Saunazwerg

Ob zur Entspannung, zur Körperpflege oder aus Geselligkeit – Baden hat in vielen Kulturen einen hohen gesellschaftlichen oder sogar spirituellen Stellenwert. Im Rahmen des Themenschwerpunktes „Wasser: Stoff des Lebens“ stellt dir alexandria fünf kulturelle Badepraktiken aus aller Welt vor.

Dieser Artikel ist Teil unseres Themenschwerpunkts „Wasser: Stoff des Lebens?"

Fakt 1: Onsen sollen verwundete Soldaten heilen

Japan beheimatet mehr als 27.000 natürliche heiße Quellen, sogenannte Onsen, und ist damit das Land mit den meisten heißen Quellen der Welt. Diese große Anzahl an Onsen ist auf die hohe vulkanische Aktivität auf dem Inselstaat zurückzuführen.

Während die natürlichen Thermalquellen heute vor allem als Entspannungsort für Einheimische und Tourist:innen dienen, schrieb man dem Wasser des Onsen lange Zeit eine heilende Wirkung, das sogenannte Touji („Heilen durch Heißwasser“), zu.

Die ersten Aufzeichnungen der Onsen-Heilkraft lassen sich bis in die Kamakura-Periode (1192-1333) zurückverfolgen. Vor allem in der langen Bürgerkriegsära des 16. Jahrhunderts erlangten sie als Kurort für verwundete Soldaten Beliebtheit und ab dem 17. Jahrhundert wurden zunehmend Ressorts und Krankenhäuser an die ‚heilenden‘ Quellen gebaut. Durch das Baden im Onsen erhoffte man sich eine Heilung von chronischen Krankheiten oder Wunden.

Die moderne Wissenschaft ist sich einig, dass das Baden in heißen Quellen die Durchblutung fördert, den Blutdruck senkt und beim Regulieren des Immunsystems helfen kann. Eine Wunderheilung lässt sich zwar nicht nachweisen, doch ein Onsen-Besuch, bei dem traditionell eine strikte Ruhe-Etikette eingehalten werden muss, dient jedenfalls der Entspannung und Entschleunigung.

Onsen Abbildung

Chikanobu Yoshus "Ikaho Onsen Hanei no Zu" zeigt Frauen beim Baden im Onsen, undatiert (©University of Tokyo General Library)

Fakt 2: Hamam war ein Treffpunkt für Frauen im
osmanischen Reich

Der Hamam, oder auch türkisches Bad genannt, ist ein öffentliches Badehaus. Er hat seinen Ursprung in der Zeit der islamischen Expansion des siebten und achten Jahrhunderts und ist nach wie vor in weiten Teilen des Mittleren Ostens und Nordafrikas zu finden. Traditionell waschen sich Besucher:innen nicht nur im Hamam, sondern kommen auch am Göbek Taşı („Heizstein“) ins Schwitzen und lassen sich vom Tellak (Hamam-Betreuer:in) mit einem Peeling und einer Massage verwöhnen.

Zur Zeit des osmanischen Reiches hatte der Hamam eine wichtige wirtschaftliche, gesellschaftliche und religiöse Stellung. Da viele Frauen zu dieser Zeit vom öffentlichen Leben ausgeschlossen waren, stellte der Hamambesuch einen sozialen Anlass für Frauen dar, um zusammenzukommen und sich auszutauschen.

Aus den Einnahmen für das Badehaus wurden oft Infrastrukturprojekte finanziert und durch die Förderung von Hamams konnten sich auch wohlhabende Frauen indirekt an der Politik beteiligen und die Stadtentwicklung beeinflussen.
Die im Hamam gepflegte Körperhygiene war nicht nur zur Vermeidung von Krankheiten und Lebensmittelvergiftungen wichtig, sondern diente auch der religiösen Reinigung (gusül) nach dem Geschlechtsverkehr, der Menstruation, der Geburt oder dem Berühren einer Leiche sowie vor dem Gebet (siehe: Der Glaube im Dienste des Wassers).

Heute hält der Hamam immer noch eine wichtige wirtschaftliche Funktion inne, da er als große Tourist:innenatraktion gilt. Die Einheimischen nutzen den Hamam allerdings kaum mehr.

Bild eines Hamams

Ein unbekannter Künstler stellt um 1809 einen Hamambesuch dar (©Victoria and Albert Museum, London)

Fakt 3: Die Iban begrüßen mit dem Baden das
Leben

Die Volksgruppe der Iban ist die größte indigene Ethnie der Insel Borneo. Kinder haben einen hohen Stellenwert bei den Iban und Unfruchtbarkeit wird daher als Fluch angesehen.

Nach der Geburt eines Kindes spielen Wasser und rituelle Waschungen eine große Rolle. Das Neugeborene wird zuerst mit einem nassen Schwamm gesäubert und der Bauch der Mutter wird mit Ingwerwasser massiert und gewaschen. Ab der Geburt des ersten Kindes werden die Eltern nicht mehr mit ihren Vornamen, sondern fortan als „Vater und Mutter von …“ angesprochen.

Für vierzehn bis dreißig Tage erholen sich Mutter und Säugling im abgedunkelten Familienheim (bilik) für das bekindu, die „Hitzezeit“, zu der die Mutter kein normales Wasser, sondern ausschließlich gekochtes Ingwerwasser trinken darf, um ihren Körper warm zu halten. Während der Hitzezeit durchläuft das Baby drei Riten zur Anerkennung als neues Mitglied der Gemeinschaft, wobei das abschließende Baden den Höhepunkt dieses Brauches darstellt.

Als erstes nehmen die Großeltern das Kind hinaus aus dem bilik ins Freie, um ihm den „Tag vorzustellen“ (nengkadah hari) und ihm zum ersten Mal den Himmel zu zeigen. Dabei wird gebetet, damit die Götter das Kind zur Kenntnis nehmen können. Danach bekommt das Baby ein kleines Stück Salz zu essen (ngetup garam), was seinen Körper und Charakter stärken soll.

Bis zum ersten Bad hat das Neugeborene keinen Namen, sondern wird traditionell als „kleine Larve“ (ulat) bezeichnet. Für das hochbedeutende Baden (meri anak mandi) werden frühmorgens schon Opfer dargebracht und mehrere Gemeinschaften kommen am Fluss zusammen, um das Kind willkommen zu heißen und mit dem Reich der Natur zu verbinden. Unter Getrommel wird für das Kind bei der Waschung gebetet, weitere Opfer werden dargebracht und böse Geister werden mit dem Schlag eines Schwertes ins Wasser verscheucht. Wer das Kind badet, darf ihm schließlich seinen Namen geben.

Zurück im bilik werden Mutter und Kind vom Ältesten mit gesegnetem Wasser besprüht und somit das meri anak mandi sowie die Hitzezeit vollendet. Mutter und Kind sind damit wieder – beziehungsweise erstmals – aktiver Teil der Gemeinschaft.

Iban baden ein Kind

Das rituelle Baden eines Kindes bei den Iban (© Still aus dem Video von Diana Teglan)

Fakt 4: In der finnischen Sauna beschützt ein
freundlicher Geist die Besucher:innen

Die hölzernen Schwitz-Häuschen, in denen Wasser auf heiße Steine aufgegossen wird, um damit Dampf zu erzeugen, kennen wohl die meisten. Die finnische Sauna hat allerdings auch traditionelle und spirituelle Funktionen, die teilweise bis heute praktiziert werden.

Ein Saunabesuch dient spirituell dem Austreiben negativer Gedanken, Erinnerungen und allfälliger Krankheiten, sowohl im Rahmen der Gemeinschaft als auch allein. In alten magischen Riten wurden in der Sauna erotische Kräfte beschworen.
Dadurch sollten Lust und Verlangen gefördert werden und für die Zeit des Saunaaufenthalts Geschlechternormen, Hierarchien und gesellschaftliche Regeln abgelegt werden. Beim nackten Schwitzen sind also alle Finn:innen gleich.

Auch die Elemente wurden in der Sauna von den Finnen vergangener Zeiten verehrt. Sie traten dort mit den Naturgeistern, väki, in Kontakt. Das Saunieren nach Mitternacht war verboten, da zu dieser Zeit die Elfen und Feen die Sauna nutzen und man deshalb stets etwas Hitze (löyly) für sie übriglassen sollte.

Diese alten Bräuche und Glauben leben heute fort: Manche Saunahütten haben traditionell niedrige Eingänge, ein Überbleibsel von dem Glauben, man müsse sich in Demut vor den Naturgeistern beim Eintreten ducken.
Der dunkelste Ort der Sauna, der Skelett-Platz, ist für die Vorfahren reserviert. In vielen Saunen bewacht ein sauna tonttu, ein oft selbstgebastelter freundlicher Wichtel oder Geist, die Saunagäste. Die finnische Sauna ist seit 2020 UNESCO-Weltkulturerbe.

Saunageist

Ein sauna tonttu bewacht das SchwitzhausTeijon Ruukkikylät)

Fakt 5: Die heiligen Quellen von Bakreswar sind  leicht radioaktiv

Bakreswar ist eine Pilgerstädte in Bengalen, Indien. Nicht nur der große Tempelkomplex, welcher den Gottheiten Shiva und Shakti gewidmet ist, zieht jährlich tausende Pilgernde an, sondern auch die sieben natürlichen Thermalquellen, kunda, die auf der Tempelanlage entspringen.

Die sieben kunda, Überreste einer vulkanischen Periode, messen jeweils eine andere Temperatur und jede Quelle ist von ihren eigenen Legenden und Sagen umrankt. Das Baden in diesen Quellen hat je nach religiöser und philosophischer Orientierung verschiedene Bedeutungen.

Der Tempel zieht beispielsweise umherziehende tantrische Asketen wie Aghoris, Nāths und Shāktas an, die eine Art alchemistischen Glauben verfolgen. Sie glauben, dass die im Wasser enthaltenen Schwefel- und Quecksilbermineralien die sexuelle Vereinigung der Gottheiten Shiva (Quecksilber) und Gaurī (Schwefel) repräsentieren, welche für die Erschaffung und Erhaltung des Universums verantwortlich ist. Das Baden in den Quellen fördert im tantrischen Glauben deshalb Kraft und Langlebigkeit.

Die im Tempel heimischen vedisch-hinduistischen Priester glauben, dass die kunda eine Art Nebenprodukt der Schaffung des Universums sind, die plötzlich entsprangen, als Gott die Welt kreierte. Das Baden bedeutet für die Priester, sich seiner Sünden und Unreinheiten reinzuwaschen. Außerdem glauben sie, dass die Quellen Heilkräfte besitzen, die jedoch wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnten. Wissenschaftler:innen empfehlen, nicht allzu lange in den Quellen zu baden, da sie eine erhöhte Konzentration des radioaktiven Elements Radon enthalten.

Die heiligen Quellen von Bakreswar

Pilgernde baden in den Quellen (© P.K.Niyogi)

Fakt 1:
Serbulea, M., & Payyappallimana, U. (2012). Onsen (hot springs) in Japan: Transforming
     terrain into healing landscapes. Health and Place, 18, 1366-1373.

Fakt 2:
Cichocki, N. (2005). Continuity and change in Turkish bathing culture in Istanbul: the
     life story of the Çemberlitaş Hamam. Turkish Studies, 6(1), 93-112.

Fakt 3:
Osup, C. A. (2017). Childbirth and Children in the Iban Society of Sarawak. International
     Journal for Studies on Children, Women, Elderly And Disabled, 1, 16-21.

Fakt 4:
Kailo, K. (2019). Sauna Exists, Therefore I am: Gifting Rituals of the Finnish Sauna.
     Canadian Woman Studies, 39(1-2), 140-151.

Fakt 5:
Roy, A. (2020). Miracle, magic, or science Ritual bathing in modern India. Journal of
     Ethnographic Theory, 10(2), 499–513.

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