Wer gewinnt einen Nobelpreis 2023?

Am 10. Dezember ist es wieder soweit: Wie jedes Jahr werden am Todestag des Dynamit-Erfinders Alfred Nobel Preise für Forschung und Entdeckungen, die der Menschheit den größten Nutzen bringen, verliehen – so wollte es sein Testament. Die Empfänger:innen des Preises werden Anfang Oktober auserkoren und gleich nach der Wahl informiert. Doch wie erhält man überhaupt einen Nobelpreis?

Ob Albert Einstein, Max Planck, Marie Curie, Mutter Theresa, Martin Luther King oder Barack Obama, sie alle haben eines gemeinsam – sie alle sind Nobelpreisträger:innen.
Der wohl begehrteste Preis im Bereich der Wissenschaften unterliegt einem streng vertraulichen Vergabeprozess. Jedes Jahr werden zwischen 250 bis 300 Kandidat:innen für einen der sechs Nobelpreise nominiert. Im Laufe des Oktobers erfährt die ganze Welt, wer am 10. Dezember das stolze Preisgeld von 11 Millionen schwedischen Kronen (etwa 930.000 Euro) und den Titel Nobelpreisträger:in mit nach Hause nehmen darf.

Wer vergibt den Preis?

Man bewirbt sich jedoch nicht einfach für einen Nobelpreis oder reicht seine Arbeit ein – man muss nominiert werden. Wer jedoch jemanden nominieren darf, ist streng geregelt - und außerdem geheim. Jedes Jahr werden Personen, denen eine Nominierung gestattet wird, mittels Brief dazu eingeladen. Auch in der heutigen Zeit zieht man das offizielle Schreiben den modernen Kommunikationsmitteln vor. (OEAW, 2022)

In den naturwissenschaftlichen Disziplinen Medizin & Physiologie, Chemie und Physik werden bisherige Nobelpreisträger:innen, Mitglieder des Komitees, Mitglieder der Royalen Akademie der Wissenschaften sowie Professor:innen der einzelnen Disziplinen in allen skandinavischen Staaten (Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Island) hierfür ausgewählt. Warum es keinen Nobelpreis für Mathematik gibt, ist übrigens unklar.

Die Nominierungen müssen bis zum 31. Januar des Jahres erfolgen. Danach werden alle Einreichungen vom jeweiligen Komitee, bestehend aus fünf Leuten, geprüft. Bei jedem Nobelpreiskomitee handelt es sich um einen Arbeitskreis innerhalb der Institution, die den Preis verleiht.

Hierfür werden auch Expert:innen zur Beratung hinzugezogen. Nach einigen Monaten wird eine Shortlist mit etwa 20 bis 30 engeren Kandidat:innen erstellt, die dann der Akademie der Wissenschaften zur Abstimmung vorgelegt werden. Diese findet im Oktober eines jeden Jahres statt - es gilt das Mehrheitsprinzip. (Nobel Prize Outreach AB, 2023)

Porträt Alfred Nobel

Ein Foto von Alfred Nobel in jungen Jahren, dem Erfinder des Dynamits und dem Begründer des nach ihm benannten Nobelpreises (© Heritage Images / Getty Images) 

Ausnahme Friedensnobelpreis

Anders verhält es sich mit dem Friedensnobelpreis. Hier versucht man jedes Jahr, ein einstimmiges Ergebnis zu erreichen. In dieser Kategorie dürfen sämtliche Mitglieder:innen der Regierung anerkannter Staaten, des internationalen Gerichtshofs und auch Friedensorganisationen Kandidat:innen nominieren. Daher ist dies der einzige Nobelpreis, für den keine Nominierungsschreiben ausgesendet werden. (Nobel Prize Outreach AB, 2023)

2023 kam es so zu 351 Nennungen, das ist bisher die zweithöchste Zahl. Der Friedensnobelpreis wird auch nicht von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, sondern vom Norwegischen Nobelkomitee verliehen. Dieses setzt sich aus fünf Mitgliedern des norwegischen Parlaments zusammen, die für jeweils sechs Jahre gewählt werden.

Wissenschaft ist ein Gemeinschaftsprojekt

Mittlerweile ist es üblich, dass mehrere Personen zusammen mit einem Nobelpreis bedacht werden. So teilte etwa Anton Zeilinger seinen Nobelpreis für Physik im Jahre 2022 mit Alain Aspect und John Clauser.

Es dürfen jedoch maximal drei Personen genannt werden. Die gekürten Preisträger:innen erfahren noch am Tag der Abstimmung von der Ehre, in die Reihen der Nobelpreisträger: innen aufgenommen worden zu sein, idealerweise bevor die Ergebnisse an die Presse übermittelt werden.

Das gelingt allerdings nicht immer. So wurde Saul Perlmutter, einem Astrophysiker, bereits von zahlreichen Journalist:innen gratuliert, bevor das Nobelpreiskomitee ihn 2011 über die Preisverleihung in Kenntnis setzte - er dachte daher für einige Zeit, jemand würde nur seine Späße mit ihm treiben. (Deutschlandfunk, 2011)

Der durchschnittliche Nobelpreisgewinner

Wer heuer zu den Preisträger:innen gehören wird, ist noch unklar. Blickt man auf die letzten Jahre, ist die Person wahrscheinlich männlich, je nach Kategorie stehen die Chancen hierfür zwischen 98 (Physik) und 84 Prozent (Frieden). Das Alter der Preisträger: innen betrug in den letzten Jahren im Schnitt 59 Jahre. (Statista, 2023)

Das liegt möglicherweise daran, dass für weltbewegende wissenschaftliche Erkenntnisse doch einige Jahre an Forschung und Arbeit notwendig sind. Postum werden übrigens normalerweise keine Nobelpreise verliehen. Das geschah erst einmal, im Jahre 2011, als Ralph Steinmann einen Nobelpreis für Medizin erhielt und die Akademie noch nicht darüber informiert war, dass Steinmann bereits verstorben war. (Deutschlandfunk, 2011)

Es ist unbekannt, wer in der jeweiligen Jury sitzt und wer wen nominiert. Diese Daten dürfen nach frühestens 50 Jahren veröffentlicht werden, damit niemand bestechlich ist, so die Argumentation. Doch auch nach 50 Jahren erhält man erst auf journalistische Anfragen genauere Einblicke. (Nobel Prize Outreach AB, 2023)

Trotz des Arguments der geringeren Bestechlichkeit, handelt es sich daher insgesamt um einen intransparenten Prozess. Um nominiert zu werden, ist man von der Gutmütigkeit anderer Kolleg:innen und der eigenen Vernetzung abhängig. So kam es in den letzten Jahren immer wieder zu fragwürdigen Entscheidungen.

Nobelpreisträger männlich

Zweifellos sind Nobelpreisgewinner:innen gute Wissenschaftler:innen, doch statistisch betrachtet sind sie vorwiegend männlich

Intransparente Vergabe?

So hat zum Beispiel Sigmund Freud den Nobelpreis niemals erhalten, obwohl er 33-mal nominiert war. Auch der Kernphysikerin Lise Meitner hat der Einsatz der Physiker Max Planck, Niels Bohr und Albert Einstein, die sie alle mehrmals nominiert hatten (insgesamt wurde sie zwischen 1924 und 1965 48-mal vorgeschlagen) nichts genutzt – sie ging stets leer aus (hier haben wir ein Porträt über sie geschrieben). Manche behaupten, das läge wohl an ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft. (OEAW, 2022)

Auch Oswald T. Avery, der erkannte, dass die DNS Träger der Erbinformation ist, erhielt zu Lebzeiten nie einen Nobelpreis, obwohl er mindestens 36-mal nominiert wurde. Die Wichtigkeit seiner Erkenntnisse wurde von der Öffentlichkeit zu spät erkannt.
Es gibt noch zahlreiche andere namhafte Wissenschaftler:innen, die trotz ihrer unbestreitbar wichtigen Leistungen nie einen Nobelpreis bekommen haben, wie zum Beispiel Ernst Mach oder Ludwig Boltzmann.

Trotz der umfassenden Evaluierung der einzelnen Nominierten, steht der Vergabevorgang des Nobelpreises in der Kritik: Sie setze sich vor allem für Personen ein, die die eigenen Forschungsgebiete vorantreiben. Insgesamt wird dem Nobelpreiskomitee eine zu konservative Entscheidung vorgeworfen. (Deutschlandfunk, 2011)

Mit dem Nobelpreis zum Chefarzt

Nichtsdestotrotz ist und bleibt der Nobelpreis der begehrteste Preis für alle Wissenschaftler:innen. Wer einmal Nobelpreisträger:in ist, bleibt Nobelpreisträger:in und genießt damit für den Rest des Lebens einen gewissen Status.

So erhielt Werner Forßmann 1956 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Diesen hatte er für die Durchführung eines Herzkatheters an sich selbst und somit für seine Beiträge zur modernen kardiologischen Diagnostik erhalten. Leider geschah die Prämierung so spät, dass er aufgrund fehlender Anerkennung in der Kardiologie als niedergelassener Urologe in einem kleinen Ort tätig war.

Da das für einen Nobelpreisträger nicht angemessen schien, wurde er zum chirurgischen Chefarzt in Düsseldorf berufen. Er wurde jedoch noch vor Ende der Probezeit gekündigt, da es zu einem Zerwürfnis mit dem dortigen Kuratorium kam. Natürlich wurde diese Kündigung bald aufgrund des prestigeträchtigen Nobelpreises wieder zurückgezogen und Forßmann blieb bis zu seiner Pensionierung Chefarzt. (NDR, 2009)

Trotz der intransparenten Abstimmungen, wartet die gesamte Welt der Wissenschaft auf Anfang Oktober, wenn wieder entschieden wird, wer heuer den Nobelpreis für Medizin & Physiologie, Physik, Chemie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften und den Friedensnobelpreis erhält. Wie es zu diesen Ergebnissen kam, werden wir frühestens 2073 erfahren. Falls die alexandria-Redaktion dann noch tätig sein wird, werden wir darüber berichten.

Nobel Prize Outreach AB. (2023). Nomination and selection of Nobel Peace Prize
     laureates. NobelPrize.org, Tue. 26 Sep 2023.
Nobel Prize Outreach AB. (2023). Nomination and selection of physics laureates.
     NobelPrize.org. Tue. 26 Sep 2023.
Nobel Prize Outreach AB. (2023). Nomination and selection of chemistry laureates.
     NobelPrize.org. Tue. 26 Sep 2023.
Nobel Prize Outreach AB. (2023). Nomination and selection of medicine laureates.
     NobelPrize.org. Tue. 26 Sep 2023.
Nobel Prize Outreach AB. (2023). Nomination and selection of literature laureates.
     NobelPrize.org. Tue. 26 Sep 2023
Nobel Prize Outreach AB. (2023). Nomination and selection of economic sciences
     laureates. NobelPrize.org. Tue. 26 Sep 2023
NDR Info, 29.08.2009. Geburtstag Werner Forßmann: MP3 online hören – NDR Info –
     Zeitzeichen – Audio 1339843. In: podcast.de.
OEAW (2022). Wie wird man Nobelpreisträger:in? Österreichische Akademie der
     Wissenschafte. Daniela Angetter.
Norddeutscher Rundfunk (2022). Nobelpreis: Eine Geschichte von Ehre, Ruhm und
     Geld.
Deutschlandfunk (2011). Kritik am Vergabesystem der Nobelpreise nimmt zu. Christine
     Westerhaus.
Statista (2023). Verteilung der NobelpreisträgerInnen in den einzelnen Kategorien nach
     Geschlecht von 1901 bis 2022. 2023

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