In-vitro-Fleisch am Teller

Auf unserer Erde leben immer mehr Menschen und die Ernährungssicherheit ist instabil. Mit In-vitro-Fleisch aus dem Labor könnte man in Zukunft dieses Problem lösen.

Im Rahmen des Themenschwerpunkts Bausteine der Zukunft diskutiert alexandria über Ressourcen, die uns eine grüne Zukunft ermöglichen könnten.

Es ist Hochsommer, doch die Luft ist trotzdem angenehm frisch. Auf der Alm grasen die Rinder auf der saftig grünen Wiese, ihre Glocken hallen leise auf dem gesamten Plateau wider. Hier bekommen die Kühe im Sommer einen beinahe unendlichen Auslauf – doch nicht das Leben aller Nutztiere spielt sich wie im Bilderbuch ab.

Oftmals werden die Tiere in Ställen zusammengepfercht, sodass sie sich kaum bewegen können. Aufgrund von Krankheiten, die sich unter solchen Gegebenheiten schnell ausbreiten, werden ihnen Antibiotika verabreicht. Das kann wiederum zu Antibiotikaresistenzen bei den Konsument:innen führen, was bei der Bekämpfung von bakteriellen Erkrankungen ein großes Problem darstellt. Abgesehen davon können auch Krankheiten von pandemischem Ausmaß dem Verzehr von Fleisch entspringen (Bryant, 2020), wie es auch bei Covid vermutet wurde. Denn durch den Konsum von infiziertem Fleisch können Erreger auf den Menschen übertragen werden.

Der gesamte Weg der Produktion von Fleisch stellt die Menschheit vor Herausforderungen. Denn bei dieser wird nicht nur eine große Menge von Treibhausgasen emittiert. Der hohe Fleischkonsum wirkt sich ebenfalls schädlich auf die Ernährungssicherheit der gesamten Welt aus. Laut Greenpeace werden rund sechzig Prozent der Ackerflächen in Österreich für die Tierfutterproduktion genutzt, gleichzeitig müssen zusätzliche 500.000 Tonnen Soja als Futtermittel importiert werden. Auf der gesamten Welt reduziert sich die Anbaufläche auf rund 33 Prozent, wie Global2000 berichtet. "Hier stehen hundert Kalorien beim direkten Verzehr der Pflanze 17 bis 30 Kalorien beim Verzehr in Form von Fleisch gegenüber", schreibt die Umweltschutzorganisation auf ihrer Website. Das bedeutet: Wenn weniger Nutztiere gefüttert werden müssen, steht mehr Fläche zur Verfügung, um andere Lebensmittel zu produzieren.

Ein Tartar von In-vitro-Fleisch: Es beinhaltet die gleichen Inhaltsstoffe wie konventionelles Fleisch, doch das Tierleid fällt deutlich geringer aus. Quelle: Mosa Meat

Das alles wird durch einen Fakt noch problematischer: Die Anzahl der Menschen auf der Erde steigt und mit dem Wohlstand, der sich in weiten Teilen der Welt erhöht, vervielfacht sich auch der Fleischkonsum (McLeod, 2011). Nun könnte man behaupten, der Ausweg aus dieser Misere sei, weniger bis gar kein Fleisch zu essen. Doch obwohl es immer wieder Diskussionen darüber gibt, ob Fleisch im Allgemeinen – besonders rotes Fleisch – schlecht für die Gesundheit ist, empfiehlt die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährung (AGES) noch immer dessen Verzehr in Maßen. Denn es beinhaltet viele gesundheitszuträgliche Inhaltstoffe. Der hohe Proteingehalt sättigt uns für lange Zeit und Eisen, Zink, Selen und B-Vitamine fördern die Gesundheit. Da rund 735 Millionen Menschen auf der Erde unter Mangelernährung leiden, könnte ein höherer Fleischkonsum für diese Bevölkerungsgruppe zuträglich sein.

Hierfür könnte es in der Zukunft eine einfache Lösung geben: der Verzehr von In-vitro-Fleisch. Zwar sind Nutztiere notwendig, um dieses im Labor wachsen zu lassen. Doch man benötigt deutlich weniger Tiere, um die gleiche Menge Fleisch zu produzieren, die heute konsumiert wird. In-vitro-Fleisch ist frei von Keimen, die Anbaufläche von Futtermitteln verringert sich und kann für pflanzliche Lebensmittel oder zur Renaturierung genutzt werden, Massentierhaltung und Tierleid rücken in den Hintergrund. Doch stellt In-vitro-Fleisch tatsächlich einen Baustein unserer Zukunft dar, durch den wir die Welt ein wenig besser und grüner gestalten können? Die folgenden 5 Fakten sollten darüber Aufschluss geben.

1. Stammzellen wandeln sich zu Tierfleisch um

Das "Good Food Institute", das alle wissenschaftlichen Studien zu In-vitro-Fleisch sammelt und auch selbst Forschung durchführt, erklärt auf seinen Website, dass einem Tier bei der Erzeugung von Laborfleisch als erstes Stammzellen entnommen werden müssen. Dies wird mit einer einfachen Biopsie bewerkstelligt, sodass kein Rind, Schwein oder Huhn für den Prozess sterben muss. Die Stammzellen werden in sogenannte Bioreaktoren gegeben, wo hohe Temperaturen und Drücke herrschen. Die Zusammensetzung des Mediums, in dem das Fleisch liegt, ähnelt dem eines Tierkörpers. Es besteht unter anderem aus Aminosäuren, Glucose, Vitaminen und inorganischen Salzen.

Die Stammzellen wandeln sich dann im Laufe der Zeit zu Skelettmuskeln, Fett und Gewebe um, aus dem Tierfleisch besteht. Dann wird das Fleisch geerntet und verarbeitet. Der gesamte Prozess dauert ungefähr zwei bis acht Wochen.

In diesem Video wird erklärt, wie die Zellen im Labor vermehrt werden. Quelle: Youtube/Mosa Meat

2. Viele Unternehmen nutzen Fötales Kälberserum

Auch In-vitro-Fleisch kommt nicht gänzlich ohne Tierleid aus. Damit das Fleisch im Labor schnell und nachhaltig gedeihen kann, setzt man dem Nährmedium Fötales Kälberserum zu: Dabei wird eine trächtige Kuh geschlachtet und das Serum wird aus dem (noch) schlagenden Herzen des Kalbs gewonnen. Es sterben sowohl das Mutter- als auch das Jungtier.

Einige Unternehmen arbeiten mutmaßlich bereits mit einem Ersatz, der aus nicht-tierischen Quellen hergestellt wird. So wurde im Jahr 2022 in der Fachzeitschrift Nature Food ein neues Nährmedium präsentiert, in dem auch In-vitro-Fleisch wachsen soll (Messmer et al., 2022).

3. Laborfleisch sagt Klimawandel den Kampf an

Nicht nur die landwirtschaftliche Nutzfläche für Futtermittel könnte aufgrund von Laborfleisch um neunzig Prozent sinken. Die Umstellung auf die In-vitro-Variante könnte auch dem Klima zugutekommen. Bei Einsatz von erneuerbaren Energien könnte sich der Ausstoß von Treibhausgasen im Gegensatz zur Produktion von Nutztierfleisch um bis zu 92 Prozent verringern.

4. Der erste In-vitro-Burger kostete 330.000 US-Dollar

Im Jahr 2013 wurde der erste Burger aus Laborfleisch im Live-Fernsehen angebraten und serviert. Drei Verkoster:innen waren sich damals einig: Es schmeckt ganz gut, an herkömmliches Fleisch kommt es aber nicht heran. Seitdem sind Milliarden Euro in die Forschung geflossen und die Technik hat sich stark verbessert. Auch der Kostenpunkt wurde dadurch verringert: Denn der erste In-vitro-Burger aus Rinderfleisch kostete unglaubliche 330.000 US-Dollar, wie die US-Zeitschrift "Forbes" und diverse andere Medien berichten.

erstes In-vitro-Fleisch, Laborfleisch

Dieses Stück Fleisch ist das allererste, das im Labor produziert wurde. Quelle: Youtube/Mosa Meat

5. Hier kannst du In-vitro-Fleisch probieren

Inzwischen funktioniert die Herstellung schon deutlich billiger, weshalb das Fleisch auch in wenigen Supermärkten und Restaurants der Welt erhältlich ist. Als Vorreiter zählt Singapur, wo das Fleisch seit 2020 auf dem Markt erlaubt ist. In "Huber's Butchery" kann beispielsweise Labor-Huhn um 60 US-Dollar pro Kilogramm erworben werden. Auch in den USA wurde der Verkauf zwischenzeitlich legalisiert und einige Restaurants bieten In-vitro-Kost an.

Auch in der EU könnte der Erwerb des Fleischs bald Realität werden. Ende 2023 stellte eine deutsche Produktionsfirma namens "The Cultivated B" einen Antrag, um ihr Laborfleisch auf den Markt bringen zu dürfen, bisher allerdings ohne Antwort der europäischen Kommission für Ernährungssicherheit. Schon bald könnten wir uns also selbst davon überzeugen, ob In-vitro-Fleisch auch geschmacklich einen "Baustein der Zukunft" darstellt.

Bryant, C. J. (2020): Culture, meat, and cultured meat. Journal of Animal Science. Volume
     98, Issue 8.
McLeod, A. (2011): World livestock 2011 – livestock in food security. Food and
     AgricultureOrganization of the United Nations (FAO).
Messmer, T., Klevernic, I., Furquim, C., Ovchinnikova, E., Dogan, A., Cruz, H., Post, M.
     J., Flack, J., E. (2022): A serum-free media formulation for cultured meat production
     supports bovine satellite cell differentiation in the absence of serum starvation. Nature
     Food. 3(1), 74-85.

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