Nobelpreismedaille

Wenn die Nobelpreise vergeben werden, kann man schnell den Überblick verlieren: Wer hat ihn dieses Jahr noch mal gewonnen? Und wofür eigentlich? Die alexandria-Redaktion erklärt dir kurz und schmerzlos, welche wissenschaftlichen Leistungen dieses Jahr ausgezeichnet wurden!  

Nobelpreis für Physiologie & Medizin

Der Nobelpreis für Physiologie und Medizin 2022 ging an den Schweden Svante Pääbo, einen Biologen und Begründer der Paläogenetik.

Svante Pääbo und sein Team waren die Ersten, die das gesamte Genom eines Neandertalers vollständig sequenzieren konnten. Der Biologe fand dabei nicht nur heraus, dass 1-4 Prozent der Gene europäischer und asiatischer Menschen auf die des Neandertalers zurückzuführen sind, sondern entdeckte eine neue Menschenart, den Denisova-Menschen.

Da Neandertaler vor ca. 30.000 Jahren ausstarben, sind heute nur noch Bruchstücke ihrer DNA erhalten. Durch Verunreinigungen mit DNA-Spuren von Bakterien oder anderen Lebewesen ist diese meist nicht mehr zur Gänze nachweisbar. Svante gelang es, nach der Sequenzierung einzelner Bruchstücke einer 40.000 Jahre alten DNA aus einem Oberschenkelknochen durch jahrelange Forschung schließlich im Jahre 2010 die vollständige Genomsequenz eines Neandertalers zu publizieren. Dadurch erhoffen sich Forscher:innen tiefere Einblicke in die Evolution, sowie in die Entwicklung unseres Immunsystems und in die Ursachen von Krankheiten.

Aufgrund dieser erfolgreichen Sequenzierung, sowie der Schaffung einer neuen Wissenschaft, der Paläogenetik (beschäftigt sich mit der genetischen Analyse fossiler und prähistorischer Überreste), und der Revolutionierung unseres Wissens über das Verhältnis von Neandertalern und Homo sapiens erhielt Svante Pääbo heuer den Nobelpreis.

Unter diesem Link könnt ihr euch über die Arbeit von Svante Pääbo bei seinem Vortrag beim Falling Walls Science Summit im Jahre 2014 selbst ein Bild machen. (Video ist auf Englisch)

Nobelpreis für Chemie

Der Chemie-Nobelpreis 2022 ging an die Forscher Barry Sharpless, Morten Meldal und Carolyn Bertozzi.

Im Labor ist es oft schwer, komplexe Stoffe herzustellen, da viele Schritte benötigt werden und dabei unnötige Nebenprodukte entstehen. Dies führt zu erhöhtem Zeitaufwand und zusätzlichen Kosten. Mit ihrer Forschung zur Click-Chemie lösten Barry Sharpless, Morten Meldal und Carolyn Bertozzi dieses Problem und gewannen dafür den Nobelpreis in Chemie.

Das Prinzip der Click-Chemie ist einfach und wurde von Sharpless und Meldal geprägt. Mit Hilfe von Kupfer-Salzen lassen sich zwei Moleküle wie Legosteine „zusammenklicken“, wodurch langwierige Zwischenreaktionen und Nebenprodukte vermieden werden. Das erleichtert vor allem die Herstellung von neuen Pharmazeutika und Materialien.

Bertozzi fand im Anschluss heraus, wie man die Click-Chemie ohne Kupfer auch innerhalb des menschlichen Körpers anwenden kann, denn der Stoff ist giftig für den Menschen. Dort kommt die Click-Chemie beispielsweise zum Einsatz, um Leuchtmittel an Krebszellen zu heften. Auf diese Weise ist ihre Ausbreitung im Körper in Echtzeit sichtbar.

Dieses Video erklärt die Click-Chemie genauer.

Nobelpreis für Physik

Einer der erstaunlichsten Effekte der Quantenwelt ist die Verschränkung: Mehrere Teilchen verhalten sich wie ein Ganzes, egal, wie weit die einzelnen Partner voneinander entfernt sind. Sind etwa zwei Lichtteilchen, Photonen genannt, verschränkt, führt eine Messung an einem Photon sofort zu einer entsprechenden Veränderung am anderen.

Die Begründer:innen der Quantenphysik konnten ihre eigene Theorie nicht glauben: Albert Einstein etwa versuchte mit speziellen Eigenschaften der einzelnen Teilchen, die „spukhafte Fernwirkung“ der Verschränkung wegzuerklären. Doch wie die diesjährigen Physiknobelpreisträger Alain Aspect und John Clauser experimentell zeigen konnten, beschreibt Einsteins Modell nicht die Realität. Die Physiker:innen mussten lernen, mit Verschränkung zu leben.

Der österreichische Preisträger Anton Zeilinger ging noch einen Schritt weiter: In verschiedenen Experimenten entwickelte er erste Anwendungen für diese seltsame Verbindung. So kann etwa der Zustand eines Teilchens mithilfe von verschränkten Photonen über weite Distanzen übertragen werden – die berühmte Quanten-Teleportation. Effekte wie dieser lassen sich etwa zur abhörsicheren Kommunikation nutzen.

Nobelpreis für Wirtschaft

Der Umgang mit Finanzkrisen ist spätestens seit 2008 eines der dominanten Themen in der Welt der Wirtschaftswissenschaften. Dieses Jahr wurden drei US-amerikanische Ökonomen für ihre Forschung dazu ausgezeichnet: Philip Dybvig, Douglas W. Diamaond und Ben Bernanke.

Finanzkrisen besser zu verstehen soll dabei helfen, wirtschaftliche Depressionen zu vermeiden, die als Konsequenz drohen.
Während Diamond und Dybvig sich mit diesem Phänomen theoretisch auseinandersetzen , kann Bernanke auch praktische Erfahrung vorweisen – er war von 2006 bis 2014 Chef der US-Notenbank. Besonders interessant: Den Einfluss ihrer Forschung können wir im aktuellen Umgang mit der hohen Inflation beobachten.

Ein Video, in dem Ben Bernanke über seine Forschung spricht, findest du hier. (Englisch)

Nobelpreis für Literatur

Literatur ist zwar keine Wissenschaft, trotzdem gibt es jährlich einen Nobelpreis, der laut Alfred Nobel jenen Autor:innen zugesprochen werden soll, deren Werk “der Menschheit den größten Nutzen geleistet” hat.

Im Jahr 2022 ging der Nobelpreis für Literatur an die französische Autorin Annie Ernaux. Die schwedische Akademie zeichnet damit nicht nur eine der wichtigsten Autor:innen Frankreichs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus, sondern eine bestimmte Art der Literatur: die Autofiktion. In der Autofiktion wird Autobiographisches mit literarischen Mitteln erzählt.

Lange Zeit hatte diese Literatur einen schweren Stand. Sie galt als künstlerisch weniger anspruchsvoll, da Autor:innen nichts “erfinden” mussten, sondern aus ihren eigenen Erfahrungen schöpften. Besonders autofiktive Werke weiblicher Autorinnen wurden von einer männlich dominierten Literaturkritik lange Zeit als subjektiv und einseitig abqualifiziert: Solche Bücher seien doch bloß “Tagebücher”.

Die Autofiktion verfolgt aber eine ganz eigene Poetologie: Das Alltägliche durch Reflexion und Introspektion verständlich zu machen und anhand der eigenen Erfahrung Phänomenen auf die Spur zu kommen, die uns alle betreffen - als Menschen und als Bürger:innen einer bestimmten Kultur und Gesellschaft.
Dies gelingt in einer besonders kraftvollen, schonungslosen und präzisen Sprache wenigen so gut wie Annie Ernaux.

Tolles Porträt von Annie Ernaux in der LA Review of Books (Englisch)

Literatur-Tipps:

Die Scham
Das Ereignis
Die Jahre

Friedensnobelpreis

Der Friedensnobelpreis wurde heuer im Namen der Menschenrechte und Grundfreiheiten an gleich drei Preisträger:innen verliehen.

Der belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki gründete 1996 die Menschenrechtsorganisation ‚Viasna‘ (‚Frühling‘) als Antwort auf die autoritäre Herrschaft Alexander Lukaschenkos. ‚Viasna‘ dokumentiert Menschenrechtsverletzungen durch den belarussischen Staat und unterstützt politische Gefangene. Bjaljazki kann den Preis jedoch nicht persönlich entgegennehmen, da er sich – und das bereits zum zweiten Mal – selbst in politischer Gefangenschaft befindet.

Die ukrainische Menschenrechtsorganisation ‚Center for Civil Liberties‘ beschäftigt sich nicht nur mit Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land, sondern seit Beginn der russischen Besatzung 2014 auch mit der Dokumentation von russischen Kriegsverbrechen. Die Direktorin der Organisation Oleksandra Matwijtschukie widmet den Preis allen Ukrainer:innen, die für die Freiheit kämpfen.

Die russische Menschenrechtsorganisation ‚Memorial‘ wurde Ende der 1980er als Gedenkbewegung für die Opfer des Stalinismus gegründet. Zu ihrer Arbeit zählen die historische Aufarbeitung politischer Gewaltherrschaft, die Unterstützung von Gulag-Überlebenden und das Verfechten der Menschenrechte. Im Jahre 2021 wurde die Organisation ‚Memorial‘ vom russischen Staat verboten.

Die ukrainische Regierung kritisiert, dass die zwei ausgezeichneten Organisationen aus Aggressor-Staaten – Russland und Belarus – stammen. Es sei das falsche Signal an die Regime und die Organisationen hätten keinen Widerstand gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine geleistet.
Einige Medien, wie das Ukraine Crisis Media Center, fürchten auch, dass die gemeinsame Ehrung das Narrativ der Zusammengehörigkeit der drei Staaten stärkt, während die Ukraine nach dem russischen Überfall um ihre Unabhängigkeit kämpfen muss.

Mehr zu den diesjährigen Friedens-Preisträger:innen und der Diskussion um die Preisverleihung findest du hier:
Friedensnobelpreis geht an Menschenrechtler aus Ukraine, Russland und Belarus (DW)
Laute Kritik in der Ukraine an der Verleihung des Friedensnobelpreises (standard.at)

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