Titelbild Korallenriffe

Stammzellentherapie wird in der Medizin bei der Behandlung von Krebs eingesetzt. Nun will ein Forscher aus Israel mit dieser Methode die Korallenriffe der Ozeane vor der Zerstörung bewahren. Wird es gelingen? 

Dieser Artikel ist Teil unseres Themenschwerpunkts „Wasser: Stoff des Lebens?"

Warum das wichtig ist: Korallenriffe, auch als Regenwälder der Ozeane bezeichnet, beherbergen unzählige Pflanzen- und Tierarten. Es handelt sich meist um eigene Ökosysteme mit unschätzbarem Wert für das maritime Leben.
Durch den Klimawandel gehen jedoch immer mehr Korallenriffe unter. Ein Immunologe aus Israel, spezialisiert auf Stammzelltherapien, möchte sein Wissen nutzen, um diesen Vorgang aufzuhalten.
Doch wie möchte er wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Medizin für ökologische Fragestellungen nutzen? Das erklärt dir alexandria in diesem Artikel.

alexandria hatte die Möglichkeit, bei einem Vortrag von Benyamin Rosental im Rahmen des Falling Walls Science Summit 2022 sein Projekt besser kennenzulernen.

Der Untergang der Korallenriffe

Bereits seit den 80er Jahren werden weltweit Rückgänge in der Korallenpopulation beobachtet (Spektrum, 1999). Meist geht dies mit einem Ausbleichen der Korallen einher. Doch wie kommt es zu dieser Korallenbleiche?

Korallen werden von bestimmten Algen (auch Zooxanthellae genannt) besiedelt, wodurch sie ihre prächtigen Farben erhalten. In dieser symbiotischen Beziehung betreiben die Algen Photosynthese und dienen den Korallen als primäre Nahrungsquelle. Kommt es jedoch vermehrt zu Stress, werden diese Algen von den Korallen vertrieben. Stress können Veränderungen der Umweltbedingungen auslösen, welche die Überlebenschancen der Algen verringern. (Swart, 2013)

Verlassen die Algen die Korallen, so bleichen diese aus und werden weiß, die Farbpracht geht verloren (NOAA, 2023). Durch das Ausbleichen allein gehen Korallen nicht zu Grunde, doch sie sind dann anfälliger für Erkrankungen oder weitere Stressoren, denn ihr Wachstum wird durch den Verlust der Algen massiv gehemmt. Auf diese Art wurden in den letzten Jahre ganze Korallenriffe dezimiert, wie das Great Barrier Reef in Australien (The Guardian, 2020).

Mögliche Stressfaktoren für Korallenbeleiche sind eine rasche Zu- oder Abnahme der Wassertemperatur, eine Verschmutzung des Wassers oder zu direkte Sonneneinstrahlung. Diese Faktoren sind Folgen der Klimakrise. Auch weitere menschliche Einflüsse wie die Überfischung und die weltweite Nutzung von Sonnencreme mit synthetischen UV-Blockern tragen zum Verlust der Korallenriffe bei (mehr dazu kannst du in diesem alexandria-Artikel nachlesen: Wie Sonnencreme die Meere schädigen).

Bei Korallenriffen handelt es sich um eigene Ökosysteme. Es leben zahlreiche Tiere und Pflanzen in Korallenriffen. Es wird vermutet, dass etwa ein Drittel aller maritimen Spezies in ihnen beheimatet sind (Schuhmacher & Reinicke, 2011).
Daher werden Korallenriffe auch gerne als Regenwälder des Ozeans bezeichnet. Es handelt sich um ein komplexes und sensibles ökologisches Gleichgewicht, das sehr schnell auf Veränderungen reagiert. Kommt es zu einer Dysbalance zwischen den Lebewesen, die dort in Symbiose leben, droht ein Korallensterben, wodurch ganze Ökosysteme untergehen. (Swart, 2013)

Korallenriffe Veränderung

Die Karten zeigen, welche Korallenriffe in den Jahren 2016, 2017 und 2020 vom Ausbleichen betroffen waren (rot), gegenüber jenen, die nicht davon betroffen waren (blau). In diesen drei Jahren waren besonders viele Riffe vom Ausbleichen betroffen. (©ARC Centre for Excellence in Coral Reef Studies)

Hitzebeständig durch Stammzellentherapie

Es ist bekannt, dass verschiedene Korallenarten einen Unterschied in ihrer Hitzebeständigkeit aufweisen. Während manche Arten beim derzeitigen Anstieg der durchschnittlichen Meerestemperatur sterben, können andere weiter bestehen. Diese genotypische Variation möchte sich Benyamin Rosental zu Nutze machen.

Benyamin Rosental ist Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der Ben Gurion Universität von Negev, Israel. In seinem beruflichen Alltag beschäftigt er sich mit Stammzelltransplantationen und der Akzeptanz verschiedener Gewebe durch das Immunsystem. Das Forschungsteam von Rosental behandelt vor allem medizinische Fragestellungen, möchte sich nun jedoch auch ökologischen Problemen zuwenden.

Rosental und sein Team konzentrieren sich in ihrer Arbeit vor allem auf den primären Grund des Korallenriffsterbens – auf den Anstieg der Meerestemperatur. Durch die steigende Hitze kommt es bei manchen Arten zur Ausbildung von Sauerstoffradikalen, welche sowohl die Koralle selbst als auch ihre besiedelnde Alge schädigen. Dieser Prozess führt laut Rosental und Team auch zu einer vermehrten Aktivierung des Immunsystems aufgrund des Hitzestresses. Noch ist ungeklärt, ob dies direkt zur Korallenbleiche führt oder einen zusätzlichen Stressfaktor bedeutet. (Eliachar, et al., 2022).

Benyamin Rosental

Benyamin Rosental forscht mit seinem Team an der Ben Gurion Universität in Negev, Israel, an einer Stammzellentherapie, um Korallenriffe zu retten

Da manche Genotypen (Zusammensetzung aller Gene) einer Algenart resilienter gegenüber Hitze sind, möchte der Forscher diese Gene nutzen, um alle Korallen widerstandsfähiger zu machen.
Die Grundlage für diesen Forschungsansatz bildet die Stammzellentherapie. Rosental und sein Team möchten Gene hitzebeständiger Korallen in andere Korallenarten „einbauen“, und so die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit, gegen äußere Einflüsse verbessern. Dann könnten auch sensible Korallenarten dem Stress einer Hitzewelle besser standhalten.

Als Stammzellen werden Zellen bezeichnet, die sich nicht nur teilen und vermehren, sondern sich noch zu verschiedenen Zellarten entwickeln können. Bisher werden Stammzellen vor allem in der Krebstherapie eingesetzt. So erhalten Patient: innen, die an Leukämie erkrankt sind, eine Stammzellentherapie, damit ihr Knochenmark wieder genügend gesunde Blutzellen herstellen kann. (Ballarin, et al., 2021).

Erste Schritte zur Therapie der Ozeane

Doch diese Forschung steht noch am Anfang. In ihrer aktuellen Studie (Talice, et al., 2022) haben die Forschenden untersucht, ob aus Korallen überhaupt Stammzellen gewonnen und anschließend vermehrt werden können. Dieser erste Schritt ist ihnen nun gelungen.

Trotz erster Erfolge betont auch Benyamin Rosental in einem Interview beim Science Summit Falling Walls 2023, dass noch viele Fragen offen sind. Die bisherigen Forschungsergebnisse beziehen sich vor allem auf Weichteilkorallen, die auch als Seeanemonen bezeichnet werden. Die Methodik der Stammzellentherapie muss erst für größere Korallenriffe anwendbar gemacht werden. Es gibt noch viele offene Fragen zur Kompatibilität zwischen den Genen unterschiedlicher Korallen und inwieweit es, wie bei einem fremden Organ, zu Abstoßungsreaktionen kommen kann. (Ballarin, et al., 2021).

Rosentals innovative Forschung, die medizinische Methoden für ökologische Probleme nutzen möchte, verspricht eine Verbesserung der Resilienz der Korallenriffe. Dennoch sollten wir neben dem Versuch, unsere Korallen besser gegen die Klimaerwärmung zu rüsten, den Fokus auf die Prävention dieser Schäden nicht verlieren. Verhindern wir nämlich das Korallensterben bereits durch eine Verbesserung der klimatischen Bedingungen für diese sensiblen Lebewesen, dann sind keine weiteren therapeutischen Schritte notwendig.

Bis wir jedoch unser Verhalten entsprechend anpassen und die Klimaerwärmung stoppen, stellen Projekte wie jenes von Rosental und seinem Team eine große Hoffnung dar, ökologische Katastrophen abzuwenden.

NOAA (2023). What is coral bleaching? National Oceanic and Atmospheric
     Administration.
Swart, P. K. (2013) Coral Reefs: Canaries of the Sea, Rainforests of the Oceans. Nature
     Education Knowledge 4
(3), 5.
Spektrum (1999). Lexikon der Biologie: Korallensterben. Spektrum der Wissenschaft
     Verlagsgesellschaft mbH.
Eliachar, S. et al. (2022). Heat stress increases immune cell function in Hexacorallia.
     Frontiers in Immunology, 13, 1016097.
Ballarin, L. et al. (2021). Stem Cells and Innate Immunity in Aquatic Invertebrates:
     Bridging Two Seemingly Disparate Disciplines for New Discoveries in Biology. Frontiers
     in Immunology, 12
, 688106.
Readfearn, G. (2020). Great Barrier Reef's third mass bleaching in five years the most
     widespread yet. Government’s chief marine scientist says he fears people will lose hope
     for the future of the reef but it is a clear signal for action. The Guardian.
Schuhmacher, & Reinicke (2011). Korallenriffe - Folgen der Erwärmung und
     Versauerung. In Lozán, J.L., & et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere -
     Änderungen und Risiken
. Wissenschaftliche Auswertungen, 214-219.
Talice, S.,  et al. (2022). Candidate stem cell isolation and transplantation in Hexacorallia,
     PREPRINT. Research Square.

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