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Quell des Lebens - und des Todes? Wie gefährlich ist Wasser wirklich - vor allem in dem sonst von Naturkatastrophen verschonten Mitteleuropa? 

Dieser Artikel ist Teil unseres Themenschwerpunkts „Wasser: Stoff des Lebens?"

Warum das wichtig ist: Wasser ist Quelle unseres Lebens. Doch speziell in Mitteleuropa kann es auch eine große Gefahr darstellen, etwa als Hochwasser oder als indirekter Auslöser von Naturkatastrophen.

Wasser ist eines der bedeutendsten Güter, die auf der Erde existieren. Ohne dessen Zufuhr könnten wir nicht überleben – und ohne Wasser wäre das Leben, wie wir es heute kennen, niemals entstanden.
Ohne Wasser würden keine Pflanzen am Feld wachsen und keine Kühe im Stall stehen. Ohne Wasser hätten wir dementsprechend nichts zwischen den Zähnen. Und was spendet mehr Lebenskraft als langersehnter Regen nach einem heißem Sommertag?

Wasser ist für die meisten Menschen mit positiven Assoziationen verbunden. Es löscht nicht nur den Durst, sondern verspricht auch Badespaß und spektakuläre Anblicke. Doch manchmal ist es nicht lebensspendend, sondern todbringend.

Das „Environment Programme“ der UN schreibt auf ihrer Website: „Über 90 Prozent aller Naturkatastrophen sind wassergebunden.“ Dazu werden in diesem Fall allerdings auch Dürren und Waldbrände gezählt, die durch einen Mangel an Wasser hervorgerufen werden.

Weltweit auf Platz 1

Our world in data“ ist eine Online-Plattform, die vom deutschen Ökonomen und Statistiker Max Roser, der zurzeit in Oxford forscht, gegründet wurde. Auf ihr werden Statistiken und Studienergebnisse grafisch aufbereitet und öffentlich zugänglich gemacht.

Die Website zeigt, wie gefährlich Naturkatastrophen sind. Schnell fällt auf, dass wassergebundene Desaster nicht so viele Todesopfer fordern wie beispielsweise Erdbeben, Temperaturextreme und Dürren. So starben zwischen 2010 und 2019 laut der Website durchschnittlich pro Jahr 26.000 Menschen bei Erdbeben, während lediglich 5.000 durch Überflutungen ums Leben kamen.

Betrachtet man jedoch die Anzahl aller Betroffener, zeigt sich ein anderes Bild. Im gleichen Zeitraum waren jährlich 3,7 Millionen Menschen von Erdbeben betroffen – und fast 70 Millionen von Hochwasser. Damit handelte es sich um die Naturkatastrophe in den 2010er Jahren, Damit hatte keine andere Naturkatastrophe in den 2010er Jahren vergleichbare Auswirkungen auf die Weltbevölkerung.

Our World in Data Hochwasser

In den 2010er-Jahren hat keine Naturgewalt so viele Menschen betroffen wie Wasser. (©Our World in Data)

In Mitteleuropa können wir uns glücklich schätzen, denn die meisten tödlichen Naturkatastrophen bleiben uns (zumeist) erspart. Es gibt keine aktiven Vulkane und starke Erdbeben finden nur selten statt – das letzte ereignete sich im niederösterreichischen Seebenstein im Jahr 1972 mit einer Magnitude von 5,3.

Wasser ist in Mitteleuropa definitiv die Naturkraft, die am meisten Probleme hervorruft. Der Verband von Versicherungen Österreich (VVO) berechnete, dass es aufgrund von Wetterextremen jedes Jahr in Österreich zu Versicherungsschäden in der Höhe von mehr als einer Milliarden Euro kommt.

Doch nicht nur Hochwasser stellt ein wassergebundenes Naturrisiko in Mitteleuropa dar. Vor allem im Alpenbereich dürfen Lawinen nicht vergessen werden. In den vergangenen Jahren starben laut der Statistik-Website Statista zumeist zwischen 15 und 22 Menschen bei Lawinenabgängen. Diese Zahl übertrifft deutlich die der Toten durch Überflutungen.

Die Kraft des Wassers zerfrisst den Stein

Bei Hochwasser, Tsunami und Lawinen ist Wasser direkt involviert. Doch es hat auch noch bei anderen Naturkatastrophen indirekt seine Finger im Spiel: Durch seine Kraft kann es langsam, aber sicher Gestein zermahlen und bewegen.
Die Verwitterung ist ein natürlicher Prozess, bei dem durch die Einwirkung von beispielsweise Wasser, Wind oder Hitze Gestein langsam zerkleinert wird. In Österreich und den meisten Teilen der Welt spielt Wasser die größte Rolle bei der Verwitterung.

Jeder Sandstrand entsteht durch diesen Zerkleinerungsprozess: Das Wasser reibt kontinuierlich über die Oberfläche oder dringt sogar in die Poren ein, um auch von innen die Verwitterung voranzutreiben. Genau das passiert in den österreichischen Alpen tagtäglich und stellt hier eine besondere Gefahr dar.

Hikersbay Verwitterung

Die Gesteinsformationen des Antelope Canyons in den USA entstehen durch Verwitterung und Erosion - das Phänomen kann allerdings auch zu Steinschlägen führen. (© Pixabay)

Regenwasser dringt in die Erde ein und reagiert mit Salzen und anderen Verbindungen im Gestein. Während diesem Prozess wird das Wasser einerseits reingewaschen und zu Trinkwasser verarbeitet. Andererseits kommt es zu einer Lockerung von Hängen, die letztlich zu einem Steinschlag führen kann (Grotzinger & Jordan, 2017).

Muren werden durch starken Regenfall oder Gletscherschmelze ausgelöst. Die Mischung aus Wasser, Schlamm und Gestein rast mit hohen Geschwindigkeit den Berg hinunter. Bei Erdrutschen aller Arten, die oftmals durch starken Regen ausgelöst werden, sterben jährlich Menschen in Österreich.

Auch wenn sich viele Österreicher:innen, die außerhalb der Berge leben, dieser Gefahr häufig nicht bewusst sind, wird viel dafür getan, diese Katastrophen zu verhindern. So werden Gefahrenstellen Testungen unterzogen und im Risikofall gesichert und abgesperrt.

Speziell in der Nähe von Orten und Städten ist man darauf bedacht, wie beispielsweise ein Fall in der Schweiz zeigt: Das kleine Dorf Brienz wurde für mehrere Wochen vollständig evakuiert, da ein Bergsturz die Häuser zu verschütten drohte. Im Endeffekt verfehlte das Gestein das Dorf haarscharf.

Viele Menschen fürchten sich vor Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Wie die Statistiken zeigen, sind die meisten Personen sehr viel häufiger von Hochwasser und anderen wassergebundenen Katastrophen konfrontiert. Denn Wasser besitzt eine immense Kraft: Ohne es könnten wir nicht überleben - doch manchmal bedroht es jenes Leben, das es erst möglich macht.

Grotzinger, J., & Jordan, T. (2017). Press/Siever Allgemeine Geologie (7. Auflage).
     Springer.

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