Fracking

Ohne Erdgas geht in vielen Ländern heutzutage gar nichts. Die Industrie müsste ihren Betrieb einstellen, die Bevölkerung in ihren Wohnungen und Häusern frieren. Über Jahrzehnte hinweg haben sich einige europäische Staaten, unter anderem Österreich, von Russland abhängig gemacht. Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine befinden sich diese Länder in einer misslichen Lage. Deshalb stellen sich viele Menschen die Frage, ob sich Österreich und Deutschland selbst mit Erdgas versorgen könnten. Die Antwort ist ambivalent: wahrscheinlich, aber sollten wir das?

Sanfte Hügel schmiegen sich aneinander, ihre Buckel sind bedeckt mit saftig grünen Bäumen. Nichts durchdringt die Stille, außer das Muhen der Kühe oder der Lärm eines gelegentlichen Dorffests. Doch diese Szenerie könnte bald anders aussehen. Statt den kilometerweiten Wäldern ragen Türme aus Stahl in den Himmel, statt der Wiese gibt es kahle Sandfelder. Und die Kühe werden durch Lastwägen ersetzt. Denn wenn wir uns selbst mit Erdgas versorgen wollen, dann müssen wir wohl oder übel auf das berühmt-berüchtigte Fracking zurückgreifen.

Bohrturm

Ein typischer Bohrturm, wie er beim Fracking zum Einsatz kommt.

Wie viel Gas schlummert in der Erde?

In Deutschland gibt es zugreifbare Erdgasreserven von geschätzt 32 Milliarden Kubikmeter. Das klingt nach einer großen Menge, ist aber dürftig. Allein im Jahr 2021 benötigte der Staat ungefähr 90 Milliarden Kubikmeter, das meiste Erdgas stammte aus Russland. Auf den ersten Blick wirkt es so, als könnte sich Deutschland mit seinem eigenen Erdgas nicht einmal ein Jahr über Wasser halten. Auch in Österreich ist die Produktion prozentual nur geringfügig größer.

Wenn man unter die Oberfläche blickt, sind diese Zahlen aber nicht akkurat. Niemand kann mit Sicherheit behaupten, dass Russland mehr Lagerstätten besitzt als Deutschland oder Österreich. Klar ist nur, dass das Erdgas des größten Staats der Welt einfacher zugänglich ist.
Tatsächlich gab es in den mitteleuropäischen Ländern vergleichsweise wenige Untersuchungen über Erdgas-Reserven und der technische Ausbau zur Erschließung ist gering. Die geologischen Bundesanstalt Österreichs behauptet beispielsweise: „[Im Wiener Becken gibt es] eindeutige Hinweise auf große Erdgasvorkommen in Tiefen von mehr als 6.000 Metern.“

Eine Technik, um aus dieser Tiefe zu fördern, gibt es momentan in Österreich nicht. Die OMV geht allerdings („Österreichische Mineralöl Aktiengesellschaft“) davon aus, dass man – mit Hilfe von Fracking im Waldviertel – Österreich dreißig Jahre lang mit Erdgas versorgen könnte. Ohne die Hilfe von Russland. Und in Deutschland stecken mindestens 2,8 Billarden Kubikmeter in Gestein, das mit Fracking erschlossen werden kann.

Hydraulic Fracturing

Fracking scheint also der Ausweg aus der Abhängigkeit von Russland zu sein. Doch wie funktioniert „Hydraulic Fracturing“, wie es unter Expert:innen genannt wird, eigentlich?

Aufgrund von hohen Temperatur- und Druckverhältnissen oder mikrobieller Aktivität haben sich Gesteine mit Erdgas angereichert, das zum größten Teil aus Methan (CH₄) besteht. Dabei handelt es sich um Tonstein, Kohleflöze oder Sandstein, die eine geringe Porosität und Permeabilität besitzen. Das bedeutet, dass das Gas fest in ihnen verschlossen ist und nicht entweicht. Deshalb muss man es aufbrechen.

Das geschieht, indem man ein tiefes Bohrloch anfertigt, in das man das Fracking-Fluid pumpt. Es besteht aus frischem Wasser, Sand und Chemikalien. Die Mischung penetriert das Gestein und formt viele Mikrorisse, aus denen das Gas strömen kann.

So funktioniert Fracking

Beim Hydraulic Fracking wird Wasser, vermischt mit Sand und Chemikalien, mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe gepumpt. Dort entstehen viele Risse im Gestein, durch die das Gas entweichen kann.

Sind Fracking und Erdgas schlecht für die Umwelt?

Im Jahr 2011 wollte die OMV Bohrkerne im Waldviertel anfertigen, um herauszufinden, wie groß das Potenzial in Österreich ist. Jedoch gab es großen Gegenwind von der Bevölkerung und diversen NGOs, sodass diese Probebohrungen nie durchgeführt wurden. Diese Gegenstimmen beriefen sich hauptsächlich auf US-amerikanische Berichte, die viele negative Konsequenzen auf die Umwelt darlegten.

Dazu gehört unter anderem die Kontamination des Grundwassers durch die Chemikalien, die dem Wasser beigefügt werden, und durch das Gas selbst, das durch Lecks an die Oberfläche wandert.
Sieht man sich die Zahlen jedoch genauer an, wird klar, dass die Kontamination des Trinkwassers nur selten passiert. Die Verunreinigung fand außerdem meistens durch eine unzureichende Abdichtung des Bohrkerns statt und beruht somit auf Fehlern, die man umgehen kann (Jackson et al., 2014).

Im Falle von Österreich müsste man für Erdgas-Fracking ungefähr 6.000 Meter in die Tiefe bohren und hat damit einen viel größeren Abstand zum Grundwasser als in den USA, wo die Förderung zumeist bei durchschnittlich 2.000 Metern liegt.
Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Kontamination nicht stattfinden kann. Das Trinkwasser würde dadurch unbrauchbar werden. Deshalb haben Wissenschaftler:innen in den letzten Jahren eine Fluidzusammenstellungen entwickelt, die keine Chemikalien benötigt.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind Erdbeben, die durch das Fracking-Verfahren ausgelöst werden können. Das bisher größte Erdbeben, das mit Fracking in Verbindung gebracht werden konnte, fand in Kanada statt. Es lag bei einer Magnitude von fünf von neun auf der Moment-Magnituden-Skala (Eyre et al., 2022), bei der es zu Bewegungen von Zimmergegenständen und leichten Schäden an Gebäuden kommen kann. Die meisten dieser Erdbeben fallen jedoch deutlich geringer aus. Erdbeben in Stärken kleiner drei auf der Skala finden in Österreich tagtäglich statt.

Ein weiteres Problem ist die Entsorgung des verunreinigten Wassers, das am Ende des Prozesses aus der Erde gepumpt wird. Vor allem aufgrund der Chemikalien ist es hochgiftig. Es kann für weitere Bohrlöcher wiederverwendet werden, ist aber jedes Mal toxischer und stellt deshalb eine immer größere Gefahr für die Umwelt dar. Meistens wird es im Bohrkern selbst beseitigt und mit Zement eingeschlossen, was bei schlechter Durchführung wiederum riskant sein kann. Wenn es ein Leck im Zement gibt, vergiftet das Wasser im schlimmsten Fall die Umwelt, beispielsweise das Grundwasser (Jackson et al., 2014).

Methan beim Kochen

Das Treibhausgas Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Bei seiner Verbrennung - beispielsweise wenn es beim Kochen verwendet wird - wird es in die Atmosphäre freigesetzt. Es gilt als rund 25-Mal klimaschädlicher als CO₂.

Doch vor allem eine sehr negative Auswirkung der Anwendung von Erdgas, unabhängig vom Fracking, bleibt unumstritten: die Treibhausgasemissionen.
Während die EU bis 2050 klimaneutral sein will, hat sich Österreich eine CO₂-Nullbilanz bis 2040 vorgenommen. Tatsächlich hat die Europäische Union Erdgas vor Kurzem als nachhaltig eingestuft. Das ist teilweise sinnvoll, denn im Gegensatz zu Erdöl werden bei der Verbrennung 23 Prozent weniger Emissionen ausgestoßen, im Vergleich zu Kohle sind es sogar ungefähr 33 Prozent (Burnham et al., 2012).

Das bedeutet, dass Erdgas ein fossiler Energieträger ist, der uns die Umstellung auf die Klimaneutralität und die Einschränkung der Treibhausgase erleichtert. Trotzdem sollte in Österreich in spätestens 18 Jahren der Einsatz von Erdgas Geschichte sein, wenn wir die Klimaneutralität erreichen wollen.

Die Lösung?

So gesehen haben wir also noch fast zwei Jahrzehnte, in denen wir Erdgas verwenden können. Dieser Zeitraum könnte uns glauben machen, dass sich Österreich und Deutschland ohnehin selbstversorgen können und das jetzt tun sollten. Doch so einfach ist das nicht.

Um Fracking oder andere Methoden anzuwenden, die hierzulande nicht üblich sind, brauchen wir große Investitionen und viel Zeit. Der Ausbau würde fast ein Jahrzehnt lang dauern und mehrere Milliarden Euro benötigen. Ist es sinnvoll, so viel Ressourcen für eine Methode einzusetzen, die schon bald eingestellt werden sollte und obendrein negative Konsequenzen für die Umwelt haben kann?

Besser wäre es, sich auf den Ausbau und die Erforschung von wirklich nachhaltigen Techniken zu fokussieren, sodass diese wirtschaftlicher werden. Dazu zählen Expert:innen zum Beispiel Wasserstoff oder Biogas. Der beste Deal aus wissenschaftlicher Sicht ist wohl: Machen wir uns eine Weile von Ländern wie den USA abhängig, dann produzieren wir unsere Energie selbst – und zwar richtig, nämlich klimaneutral.

Eyre, T.S., Samsonov, S., Feng, W., Kao, H., & Eaton, D.W. (2022). InSAR data reveal that
     the largest hydraulic fracturing-induced earthquake in Canada, to date, is a slow-slip
     event. Sci Rep 12, 2043 (2022).

Jackson, R.B., Vengosh, A., Carey, J.W., Davies, R. J., Derrah, T.H., O’Sullivan, F., &
     Pétron, G. (2014). The Environmental Costs und Benefits of Fracking. Annual Review
     of Environment and Ressources, Vol. 39
, 327-362.

Burnham, A., Han, J., Clark, C.E., Wang, M., Dunn, J.B., & Palou-Rivera, I., (2012). Life
     Cycle Greenhouse Gas Emissions of Shale Gas, Natural Gas, Coal, and Petroleum.
     Environmental Science & Technology Vol. 46 (2), 619-627.

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