Ein Stein verwittert

Um unsere Klimaziele zu erreichen und die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir weniger CO₂ produzieren. Doch die Wissenschaft forscht auch daran, bereits ausgestoßenes CO₂ zu neutralisieren - man spricht dann von Negativemissionen. Eine Methode, mit der das gelingen soll, ist das Enhanced Rock Weathering. Doch wie funktioniert diese Technologie - und kann sie wirklich dabei helfen, die Klimakrise zu stoppen?

Dieser Beitrag erschien im Zuge des alexandria-Themenschwerpunkts "Zukunft". Den ganzen April fragen wir uns: Was wird uns in der Zukunft erwarten - und welchen Beitrag kann die Wissenschaft dazu leisten?

Warum das wichtig ist: Oft hört man, dass wir die Klimakrise nur durch die Reduktion von CO₂-Emissionen meistern können. Jedoch sehen immer mehr Forscher:innen das Entfernen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre als eine zweite Möglichkeit. Enhanced Rock Weathering (ERW) ist eine Technologie, die genau das möglich machen soll.

Kurz bebt die Erde, dann verfärbt sich der Nachthimmel feuerrot. Die Lava wird hoch in die Luft geschleudert und schlängelt sich anschließend den Berg hinab. Schon nach wenigen Minuten erstarrt sie zu einer schwarzen Masse. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich dabei um das Gestein Basalt handelt – eine der häufigsten Gesteinsarten der Erde.
Chemisch gesehen besteht Basalt zu einem großen Teil aus Silizium, Calcium, Eisen und Magnesium. Schon seit Jahrzehnten sind Bauern überzeugt von seinem Wert für die Landwirtschaft. Angeblich versorgt das vulkanische Gestein den Boden nicht nur mit wichtigen Spurenelementen (zum Beispiel Kupfer, Nickel und Kobalt), sondern bringt auch noch viele andere Vorteile wie die Entsäuerung und Lockerung der Erde. In der biologischen Landwirtschaft wird Basaltmehl schon lang als Düngemittel verwendet. Doch erst seit Kurzem forschen Wissenschaftler:innen zu einem anderen Potenzial des Gesteins: Denn während seiner Verwitterung bindet es große Mengen von Kohlenstoffdioxid. Jenes Gas, das einer der Haupttreiber des Klimawandels ist.

Enhanced Rock Weathering - was ist das?

Verwitterung ist die Zersetzung von Gestein auf chemische, physikalische oder biologische Weise. Tagtäglich findet sie in der Natur statt, auch wenn das menschliche Auge sie oft erst nach hunderten oder tausenden Jahren erkennt. Gesteinsmaterial wird am häufigsten durch Wind, Wasser und chemische Reaktionen zerkleinert.
Beim sogenannten Enhanced Rock Weathering (ERW) greift der Mensch in diesen natürlichen Prozess ein. Durch die Zerkleinerung von Gesteinsmaterial wird die Verwitterung beschleunigt. Je kleiner, desto besser: Wenn die Körnchen einen geringeren Durchmesser haben, ist die Summe der Oberflächen größer. Dadurch gibt es mehr Platz für chemische Reaktionen und die Verwitterung verläuft schneller. Beim ERW wird der Gesteinsstaub auf freien Flächen oder dem Meer verstreut.

Oberflächen von Gestein

Warum ist die Oberfläche größer, wenn das Material kleiner ist? Hier eine vereinfachte Darstellung: Die Fläche links ist gleich groß wie die zwei Flächen rechts zusammen. Der Umfang hat sich durch die Zweiteilung der Fläche allerdings um den Faktor 1,5 vergrößert. Mit der Oberfläche verhält es sich ähnlich.

Im Falle von Basalt werden während der Verwitterung, egal ob im Meer oder an Land, verschiedene Kationen freigesetzt. Unter anderem handelt es sich dabei um Calcium, das als positiv geladenes Teilchen Ca²⁺ einen Partner sucht. Das CO₂ aus der Atmosphäre ist der perfekte Gegenspieler. Im Boden- oder Meerwasser löst es sich zu HCO₃-. Wenn es sich zuvor an Land befunden hat – man verstreut den Basaltstaub etwa auf Ackerflächen oder im Wald –, reist das gelöste CO₂ zusammen mit den positiv geladenen Teilchen durch den Wasserkreislauf bis zum Meer. Dort vereint es sich aufgrund von physikalischen Anziehkräften mit dem Calcium-Kation. Letztendlich bilden sie gemeinsam CaCO₃ und lagern sich als Carbonatgestein am Meeresboden ab.
Das Ziel des Enhanced Rock Weatherings ist das Entfernen von CO₂ aus der Atmosphäre. Somit erreichen wir die sogenannten Negativemissionen.

Kann EWR das Klima retten?

In den letzten Jahren gab es viele Studien zum Enhanced Rock Weathering und seinen Auswirkungen. Bei den meisten handelte es sich um Computersimulationen. Allerdings wurden auch einige Feldstudien durchgeführt. Die Ergebnisse von beiden sind verblüffend.
Angeblich sollen mit der Hilfe von ERW weltweit zwei bis fünf Gigatonnen CO₂ allein auf Ackerflächen gebunden werden können. Das entspricht 6 bis 17 Prozent der jährlichen CO₂-Emission auf der gesamten Erde (Strefler et al 2018, Beerling et al, 2020).
Bei keiner anderen Technik, mit der Negativemissionen erzielt werden, ist momentan mehr als 1 Prozent erreichbar. Gleichzeitig wurde der Ertrag der Nutzpflanzen aufgrund der düngenden Wirkung des Gesteinsstaub um 12 bis 30 Prozent verbessert (Kelland et al., 2020).
Für jede:n Klimaschützer:in – aber auch Wirtschafter:in – ist das ein wahrgewordener Traum. Auf den ersten Blick scheint ERW eine Teillösung für die Klimakrise zu sein. Allerdings wirkt es in der Theorie besser, als es in der Wirklichkeit ist.

Wie Gestein ins Meer kommt

Das zerkleinerte Gestein trägt das gebundene CO₂ bis ins Meer und bildet dort Carbonatgestein am Meeresboden - ganz ungefährlich für das Klima. 

Die Nachteile des EWR

Eines der größten Probleme des Enhanced Rock Weathering stellt das Zerkleinern des Basalts zu Gesteinsstaub dar. Je kleiner, desto besser, denn insgesamt kann bei geringerem Durchmesser der Körner mehr CO₂ aus der Atmosphäre gebunden werden. Allerdings bedeutet stärkeres Vermahlen auch einen größeren Energieaufwand.
Die Geologen Thomas Rinder und Christoph von Hagke von der Universität Salzburg untersuchten das Potenzial von ERW in Österreich. Um alle Ackerflächen mit Basaltstaub zu versorgen, müssten etwa 5 Prozent des österreichischen Stroms für das Zermahlen des Gesteins aufgewendet werden. Und mit dieser Menge können lediglich 2 Prozent der CO₂-Emissionen des Landes eingespart werden. Das sind ernüchternde Zahlen. Auch wenn das Potenzial in tropischen Ländern höher ist – die Hitze beschleunigt die Verwitterung natürlich – führt der Energieverbrauch bei Forscher:innen zu Kopfzerbrechen.
Ein weiteres Problem stellt sowohl der Abbau als auch der Transport von Basalt dar. Das vulkanische Gestein fällt bei vielen Lagerstätten als Nebenprodukt an. Außerdem sind Vorkommen häufig schon durch Minen erschlossen. Trotzdem sind die Mengen an benötigtem Basalt sehr hoch. Für alle Ackerflächen in Deutschland wären in etwa 480 Millionen Tonnen nötig. Diese Menge ist vorhanden, aber jeder Abbau von Lagerstellen ist ein Eingriff in die Natur, der unwiderrufliche Spuren hinterlassen kann.
Auch der Transport des Gesteins erzeugt Emissionen, die einberechnet werden müssen. Laut einiger Studien sind diese jedoch vernachlässigbar (Rinder & Hagke, 2021).

Viel Potential - aber erst in Zukunft

Ob das Enhanced Rock Weathering ausschlaggebend zur Klimakrise beitragen kann, werden wir erst in Zukunft erfahren. Der erste Schritt ist und bleibt das Umstellen auf nachhaltige Energiequellen. Erst wenn wir einen überwiegenden Teil unserer Energie aus nachhaltigen Energiequellen gewinnen, ist die Anwendung von ERW sinnvoll, um die Emissionen weiter zu reduzieren. Klar ist jedoch, dass wir uns im Moment nicht nur auf Negativemissionen verlassen dürfen. Unsere Priorität muss noch immer sein, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren.

Beerling, D. J., Kantzas, E. P., Lomas, M. R., Wade, P., Eufrasio, R. M., Renforth, P., Sarkar, B., Andrews, M. G., James, R. H., Pearce, C.
     R., Mercure, J.-F., Pollitt, H., Holden, P. B., Edwards, N. R., Khanna, M., Koh, L., Quegan, S., Pidgeon, N. F., Janssens, I. A., Hansen,
     J., & Banwart, S. A. (2020). Potential for large-scale CO2 removal via enhanced rock weathering with croplands. Nature 583, 242-248.
Kelland, M. E., Wade, P. W., Lewis, A. L., Taylor, L. L., Sarkar, B., Andrews, M. G., Lomas, M. R., Cotton, T. E. A., Kemp, S. J., James, R.
     H., Pearce, C. R., Hartley, S. E., Hodson, M. E., Leake, J. R., Banwart, S. A., Beerling, D. J. (2020). Increased yield and CO2
     sequestration potential with the C4 cereal Sorghum bicolor cultivated in basaltic rock dust-amended agricultural soil. Global Change
    
Biology, 26(6), 3658-3676.
Rinder, T., & Hagke, C. (2021). Carbon dioxide removal through enhanced weathering of basalt on agricultural land –Assessing the
     potential in Austria. University of Salzburg, Departement of Geography and Geology.
Strefler, J., Amann, T., Bauer, N., Kriegler, E., & Hartmann, J. (2018). Potential and costs of carbon dioxide removal by enhanced
     weathering of rocks. Environmental Research Letters, 13(3).

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