gewaltproblem und die Aufrechterhaltung von sozialer Ungerechtigkeit durch die Polizei für unkontrollierbar hält. Für die Vertreter:innen der ‚anarchistischen Position‘ steht die Polizei der Demokratie entgegen. Eine demokratische Gesellschaft könne mithilfe von sozialer Integration, Kommunikation und Aushandlung auf eine Sicherheitspolizei verzichten.

Tatsächlich findet die ‚autoritäre Position‘ kaum Befürworter:innen in der Forschung. Allerdings bleibt sie als populistisches Mittel der Politik stets aktuell. Es bleiben die Fragen, inwiefern die Polizei demokratisiert und besser kontrolliert werden kann, um dem Gewaltproblem entgegenzuwirken, aber auch, ob die Polizei tatsächlich die geeignete Institution ist, um Sicherheit und Ordnung in der Gesellschaft zu gewährleisten. (Kretschmann & Legnaro, 2019)

Polizist mit Schlagstock rot

Polizeigewalt in Österreich

In Österreich ist die Polizei eines der politisch wichtigsten Themen für das Innenministerium. Der Wachkörper steht auch regelmäßig bei Wahlkämpfen, in Verbindung mit dem Thema der öffentlichen Sicherheit, im Fokus. Seit der Pandemie ist auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei gewachsen. Dass es in Österreich ein Problem mit Gewaltexzessen und Misshandlungen durch die Polizei gibt, kann jedoch weder die Bevölkerung noch die Politik leugnen.

So kündigte die Regierung von ÖVP und GRÜNEN 2020 in ihrem Regierungsprogramm eine unabhängige Ermittlungs- und Beschwerdestelle an, die sich in Zukunft mit Vorwürfen gegen die Polizei befassen solle. Der damalige Innenminister und heutige Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte das Konzept für diese Stelle für Herbst 2020 versprochen. Die Ermittlungsstelle wurde allerdings nie errichtet.

Die unabhängige Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert, dass bis heute die Polizei in Österreich bei Missbrauchsvorwürfen gegen sich selbst ermittelt und dadurch ein klarer Interessenskonflikt entsteht. Die Aufarbeitung von polizeilichem Fehlverhalten, wie es in den letzten Jahren häufig bei Demonstrationen beobachtet wurde, wird durch die Selbstermittlung gefährdet. Die NGO wirft der Polizei vor, dass einigen Beschwerden überhaupt nicht nachgegangen wird und Beamt:innen die Möglichkeit haben, sich im Falle eines Vorwurfs gegenseitig zu decken. Zur Polizeigewalt in Österreich sind außerdem kaum Statistiken bekannt, da sich viele Menschen nicht trauen, sich mit dem Problem an die Polizei zu wenden. Viele Vorwürfe laufen ins Leere und nur in den seltensten Fällen kommt es zu einer Anklage.

Auch von den Vereinten Nationen und dem Europarat wurde Österreich bereits wegen mangelnder Transparenz und der fehlenden unabhängigen Ermittlungsstelle gemahnt. Eine unabhängige Ermittlungs- und Beschwerdestelle würde nicht nur die verbesserte Aufklärung von Missständen bei der Polizei gewährleisten, sondern auch das Vertrauen der Menschen in die Institution steigern.

Wie kann ich mich wehren?

Es ist also leider nicht zu leugnen, dass Polizeigewalt in Österreich immer wieder vorkommt. Wenn man also selbst in die Lage einer ungerechten Behandlung gerät, sollte man seine Rechte kennen und wissen, wohin man sich wenden kann.

Vor allem bei Demos wird oft beobachtet, wie Polizist:innen unfaires oder gar gewalttätiges Verhalten an den Tag legen, Gruppen junger Demonstrierender grundlos einkesseln oder einzelne Personen brutal festnehmen und wegzerren. Viele Anwesende reagieren darauf, indem sie das Geschehen mit dem Handy filmen. Dafür wird man nicht selten von der Polizei gerügt, dass man sich durch die Aufnahme und vor allem eine spätere Veröffentlichung auf den Sozialen Medien strafbar mache. Da jede:r ein Recht auf das eigene Bild hat und selbst das Aufnehmen einen Eingriff in die Privat- und Geheimsphäre darstellen kann, ist das Filmen und Fotografieren fremder Personen ohne deren Einwilligung grundsätzlich verboten.

Da Beamt:innen während der Amtshandlung, sprich bei Ausführung ihres Berufes, jedoch nicht privat unterwegs sind, kann mit dem Filmen nicht in die private Sphäre eingegriffen werden. Das Veröffentlichen des Materials ist begrenzt erlaubt. Ein Posting ist zum Beispiel in Ordnung, wenn man damit die Allgemeinheit informieren, oder einen demokratischen Diskurs anregen möchte. Ist eine Bildveröffentlichung grundlos erfolgt bzw. dient sie nur der Belustigung, oder ist sie dazu geeignet, die abgebildeten Personen herabzuwürdigen oder gar zu gefährden, so ist sie in den meisten Fällen unzulässig. Seitens der abgebildeten Polizeibeamt:innen müssen jedoch dringende Gründe für das Untersagen einer Veröffentlichung vorliegen, da diese als Mittel der demokratischen Meinungsäußerung geschützt ist. Das Filmen und Posten von polizeilichem Fehlverhalten ist also in den meisten Fällen erlaubt.

Eine Festnahme darf die Polizei grundsätzlich nur aufgrund gerichtlicher Bewilligung und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft vornehmen, wenn die Person einer Straftat verdächtigt wird und darüber hinaus ein spezieller Haftgrund, wie beispielsweise Fluchtgefahr, besteht (s. U-Haft erklärt). Bei Gefahr im Verzug oder wenn man auf frischer Tat bei einem Verbrechen ertappt wird, darf die Polizei jedoch eine Verhaftung ohne Bewilligung vornehmen und die oder den Festgenommene:n bis zu 48 Stunden anhalten. Die Polizei muss die festgehaltene Person über all ihre Rechte informieren. Man hat das Recht, eine:n Verteidiger:in zu verständigen, Rechtsmittel gegen die Festnahme zu erheben und die Freilassung zu beantragen und innerhalb von 48 Stunden einvernommen zu werden, um daraufhin in die zuständige Justizanstalt überstellt oder freigelassen zu werden.

Nach einer Festnahme, bei Ertappen auf frischer Tat oder Verdacht auf Mitführen verbotener Gegenstände, wie zum Beispiel Drogen, darf die Polizei eine Personendurchsuchung durchführen, also Taschen durchsuchen und den Körper abtasten. Die zu durchsuchende Person hat dabei das Recht den Durchsuchungsgrund zu erfahren und auch eine gegebenenfalls gesuchte verbotene Sache, beispielsweise eine mitgeführte Waffe, freiwillig herauszugeben und damit der Durchsuchung zu entgehen. Darüber hinaus hat man das Recht die Personendurchsuchung von einer Person des gleichen Geschlechts vornehmen zu lassen. Trans*-Personen können in der Regel eine Wahl treffen, von wem sie untersucht werden möchten.

Bei unfairer, rassistischer oder diskriminierender Behandlung kann man innerhalb von sechs Wochen eine Maßnahmenbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht erheben. Dafür ist es ratsam, sich eine Rechtsvertretung zu holen. Außerdem kann man sich über das ‚Bürger-Telefon‘ des Innenministeriums oder bei NGOs wie ZARA beraten lassen.

- Broschüre "Deine Rechte und Pflichten im Kontakt mit der Polizei" der Kinder- und Jugendanwaltschaft Oberösterreich
- Artikel von Amnesty International über Polizeigewalt und deine Rechte
- "Taschenanwältin: Kenne deine Rechte" von der Stadt Wien

Kretschmann, A., & Legnaro, A. (2019). Polizei und Gewalt: Sozialwissenschaftliche Lektüren eines untrennbaren Verhältnisses. In: Juridikum: Zeitschrift für Kritik, Recht, Gesellschaft, 3, 373-383.

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