Eine Impfdose mit der Corona-Impfung und Spritze

Lange war nicht klar, wie gut die Covid-19-Impfungen gegen die neue Omikron-Variante wirken. Eine Studie der MedUni Wien weist nach: Erst die dritte Schutzimpfung bietet teilweise Schutz vor Omikron.

Warum das wichtig ist: Die dritte Impfung bietet den besten Schutz gegen SARS-CoV-2, auch wenn 20 Prozent der Geimpften keinen Schutz gegen Omikron aufbauen. Laut Rudolf Valenta von der Medizinischen Universität Wien bedarf es einen breitenwirksamen Kombinationsimpfstoff, der sowohl gegen bisherige Varianten als auch Omikron schützt.

Sars-CoV-2 ist nicht gleich Sars-CoV-2, das haben uns einzelne Varianten wie Delta und Omikron gelehrt. Mehr als 513 Millionen Menschen infizierten sich weltweit bereits mit dem Virus, 6,2 Millionen sind daran gestorben. Zwar sank die Sterblichkeit mit Einführung der COVID-19-Impfstoffe um 50 Prozent, jedoch lässt die Wirkung der Impfung mit Auftreten neuer Varianten zunehmend nach.
Die Tatsache, dass Genesene und Geimpfte aktuell sowohl das Virus übertragen als sich auch erneut infizieren können, ließ Zweifel an den derzeitigen Impfungen aufkommen. In der Tat bestätigt eine im Februar im Journal Allergy erschienene Studie der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien), dass Impfstoffe nur eingeschränkt gegen die derzeit kursierende Variante Omikron wirken. Dafür wurde am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung eine österreichische Gruppe an Geimpften und Genesenen auf deren Antikörper-Status und den damit verbundenen Schutz vor dem Wildtyp aus Wuhan sowie vor den Varianten Delta und Omikron untersucht.

Dreifach Geimpfte haben 80-prozentigen Schutz

Während Zweifach-Geimpfte bereits einen Antikörperschutz gegen den Wildtyp aus Wuhan und die Variante Delta haben, besteht mit diesen Antikörpern nur geringer Schutz gegen die derzeit kursierende Omikron-Variante. Lediglich Dreifach-Geimpft bilden in kleinen Mengen Antikörper gegen Omikron. Laut Studienleiter Rudolf Valenta bauen nach der dritten Impfung 20 Prozent keinen ausreichenden Schutz auf. Ein Fakt, der für Risikogruppen zu einer echten Herausforderung werden könnte.

Die Wichtigkeit der Virusneutralisation

Die Ergebnisse zeigen einen wichtigen Effekt in Bezug auf die Bindungsspezifität von Antikörpern. Für gewöhnlich binden bei der Immunantwort körpereigene Antikörper an Antigene fremder Zell- oder Virenoberflächen und der daraus entstehende Komplex wird zerstört.
Im Fall der Omikron-Variante neutralisieren die Antikörper nicht ausreichend. Das bedeutet, dass zum einen weniger Antikörper gebildet werden und zum anderen die gebildeten Antikörper nicht an den Antigenen des Spike-Proteins von Omikron andocken. Normalerweise wäre davon auszugehen, dass die beschriebene Immunantwort gleichermaßen funktioniert wie schon bei dem Wildtyp aus Wuhan oder Delta.
Vorhandene Antikörper sollen an der Rezeptorbindungsdomäne (RBD) der Omikron-Virenkapsel andocken und die Bindung an den ACE2-Rezeptor auf menschlichen Epithelzellen der Atemwege blockieren.

Die Antikörper verhindern eine Bindung des Spike-Proteins an die Zelle

Wenn das Spike-Protein des Virus an die Zelle andocken möchte, unterbinden die durch die Impfung produzierten Antikörper diesen Vorgang, indem sie an die Rezeptorbindungsdomäne der Virenkapsel besetzen.

Allerdings unterscheidet sich die RBD von Omikron stark von den vorherigen Stämmen. Durch mehrere Aminosäuremutationen wurde die Domäne verändert. Antikörper binden nicht länger daran und es kommt zu einem RBD-ACE2-Komplex, der im menschlichen Körper den Weg für das Virus frei macht. Die Impfung konnte diesen Prozess bei vorherigen Virusvarianten noch verhindern.
Es zeigt sich die Wichtigkeit der Virusneutralisation, um die „Eintrittspforte“ für das Virus geschlossen zu halten und somit die Vermehrung im Wirt sowie die Weitergabe an die Bevölkerung zu verhindern. Daher spricht sich Rudolf Valenta, der Leiter der oben erwähnten Studie, für einen Kombinationsimpfstoff aus, der sowohl die RBDs von Wuhan und Delta als auch Omikron, sowie potenziell neu entstehenden Varianten abdeckt.
Je mehr Informationen eine Impfung für den Bau entsprechender Antikörper enthält, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, auch zukünftige Virusvarianten zu neutralisieren. Es ist naheliegend, nach weiteren Strukturen im Spikeprotein zu suchen, die als Antigene fungieren könnten.

Antikörper funktionieren bei der Omikron-Variante oft nicht

Die Rezeptorbindungsdomäne der Omikron-Variante unterscheidet sich jedoch von den früheren Stämmen des Virus. Die durch die Impfung produzierten Antikröper können nicht länger daran andocken und den Virus so nicht mehr unschädlich machen. 

Vektor- versus mRNA-Impfstoff

Die Forschungsgruppe der Medizinischen Universität Wien testete das Andocken des Virus mit seiner RBD an den ACE2-Rezeptor auf den menschlichen Zellen. Dabei wandten sie einen Surrogat-Molekularinteraktionstest an, also ein Test, der neutralisierende Antikörper im Blut nachweist, und adaptierten ihn für die Omikron-Variante.
Bei den Proband:innen wurde zwischen zwei- und dreifach Geimpften mit den Impfstoffen Vaxzevria (Vektorimpfstoff von AstraZeneca), Comirnaty (mRNA-Impfstoff von Pfitzer) und deren Kombination unterschieden. Bei zweifacher Impfung werden kaum Omikron neutralisierende Antikörper erzeugt.
Bei Dreifach-Geimpften ist die RBD-Omikron-Bindung zwar generell gehemmt, aber niedriger als bei RBD-Wuhan an ACE2. Innerhalb dieser Gruppe finden sich bei 20 Prozent der Proband:innen Antikörper, die in weniger als 50 Prozent der Fälle den Antigen-Antikörper-Komplex verhindern.
Ob von der Anzahl der Antikörper auf eine erfolgreiche Hemmung zurückgeschlossen werden kann, scheint unklar. Es zeigt sich, dass sowohl Proband:innen mit vielen Antikörpern eine schlechte Hemmung, als auch jene mit wenig Antikörpern eine hohe Hemmung aufweisen können.
Alle Erkenntnisse des Forschungsteams beruhen auf drei kleinen Proband:innengruppen von bis zu je 20 Personen und mehreren gesammelten Blutentnahmen. Ausschließlich Bindungsauswirkungen zwischen RBD und ACE2 wurden untersucht. Die Ergebnisse werden von zwei weiteren aktuellen Studien gestützt. Darunter eine, die zeigt, dass selbst nach drei Dosen mit Comirnaty eine Neutralisation von Omikron geringer ist als bei früheren Varianten.

Sandra Fleck arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin in Wien und ist Preisträgerin des ÖFG-Preis für Wissenschaftsjournalismus 2021. Sie schreibt für diverse deutschsprachige Tagesmedien (Die Wiener Zeitung, Die Presse, FAZ, Stuttgarter Nachrichten) und macht regelmäßig komplexe Themen für eine breite Öffentlichkeit zugänglich. Nicht zuletzt bei oe1 oder dem Podcast Best-of Wissenschaft. Im Jahr 2021 schrieb sie als Redakteurin für alexandria

- Die Studie der MedUni Wien findet sich hier: Omicron: A Sars-CoV-2 variant of real concern
- Die aktuellen Zahlen bezüglich des Corona-Virus finden sich hier: John Hopkins University COVID-19 Map
- Pressemitteilung der MedUni Wien zu ihrer Studie: Eingeschränkte Wirksamkeit von COVID-19 Impfstoffen gegen Omikron


- Die zwei weiteren Studien, die die Ergebnisse der MedUni stützen:
Planas, D., Saunders, N., Maes, P., et al. (2022). Considerable escape of SARS-CoV-2
     Omicron to antibody neutralization. Nature, 602(7898), 671-675.
     doi: 10.1038/s41586-021-04389-z
Sievers, B.L., Chakraborty, S., Xue, Y., et al. (2022). Antibodies elicited by SARS-CoV-2
     infection or mRNA vaccines have reduced neutralizing activity against Beta and
     Omicron pseudoviruses. Sci Transl Med, eabn7842. doi: 10.1126/scitranslmed.abn7842

Neue Beiträge