Titelbild Hydroylse

Die im Globalen Norden üblichen Bestattungsmethoden, die Erd- und Feuerbestattung, stellen uns sowohl vor umwelttechnische als auch gesellschaftliche Probleme. Laut Expert:innen gibt es eine einfache Lösung – die alkalische Hydrolyse. Doch die Methode stößt in weiten Teilen der Welt auf ethische Bedenken.

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des alexandria-Themenschwerpunkts Leben nach dem Tod, in dem wir uns diesem Thema aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven nähern.

Viele Menschen machen sich Gedanken darüber, wie sie ihr Leben nachhaltiger gestalten können: den Zug statt dem Flugzeug nehmen, den Kichererbseneintopf anstelle des Gulaschs wählen oder auf das neueste Handy verzichten. Doch so gut wie niemand denkt darüber nach, welchen Einfluss man auf die Umwelt nach dem Tod hat.

Wir haben keinen Platz

Oftmals wird vor allem die Erdbestattung romantisiert. Man gibt der Natur den Körper zurück, er ist Futter für die Würmer, es ist der Kreislauf des Lebens. Doch was im ersten Moment logisch erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick als trügerisch.

Einerseits gestaltet sich die Verwendung des obligatorischen Sargs problematisch, für den Holz verschwendet wird. Laut der New York Times wurden rund sechs Millionen Meter Holz im Jahr 2018 allein in den USA für Erdbestattungen aufgewendet – das entspricht ungefähr der Luftlinienentfernung zwischen Wien und der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu.

Das Hauptproblem der Erdbestattung stellt jedoch die große Menge an Fläche dar, die bei der Sargbestattung unweigerlich aufgewendet werden muss. Manche urbane Gebiete – allen voran britische und irische Städte – kämpfen schon heute mit fatalen Konsequenzen: Durch die notwendige Vergrößerung von Friedhöfen gibt es weniger Wohnhäuser, was letztendlich zu einer Erhöhung der Mieten und einem Wohnraumproblem führt (Allam, 2019). Kurz gesagt: Unsere Städte haben keinen Platz mehr.

Feuerbestattung setzt viele Schadstoffe frei

Die häufigste Alternative zu Einäscherung stellt im Globalen Norden die Feuerbestattung dar. Bei der Einäscherung kommt es allerdings zu anderen (Umwelt-)problemen als bei der Erdbestattung.

Das Verbrennen von Toten ist weniger nachhaltig, als man glauben würde. Durch den Rauch wird einerseits CO₂ in die Luft ausgestoßen, das ansonsten noch jahrelang in Baum, Holz oder Körper schlummern würde.

Ein deutlich größeres Problem besteht allerdings durch Amalgam-Füllungen in Zähnen: Durch deren Verbrennen wird Quecksilber freigesetzt, das für den Menschen giftig ist. Durch Feuerbestattungen werden jährlich sehr große Mengen von Quecksilber in die Atmosphäre abgegeben (Mirkes, 2008).

Im Jahr 2012 wurde rund 16 Prozent der Schadstoffbelastung des Schwermetalls in Großbritannien durch das Verbrennen von Leichen ausgestoßen, wie die britische Regierung mitteilte.

Sowohl die Erd- als auch die Feuerbestattung sind dementsprechend nicht nachhaltig. Doch Expert:innen haben schon vor längerer Zeit eine Lösung des Problems gefunden: Es gibt eine Form der Bestattung, die äußerst umweltschonend ist. Diese nennt sich Alkalische Hydrolyse und besteht darin, den Menschen in einer stark alkalischen Lauge aufzulösen.

Das letzte Bad

Der Prozess der Alkalischen Hydrolyse nimmt sich die natürliche Dekomposition zum Vorbild: Bei einer Erdbestattung zersetzen Bodenbakterien die Leiche durch den gleichnamigen Prozess. Nur schafft die Kalilauge in wenigen Stunden das, wofür Bodenbakterien, abhängig von Umweltbedingungen wie beispielsweise der Temperatur, Monate bis Jahre benötigen (Janaway et al., 2009).

Bei einem Bestattungsunternehmen findet der Prozess der Alkalischen Hydrolyse in einem Druckbehälter aus Edelstahl statt, in den der Körper gelegt wird (Mirkes, 2008). Danach wird eine Flüssigkeit eingeleitet, die aus circa 95 Prozent Wasser und fünf Prozent Kaliumhydroxid (KOH) besteht. Bei der Mischung handelt es sich um die bekannte Kalilauge, die eine stark ätzende Wirkung besitzt und einen pH-Wert von ungefähr 14 aufweist (Lanzerath, 2023).

Der Inhalt des Behälters wird daraufhin auf rund 150 Grad Celsius erhitzt und unter einen Druck von vier Bar – der Luftdruck an der Meeresoberfläche liegt bei ungefähr einem Bar – gesetzt. Durch das Zusammenspiel zwischen der Lauge, der Temperatur und dem Druck wird der Körper langsam aufgelöst. Der gesamte Zersetzungsprozess dauert ungefähr fünf bis sieben Stunden (Mirkes, 2008), wobei sich die Dauer laut manchen Quellen auch auf bis zu 24 Stunden ausdehnen kann.

Alkalische Hydrolyse

Der Druckbehälter aus Edelstahl, in dem der Leichnam gelegt wird. (Youtube/@VICE Asia)

So nachhaltig wie keine andere Bestattungsform

Während des Prozesses entstehen keine schädlichen Emissionen und auch der Energieaufwand beschränkt sich auf ein Minimum: Dieser liegt bei ungefähr einem Zehntel einer Feuerbestattung (Haneman, 2021).

Am Ende bleiben zwei Nebenprodukte zurück. Einerseits handelt es sich dabei um eine Flüssigkeit, die aus Salzen, Zucker, Peptiden und Aminosäuren besteht, grün-braun gefärbt und als vollkommen harmlos und umweltfreundlich einzustufen ist (Lanzerath, 2023).

Gleichzeitig ist dieses Produkt auch frei von jeglicher DNA des Menschen. Im Normalfall wird das Fluid aus praktischen Gründen einfach in den Abfluss gegossen. Im Kanalsystem kann es sich unter Umständen sogar vorteilhaft auf die Wasserqualität auswirken, da sich die zur Reinigung des Wassers verwendeten Bakterien mit Vorliebe von der Flüssigkeit ernähren und deshalb eine bessere Leistung erzielen. Es gibt jedoch sogar auch die Möglichkeit, die Flüssigkeit als Dünger zu verwenden (Haneman, 2021).

Das zweite Nebenprodukt der Alkalischen Hydrolyse sind Knochenreste aus Calciumphosphat. Auch die Amalgam-Füllungen der Zähne bleiben zurück, sodass diese einfach aussortiert und recycelt werden können. Die erhaltenen Knochen können auf einfache Weise pulverisiert und damit den Angehörigen wie nach einer Feuerbestattung in einer Urne übergeben werden (Mirkes 2008).

Knochen vor Alkalischer Hydrolyse

Die Knochenreste bestehen aus Calciumphosphat, sind reinweiß und - im Gegensatz zu Knochen in einem lebendigen Körper - weich. (YouTube/@VICE Asia)

Ist die Alkalische Hydrolyse ethisch vertretbar?

Wer bis zu diesem Punkt gelesen hat, ohne ein einziges Mal zusammenzuzucken, ist womöglich hartgesotten. Die alkalische Hydrolyse stellt eigentlich die perfekte Lösung aller Bestattungsprobleme dar und ist noch dazu deutlich günstiger als die Feuer- oder Erdbestattung. Trotzdem ist sie auf der Welt nur eingeschränkt verfügbar.

Bisher wurde die Alkalische Hydrolyse nur in wenigen Ländern legalisiert: So ist die Bestattungsart aktuell in Teilen der USA, Kanadas, Australiens, Mexikos und Südafrikas erlaubt. Belgien, die Niederlande und Großbritannien streben nach einer Etablierung.
Der Grund für diese negative Haltung: Die meisten Angehörigen sind nicht erfreut von der Vorstellung, dass ihre Liebsten von einer Kalilauge aufgelöst werden (Lanzerath, 2023).

Gleichzeitig wird auch häufig die Entsorgung der übrig gebliebenen Flüssigkeit im Abwasser als bedenklich eingestuft. Einerseits würden die Überreste eines Menschen unachtsam „entsorgt“, andererseits flammt eine Gesundheitsdebatte auf, die wissenschaftlich bereits gelöst wurde. Die flüssigen Überreste der Leichen können sich, wie bereits oben erwähnt, eventuell positiv auf die Bakterienleistung im Kanal auswirken. Es gibt keine Hinweise auf negative Konsequenzen (Hanemann, 2021).

In Österreich ist aufgrund von ethischen Bedenken das Verstreuen von Asche nach Feuerbestattungen verboten: So schreibt beispielsweise die Bestattung „Lichtblick“ auf ihrer Website, dass das Verstreuen von Leichenasche laut Gesetzgeber „die Würde des Verstorbenen“ verletzt und „gegen Grundsätze der Pietät“ verstößt.

Eine ähnliche Befürchtung weckt die Entsorgung der Flüssigkeit, die während der Alkalischen Hydrolyse entsteht. Diese Schlussfolgerung ist allerdings nicht logisch: Während das Zurückgeben des Körpers an die Natur bei einer Erdbestattung romantisiert wird, gelten Asche und Flüssigkeit in der Umwelt als „unrein“, obwohl beide als Nahrung für Lebewesen dienen (Lanzerath, 2023).

Die Alkalische Hydrolyse stellt eine umweltfreundliche, günstige Alternative zu einer Erd- und Feuerbestattung dar, die einige Probleme der Gegenwart und Zukunft lösen könnte. Ob sie sich durchsetzen kann, hängt von den Menschen ab: Ist es uns möglich, uns von etablierten kulturellen Praktiken wie der Erdbestattung zu lösen?

In den vergangenen Jahrtausenden haben sich Bestattungsmethoden immer wieder verändert. Die Bestattung von Leichen spiegelt auch stets die Kultur und den Wert des Todes in einer Gesellschaft wider (siehe etwa diesen alexandria-Beitrag zu dem Thema). Wenn wir uns nun für die nachhaltigste Variante der Bestattung entscheiden, senden wir letztendlich ein klares Signal: Die Umwelt liegt der Menschheit am Herzen.

Allam, Z. (2019). The city of the living or the dead: On the ethics and morality of land use
     for graveyards in a rapidly urbanised world. Land Use Policy 87, 104037.
Haneman, V.J. (2021). Alkaline Hydrolysis. ACTEC Law Journal, 47(1).
Janaway, R.C., Percival, S.L., Wilson, A.S. (2009). Chapter 14: Decomposition of Human
     Remains. Microbiology and Aging, Humana Press, 313 – 334.
Lanzerath, D. (2023). Zur ethischen Vertretbarkeit der Einführung von Verfahren der
     alkalischen Hydrolyse im Bestattungswesen in Deutschland
. Gutachten, Universität
     Bonn.
Mirkes, R. (2008): The Mortuary Science of Alkaline Hydrolysis. Is it ethical? The
     National Catholic Bioethics Quarterly, 8(4).

Bildquelle:
VICE Asia (2019). Most Eco-Friendly Way to Leave Earth - Water Cremation. YouTube.
     Zuletzt aufgerufen am 01.11.2023.

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