LCOY Titelbild

Jedes Jahr treffen sich Menschen unter 30 aus ganz Österreich, um auf der LCOY über das Klima zu sprechen. Angeleitet von Wissenschaftler:innen und Expert:innen fragen sie sich, wie wir nachhaltiger leben können. Unsere Redakteurin Anna war dabei und schildert ihre Eindrücke.

Warum das wichtig ist: Die Medien sind voll von Hiobsbotschaften: Waldbrände, Überflutungen, Regenstürme. Der menschengemachte Klimawandel verschont auch die westliche Welt nicht. Viele junge Leute stellen sich angesichts dieser Tatsache die Frage, was sie selbst gegen die Klimakrise tun können. Darüber sprechen sie auf der Local Conference of Youth (LCOY).

In der lichtdurchfluteten Halle aus Beton entbrennt Applaus, als Helga Kromp-Kolb die Bühne der Universität für Angewandte Kunst in Wien betritt. Mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht gibt die Professorin der BOKU und Ikone der Klimabewegung in Österreich zu: „Ich habe zuerst nicht gewusst, über was ich heute reden soll. Die meisten, die hier sitzen, wissen schon sehr gut über den Klimawandel Bescheid… da kann ich fast nichts Neues mehr berichten.“
Trotzdem, oder gerade deshalb, kommt der dreißigminütige Vortrag der österreichischen Klimaexpertin bei den Zuschauer:innen gut an und ist ein Highlight der LCOY Austria, die seit 2018 alljährlich durchgeführt wird. Die Veranstaltung findet immer einige Wochen vor der Weltklimakonferenz statt und hat die Macht, deren Diskussionen zu beeinflussen. Doch wie?

Klima für jede Generation: COP, COY & LCOY

Am 13. November endete die UN-Klimakonferenz in Glasgow. Bei der COP 26 („Conference of Parties“, fand 2021 zum 26. Mal statt) wurden weitere Maßnahmen gegen den Klimawandel festgesetzt. Davon haben die meisten Nachrichtenleser:innen und Interessierte in den letzten paar Tagen und Wochen gehört. Über die COY wissen aber nur die wenigsten Bescheid. Es handelt sich um die „Conference of Youth“, auf der sich Jugenddelegierte der ganzen Welt in der Woche vor der UN-Klimakonferenz treffen. Hier bereiten sie sich nicht nur auf ihre Teilnahme bei der COP vor, sondern sammeln Wünsche für Klimamaßnahmen, die an die Politiker:innen und Diplomat:innen weitergeleitet werden. An der COY dürfen Personen bis 29 Jahren teilnehmen.
Wie es der Name bereits vermuten lässt, ist die LCOY das lokale Pendant der Conference of Youth. Die Veranstaltung fand 2021 in über 40 Ländern, beispielsweise in Chile, Namibia, Griechenland, Kasachstan und auf den Philippinen, statt. Die meisten LCOYs werden von regionalen Gruppen organisiert und können deshalb sehr unterschiedlich ablaufen. Die österreichische wird von CliMates Austria, einer Organisation, bei der sich alles rund um den Klimawandel dreht, gestaltet.

Der erste Tag

In kleinen Gruppen umrunden die Neuankömmlinge die Stehtische oder sitzen auf den Bänken und Stühlen der Cafeteria. Der ganze Raum ist erfüllt von Lachen und freundlichen Gesichtern – die erkennt man auch mit FFP2-Masken vor Mund und Nase. Die Rate von Schlabberpullis, die selbstgemacht aussehen, ist hoch.
Kurz nach Beginn werden die Neuankömmlinge zur Ordnung gerufen. Als die Begrüßung beginnt, werden Notizblöcke gezuckt. Kein fachliches Detail darf vergessen werden.
Am 15.10.2021 starten ungefähr 150 Leute unter 30 Jahre in Wien in ein kostenloses Wochenende, das sich vor allem auf die Wissensvermittlung konzentriert. Am Freitag spielt sich alles auf der großen Bühne ab. Zu Beginn schickt Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine Videobotschaft, bei der man sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen kann. Er urgiert die Wichtigkeit des Umweltschutzes und spricht den jungen Menschen, die sich hier versammeln, um etwas zu bewirken, seinen Respekt aus.
Darauf folgen mehrere Keynotes, unter anderem der Vortrag von Helga Kromp-Kolb. In ihren dreißig Minuten räumt sie mit Halbwissen über das Pariser Klimaabkommen, das 1,5-Grad-Ziel und ähnliche Themen auf. Aufgrund der hohen Dichte an Information rauchen danach alle Köpfe.
Zum Abschluss findet am Freitag eine Podiumsdiskussion mit Expert:innen statt, die man sich hier ansehen kann. Die Debatte dreht sich rund um das Thema „Die Zukunft des Reisens“. Wie man es sich von einer Veranstaltung wie der LCOY erwarten kann, kommen alle Anwesenden zu der Schlussfolgerung, dass Flugzeuge bald Vergangenheit sein werden.

LCOY Podiumsdiskussion

Bei der Podiumsdiskussion sprachen Mira Kapfinger (Stay Grounded), Laura Fariello (ÖBB) und Elias Bohun (traivelling) miteinander über die Zukunft des Reisens. 

Wissensvermittlung

Am nächsten Morgen beginnen die Workshops, die in Gruppen von bis zu dreißig Personen stattfinden. Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten kann man im Vorhinein auswählen, welche Kurse man besuchen will. Stellt die vegane Ernährung die Lösung der Klimakrise dar? Was sind die Gemeinsamkeit von Umweltschutz und Pandemien? Und was sind Kreislaufwirtschaft und Lieferkettengesetz? All diese Fragen und noch dutzende mehr werden am Samstagvormittag, -nachmittag und Sonntagmorgen beantwortet. Die Vortragenden sind Expert:innen auf ihrem Fachgebiet. Viele haben studiert und besitzen Jahrzehnte an Erfahrung, andere wiederum sind engagierte Aktivist:innen, die sich ihr Wissen selbst angeeignet haben.
Alle Seminare laufen ähnlich ab. Die Teilnehmer:innen sitzen in Gruppen und diskutieren über das Thema. Das Kratzen von Kugelschreibern begleitet die Wortmeldungen. Hin und wieder stellen Teilnehmer:innen das Wissen der Vortragenden in Frage. Dann schießt eine Hand nach der anderen in die Höhe und manchmal kommt es zu Meinungsverschiedenheiten. Im Endeffekt verlassen aber alle mit mehr Wissen den Seminarraum und sind dankbar für den Austausch.
Und zwischen den Workshops? Es gibt nicht nur gratis Essen, bei dem es sich selbstverständlich ausschließlich um vegane oder vegetarischen Kost handelt. Immer wieder fordern die Organisator:innen zu einem kleinen „Warm-Up“ auf. Alle stellen sich zusammen in einen Kreis und machen Übungen. Schreien, hüpfen, singen – alles ist erlaubt.

LCOY Seminar

Im Vortrag „Klimakrise – Medienkrise?“ liegt der Schwerpunkt auf der Verantwortung des Journalismus im Umweltschutz.

Das Klima retten wir nur gemeinsam

Neben der Vermittlung des Wissens geht es bei der LCOY auch darum, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Viele der Anwesenden sind Aktivist:innen und kämpfen für die Klimagerechtigkeit, gegen das Tierleid oder für den Umweltschutz. Eine einzelne Person kann bei diesen Themen oftmals nur wenig Veränderung bewirken. Gemeinsam jedoch lässt sich etwas bewegen.
Um die Leute auch außerhalb der fachlichen Diskussion zusammenzubringen, findet an einem Abend ein Pub-Quiz statt. Auch der „Markt der Initiativen“ fällt unter diese Kategorie. Stände von verschiedensten Organisationen, die sich für Umweltschutz einsetzen, informieren die Teilnehmer:innen über ihre Arbeit. Außerdem beantworten sie Fragen, wie man sich bei ihnen beteiligen kann.
Auch wenn man an diesen Ereignissen nicht teilnimmt, kommt man unweigerlich in Kontakt mit anderen. Beim Mittagessen gibt es viele Tische, die man sich mit Fremden teilt. Hinter den freundlichen Gesichtern verstecken sich hilfsbereite Menschen. Einige Teilnehmer:innen behaupten, dass sie das gesamte Wochenende nie selbst die Tür zur Toilette öffnen mussten. Es stand immer jemand bereit, der ihnen diese Arbeit abnahm.

LCOY Zusammenkommen von jungen Menschen

Bei der Output-Session im Jahr 2019 gab es noch keine Kontaktbeschränkungen und mehr Körpernähe. (Copyright: CliMates Austria)

Wie die Stimme der Jugend in die Weltpolitik kommt

Am Ende findet eine Output-Session statt, die unter anderem von den Jugenddelegierten von Österreich geleitet wird. Die Teilnehmer:innen lassen die Workshops und die Eindrücke der letzten Tage noch einmal Revue passieren. Die Frage, die sich am Ende stellt: Wie kann man mit dem Gelernten die (Um)Welt verbessern? Im Laufe dieses Prozesses werden auf ein großes Plakat Bitten, Wünsche und Forderungen an die Politiker:innen geschrieben.
Die Jugenddelegierten 2021, Isabella Pfoser und Michael Spiekermann, waren dieses Jahr nicht nur auf der COY, sondern auch auf der COP 26 in Glasgow. Dort haben sie die Jugendlichen Österreichs vertreten. Zwar hatten sie kein Stimmrecht in der Entscheidungsfindung, doch sie durften ihre Wünsche, Forderungen und Meinungen aussprechen. Die wichtigsten Punkte der Output-Session nahmen die beiden mit auf den Weg nach Glasgow. Darunter fallen beispielsweise der Wunsch nach einem strengen Lieferkettengesetz und einem globalen Klimagericht mit weitreichenden Befugnissen. Auf diese Weise konnten die Wünsche der Teilnehmer:innen der LCOY Austria bis nach Schottland reisen und von der Diplomat:innen und Politiker:innen gehört werden.

Gemeinsam träumen

Ein ganzes Wochenende lang darüber zu sprechen, wie die Welt mit zunehmender Geschwindigkeit auf eine menschengemachte Katastrophe zusteuert, ermüdet. Oft deprimiert der Einsatz für ein nachhaltigeres Leben.
Deshalb setzen sich zum Abschluss alle vor der großen Bühne auf den Boden. In Schneidersitz, Knie an der Brust oder Beine ausgestreckt. Eine Traumreise, begleitet von Isabella Pfoser, beginnt. Wir befinden uns im Jahr 2100 und die Klimakrise ist überwunden. Verschlafen wachst du in deinem Zuhause auf und schaust aus dem Fenster. Du bereitest dir ein Frühstück zu und machst dich danach auf den Weg zur Arbeit. Den Nachmittag und Abend verbringst du entspannt im Freien.
Die konkrete Ausgestaltung dieser Traumbilder ist jeder:m Teilnehmer:in selbst überlassen. Viele stellen sich eine ruhige Stadt vor, die von Pflanzen und glücklichen Menschen durchzogen ist. Die Luft ist klar, keine Verkehrsbelastung verschmutzt die Luft, am Horizont sind Felder mit Solaranlagen zu sehen und Straßen voller Bäume spenden Schatten. Man schläft ein in einer Welt, in der man sich über das Morgen keine Sorgen machen muss. Es ist eine Utopie, aber wenn man die Augen wieder öffnet, hat man ein kleines Stück dieser Utopie in die Wirklichkeit gerettet. Zurück bleibt am Ende bei allen eines: ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit.
Und wie stellst du dir die Welt nach der Klimakrise vor?

- Auch letztes Jahr, 2020, gab es eine spannende Podiumsdiskussion auf der LCOY: Wie können Menschenrechte und Gleichberechtigung im Kampf gegen den Klimawandel gewährleisten? (LCOY Austria)
- Die wichtigsten Ergebnisse der UN-Klimakonferenz 2021 zusammengefasst: Die wichtigsten Ergebnisse der Klimakonferenz (zdf)
- Über Rede auf der COP 26 spricht die ganze Welt - sie verdeutlicht uns die drastischen Folgen des Klimawandels: "We are sinking" (Guardian)
- Das, was auf LCOY und COP passiert, ist Klimapolitik. Umweltdiplomat:innen spielen eine wichtige Rolle darin: Mehr darüber findest du in diesem alexandria-Beitrag.
- Mit Helga Kromp-Kolb haben wir einen Podcast aufgenommen, in dem sie über die Coronakrise in Bezug auf den Klimawandel spricht. Höre rein!

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