Wind weht den Regenschirm weg

In Wien scheint ständig der Wind zu gehen. Stimmt das? Steckt das vielleicht hinter der berühmten Wiener Unfreundlichkeit? Was es mit dem Wiener Wind wirklich auf sich hat, erfährst du hier.

Dieser Beitrag ist eine Reihe des Themenschwerpunkts Wien: eine Untersuchung, in dem wir uns aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven mit der schönsten Stadt der Welt auseinandersetzen.

Die meisten Wiener:innen hegen einen – mehr oder weniger – heimlichen Wunsch: den einer ordentlichen Frisur. Doch das ist in der österreichischen Hauptstadt beinahe unmöglich. Der Wind macht diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung.

Fast täglich fegt er durch die Straßen, zupft an Hauben und zieht an Fenstern. Nicht selten kommt es zu schlaflosen Nächten, weil der Wind durch die Gassen heult. Während Tourist:innen das Gesicht verziehen und ihre Jacken im Winter noch enger um den Körper wickeln, zucken Wiener:innen nur mit den Schultern. Zwar sudern sie über das Wetter, doch gleichzeitig scheinen ihre Körper an die Gegebenheiten angepasst zu sein.

Wien ist die Sturmhauptstadt Österreichs

Der Wind gehört zu Wien wie der Opernball oder die Würstelstände. Die Statistik unterstreicht das, denn Wien ist die Sturm-Hauptstadt Österreichs. In den vergangenen Jahren lag die durchschnittliche Windgeschwindigkeit laut der Stadt Wien bei ungefähr 13,4 Kilometern pro Stunde. Auf der Beaufort-Skala, mit dessen Hilfe die Windgeschwindigkeit anhand von sichtbaren Auswirkungen eingeschätzt werden kann, entspricht dieser Durchschnitt der dritten Stufe: Dabei bewegt der Wind „dünne Zweige und streckt Wimpel“.

Doch die Tage in Wien können auch deutlich stürmischer ausfallen. Laut der Plattform Statista kommt es häufig zu Windstärken, die auf der Beaufort-Skala zumindest die Stufe acht einnehmen. Das bedeutet, dass der Wind mit mindestens 62 Kilometern pro Stunde weht. Ab dieser Windstärke brechen nicht nur kleine Zweige von Bäumen ab, auch das Gehen fällt schwer. Man kennt’s in Wien: Wenn du stolperst, fällst du nicht – denn der Wind fängt dich auf.

Während diese Windstärke im Jahr 2022 in Wien 37-mal gemessen wurde, war dies in Innsbruck nur an 27 und in Graz nur an sechs Tagen der Fall. In allen anderen Landeshauptstädten weht der Wind sogar noch gemäßigter. Tatsächlich zeigt sich auch ein Unterschied zwischen den Jahreszeiten. Wie die Statistik der Stadt Wien erahnen lässt, weht der Wind in Wien im Winter stärker, im Februar werden im Durchschnitt die höchsten Windspitzen erreicht.

Viele Menschen fragen sich deshalb: Warum stürmt es gerade in Wien so oft? Der Grund liegt an der geografischen Lage der Stadt. Doch um diese Umstände zu verstehen, muss man zuallererst wissen, wie Wind entsteht.

Wien ist tief

Wenn man Meteorolog:innen lauscht, so sprechen diese immer von Tief- und Hochdruckgebieten. Wie es der Name bereits verrät, handelt es sich dabei um zwei Orte, an denen ein tiefer oder ein hoher Luftdruck herrscht. Die Natur will dieses Ungleichgewicht ausbalancieren, weshalb Luft aus dem Gebiet mit hohem in das Gebiet mit niedrigem Druck fließt, genauso wie sich Wasser in einem Gefäß gleichmäßig verteilt. Dadurch bewegt sich die Luft stetig von Hochs zu Tiefs – und es entsteht Wind.

Der Grund für den starken Wind in Wien liegt allerdings hauptsächlich an einem geographischen Faktor der Stadt, der sich leicht erahnen lässt. Mit einem Blick aus dem Fenster ist dieser bestimmbar: Wien und auch ein Großteil seiner Umgebung sind sehr flach. Das bedeutet, dass der Wind ohne Hindernis in und durch die Stadt strömen kann, wie die Windenergie-Expertin Hildegard Kaufmann in einem Interview mit der „Presse“ erklärt.

Erklärung Hochdruck und Tiefdruck

Luft bewegt sich von Hochs zu Tiefs und erzeugt dadurch Wind.

Düseneffekt verstärkt Wiener Wind

Gleichzeitig entsteht sowohl auf natürliche Weise als auch durch Hochhäuser ein sogenannter Düseneffekt. Dabei kommt es zu einer Einengung des Strömungsquerschnitts, wie „Spektrum“ berichtet. Sprich: Bei hohen Häusern werden die Strömungslinien des Winds zusammengedrängt, wodurch sich die Geschwindigkeit erhöht.

Speziell im Norden der Stadt beziehungsweise beim Auftreten von Nord- und Nordwestwind spielt die Wiener Pforte hier eine große Rolle. Diese befindet sich entlang der Donau zwischen Bisamberg und Leopoldsberg. Hier erhöht sich durch die Enge die Geschwindigkeit des Windes, wie Kaufmann gegenüber der „Presse“ erwähnt.

Die Statistik des letzten Jahrhunderts zeigt, dass der Wind in Wien weder stärker noch schwächer geworden ist.
Doch ein Lichtblick bleibt: Unter anderem aufgrund des regen Winds ist die Luftqualität in Wien laut öffentlichen Angaben der Stadt sehr hoch. Geringe Luftverschmutzung trägt zu einem langen und gesunden Leben bei – auch deshalb könnte Wien eine der lebenswertesten Städte der Welt sein.

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