Ein Pärchen auf einer Bank

Kann uns wirklich warm ums Herz werden? Die Psychologie hat eine Antwort darauf - und nutzt sie, um psychische Erkrankungen zu behandeln.

Dieser Artikel ist Teil des alexandria-Themenschwerpunkts "Wie wir uns warm halten". Dabei wollen wir euch wichtige und auch überraschende Sichtweisen aus der Wissenschaft näherbringen.

Wenn wir verliebt sind, kann uns auch in der kalten Jahreszeit manchmal ganz schön heiß werden. Doch bedeutet das wirklich, dass unsere Körpertemperatur steigt? Aktuelle Forschung liefert Hinweise, dass solch ein Zusammenhang zwischen Emotionen und Aktivierung von Körperregionen tatsächlich besteht. Diese Erkenntnisse sind nicht nur ein Beleg für so manche Redensart, sondern können wichtig für die Behandlung von psychischen Erkrankungen sein.

Gefühlsrausch

Kennst du das Gefühl, wenn sich vor lauter Freude deine Körpermitte erwärmt? Dein Herz pocht und dein Blut strömt wie ein reißender Fluss durch deine Adern.
Schon die Dichter des Sturm und Drang verwendeten solche Analogien über das Zusammenspiel von Gefühlen und Körperregionen. So etwa schrieb Johann Wolfgang von Goethe 1772 in „Pilgers Morgenlied – An Lila“, einem Gedicht an seine Bekannte Luise Friedericke von Ziegler, dass ihm warm ums Herz wird, wenn er an sie denkt, und ewige Flammen ihn durchglühen. Diese und ähnliche Analogien haben Einzug in unseren Sprachgebrauch gefunden. So können wir jemandem die kalte Schulter zeigen oder ein Hitzkopf sein. Doch gibt es dieses Zusammenspiel aus Emotionen und physischen Reaktionen wirklich?

Es ist anzunehmen, dass die von Lyriker:innen im 18. Jahrhundert beschriebenen Zusammenhänge zwischen Körperregionen und Emotionen eher auf eigenen Erfahrungen als auf empirischen Daten basieren. Dennoch wirken diese Annahmen plausibel und nachvollziehbar. Nicht zuletzt, da fast jede:r diese Gefühle bereits am eigenen Körper erlebt hat. An dieser Stelle könnte man sich nun fragen: „Warum weiterforschen, wenn etwas so logisch ist, dass die meisten zustimmen?“

Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten.
Erstens ist es wichtig abzuklären, ob es sich hierbei wirklich um ein universell gültiges Phänomen handelt oder es nur auf bestimmte Bevölkerungsgruppen (bspw. weiße, männliche Dichter, im jungen Erwachsenenalter) zutrifft.
Und zweitens wissen wir zwar meistens in welchem emotionalen Zustand wir uns befinden; über die zugrundeliegenden Mechanismen, die zu diesen Emotionen führen, ist allerdings wenig bekannt. Wissenschaftliche Erkenntnisse über diese Mechanismen können dabei helfen, psychische Erkrankungen besser zu verstehen und schlussendlich auch zu behandeln (Torregrossa et al., 2019).

Hat Goethe recht?

Der Frage, welche Körperregionen bei welchen Emotionen besonders heiß bzw. kalt werden – Psycholog:innen nennen dieses Zusammenspiel von Körper und Emotionen emotional embodiment - ist ein internationales Forschungsteam rund um Lauri Nummenmaa (2014) nachgegangen.

In fünf Experimenten mit unterschiedlichen Methoden zur Stimulation von Emotionen fanden die Forscher:innen heraus, welche Körperteile bei unterschiedlichen Emotionen aktiviert werden. Die Methoden reichten von der einfachen Darbietung von Wörtern bis hin zu Filmsequenzen.
Im Anschluss gaben die Studienteilnehmer:innen an, welche Körperregionen sie als besonders aktiviert (warm) bzw. deaktiviert (kalt) empfanden. Die Forscher:innen erhoben also nicht die physisch messbare Wärme, sondern die subjektiv wahrgenommene.

Mithilfe der gewonnen Daten zeichneten die sie dann bodily sensation maps – das sind Karten, auf denen aktivierte bzw. deaktivierte Körperregionen farblich unterschiedlich dargestellt werden.

bodily sensation maps

Beispiele für bodily sensation maps bei den Emotionen Liebe, Wut und Depression; in den roten Bereichen fühlen wir Hitze, in den blauen Bereichen ist uns kalt; die weißen Bereiche sind neutral

Die bodily sensation maps bestätigen, was sich schon mancher Dichter des 18. Jahrhunderts zusammengereimt hat. Liebe führt tatsächlich zu einer Erwärmung des beinahe gesamten Körpers. Wut steigt einem zu Kopf (interessanterweise aktiviert sie auch die Hände bzw. Fäuste). Und Depressionen lassen einen erkalten und ohne innere Wärme zurück.

In einer weiteren Studie testete ein finnisches Forschungsteam um Sofia Volynets (2020), ob diese bodily sensation maps auch universell gültig sind, indem sie eine Studie mit über 3.945 Teilnehmer:innen aus 101 verschiedenen Ländern durchführten.

Ihre Resultate zeigen, dass sowohl der kulturelle Hintergrund als auch das Geschlecht der Studienteilnehmer:innen kaum eine Rolle bei der Empfindung von Erwärmung durch Emotionen spielt. Interessanterweise nahm die wahrgenommene Intensität der Emotionen bei den Studienteilnehmer:innen mit fortschreitendem Alter leicht ab. Diese Abnahme könnte mehrere Ursachen haben. So etwa verlangsamt sich der Stoffwechsel und unterschiedliche Hirnregionen reagieren mit der Zeit stärker bzw. schwächer auf Reize.

Wie die Forschung psychisch Kranken hilft

Ein potentielles Anwendungsgebiet der Erkenntnisse zu emotional embodiment ist die Behandlung psychischer Erkrankungen wie etwa Schizophrenie. Verkörperte Emotionen sind ein wichtiger Bestandteil unserer Selbstwahrnehmung und helfen uns dabei, soziale Situationen zu interpretieren und uns in ihnen zurechtzufinden (Damasio, 2003).

Schizophrenie hingegen drückt sich in vielen Fällen dadurch aus, dass die körperliche Verarbeitung von Emotionen gestört ist. In einer US-amerikanischen Studie (Torregrossa et al., 2019) verglichen Forscher:innen die bodily sensation maps von an Schizophrenie erkrankten Personen mit einer Kontrollgruppe.
Es stellte sich heraus, dass die verschiedenen Emotionen bei den Teilnehmer:innen in der Kontrollgruppe deutlich differenzierter wahrgenommen wurden als bei klinisch schizophrenen Personen. Ihre Emotionen waren diffuser; beispielsweise empfanden sie gleichzeitig Aktivierung und Deaktivierung in derselben Körperregion bei derselben Emotion.

Ob uns physisch warm ums Herz wird (also ob sich unsere Körpertemperatur verändert), beantwortet uns die aktuelle Forschung nicht. Dafür weist sie empirisch nach, dass wir Wärme und Kälte fühlen und mit unterschiedlichen Emotionen in Verbindung bringen.

Für die klinische Psychologie bedeuten diese Ergebnisse, dass weitere Forschung zu anormalen Körperempfindungen ein vielversprechender Ansatz ist, Schizophreniepatient:innen in Zukunft besser helfen zu können.
Auch für unseren Alltag ist wichtig zu wissen, dass wir Körper und Geist nicht trennen können. Vielleicht ist uns manchmal kalt, weil emotionale Wärme fehlt. Vielleicht müssen wir uns nach einer hitzigen Diskussion wieder abkühlen, um einen klaren Kopf zu bekommen. In jedem Fall beeinflusst unser körperliches Befinden unser psychisches Befinden - und umgekehrt. Mit einer netten Geste können wir anderen an kalten Tagen tatsächlich warm ums Herz werden lassen.

Damasio, A. (2003). Feelings of emotion and the self. Annals of the New York Academy of
     Sciences, 1001(1), 253-261.
Nummenmaa, L., Glerean, E., Hari, R., & Hietanen, J. K. (2014). Bodily maps of
     emotions. Proceedings of the National Academy of Sciences, 111(2), 646-651.
Torregrossa, L. J., Snodgress, M. A., Hong, S. J., Nichols, H. S., Glerean, E., Nummenmaa,
     L., & Park, S. (2019). Anomalous bodily maps of emotions in schizophrenia.
     Schizophrenia bulletin, 45(5), 1060-1067.
Volynets, S., Glerean, E., Hietanen, J. K., Hari, R., & Nummenmaa, L. (2020). Bodily
     maps of emotions are culturally universal. Emotion, 20(7), 1127.

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