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Auf Social Media teilen wir teils intime Fotos und Gedanken. Die meisten Nutzer:innen sind sich darüber bewusst, was zu ihren Lebzeiten mit diesen Informationen geschehen kann. Doch wie wirkt sich unser Tod darauf aus? Diese Frage und noch viel mehr rund um den digitalen Nachlass erklären wir dir in diesem Vollwissen.

Dieser Beitrag ist eine Reihe des Themenschwerpunkts Was wir (ver)erben, in dem wir uns aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven mit dem menschlichen Erbe auseinandersetzen.

Einige Risiken und Tücken von Social Media sind uns mittlerweile bekannt: Cookies, die es ermöglichen, unsere Aktivität im Internet über die unterschiedlichen Webpages hinweg zu verfolgen. Algorithmen, die unsere Daten verwenden, um uns maßgeschneiderte Werbung und Informationen zu zeigen. Hacker, die uns überwachen oder unsere Zugangsdaten stehlen.

Die meisten Internetnutzer:innen haben ihre eigenen Wege gefunden, mit diesen Gefahren umzugehen. Manche kleben die Laptopkamera zu, deaktivieren Cookies, googlen ausschließlich im Inkognitomodus oder verwenden nur sichere Server und Anbieter.
Was jedoch kaum eine Person auf Social Media bedenkt, ist das Nachleben der Internetaktivität nach dem eigenen Tod. Was passiert eigentlich mit all meinen Social Media Accounts, wenn ich einmal nicht mehr bin? Wem gehören dann meine DMs, meine Reels und alle sonstigen Posts? Darf TikTok mein Profil dann einfach löschen? Oder erben meine Kinder meinen Instagram-Zugang?

Diese und ähnliche Fragen stellen sich Erbrechtler:innen und Expert:innen des IT-Rechts. Endgültige Antworten darauf gibt es (noch) nicht, denn dieses Problem und das damit verbundene Rechtsgebiet ist noch sehr jung. Bisher existieren kaum Präzedenzfälle, also juristische Fälle, in denen solch ein Problem vor Gericht entschieden wurde und damit als Maßstab für ähnliche Fälle dienen kann. alexandria stellt dir aktuelle rechtswissenschaftliche Überlegungen zum digitalen Nachlass vor und gibt dir außerdem den ein oder anderen Tipp zur sicheren Verwaltung deiner Social Media Accounts – für den Fall der Fälle…

Ein Beispielfall: Alberts Instagram-Profil

Veranschaulichen wir die Überlegungen mithilfe eines Beispielfalls, wie er sich in der Wirklichkeit abspielen könnte:

Als Albert mit seinem Auto unter ungeklärten Umständen verunglückt, ist er 27 Jahre alt. Er hinterlässt nur seine Verlobte Bianca, die somit seine alleinige Erbin ist. Einige Tage vor dem Unfall hat Albert seiner Verlobten noch gestanden, dass er kalte Füße bekommt und die Hochzeit abblasen will – nun ist er tot.

Alberts Geständnis kurz vor dessen Tod lässt Bianca nicht los. Überhaupt hat er sich vor seinem Ableben so seltsam verhalten und die meiste Zeit geistesabwesend am Handy verbracht. Könnte es denn sein, dass Albert seinen Tod selbst gewählt hat? Schließlich wurde der Unfallhergang nie abschließend geklärt.

Um mehr herauszufinden, möchte Bianca Alberts Social-Media-Accounts nach Hinweisen durchforsten. Die Passwörter hat sie seinem Notizbuch entnommen. Beim Versuch, sich einzuloggen, wird Bianca von Instagram und Facebook jedoch abgewiesen. Seine Profile befinden sich bereits im sogenannten Gedenkzustand – sobald jemand Alberts Tod an Meta gemeldet hat, sind seine Accounts deaktiviert und niemand kann mehr darauf zugreifen (Meta, 2024; Gumilar, 2023). Bianca klagt nun die Plattformanbieter vor Gericht, denn als Erbin gebühre ihr jedenfalls der Zugang zu allen Profilen. Hat sie recht?

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Was kann ich vererben?

Bianca erhält als Alberts Universalerbin (Alleinerbin) die Verlassenschaft des Verstorbenen. Somit tritt sie mit der sogenannten Einantwortung, einem gerichtlichen Beschluss, in all seine Rechte und Pflichten ein (§ 547 f ABGB). Das bedeutet, sie bekommt einerseits all seine Sachen; sein Moped, seinen Dackel Wursti, seine Büchersammlung, und kann sogar das Geld, das ihm Pierre geschuldet hat, nun selbst zurückverlangen. Andererseits erbt sie aber auch seine Schulden, zum Beispiel seine offenen Zahlungen bei der Bank (Welser, 2019).

Schuldrechtliche Verträge gehen also genau wie persönliche Sachen auf den Erben über. Was nun ist der Nutzungsvertrag eines Social-Media-Accounts? Einige Jurist:innen meinen, dass nur entgeltliche Verträge mit Vermögenswert vererbt werden – und die Nutzung der meisten Plattformen sei bekanntlich kostenfrei. Dass ein Gegenstand einen Vermögenswert hat, ist jedoch keine gesetzliche Voraussetzung für die Weitervererbung. Darüber hinaus bezeichnet Entgeltlichkeit nicht bloß die Bezahlung mit Geld, sondern schließt alle Verhältnisse, in denen Leistungen ausgetauscht werden, mit ein: Beim Registrieren musste Albert seine wertvollen personenbezogenen Daten im Austausch für die Nutzung der Plattformen an Meta weitergeben (Gumilar, 2023).

Von der Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) sind nur die höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse ausgeschlossen, das sind solche, die unmittelbar an die Person gebunden sind und niemand anderer erfüllen kann. Beispielsweise erbt ein Sohn nicht die Gefängnisstrafe des Vaters oder gar dessen Ehe mit der Mutter. Albert, der ein hochgeschätzter Künstler war, vererbt seine exklusiven Portraitaufträge deshalb auch nicht an Bianca (Pierer, 2018). Gilt das auch für die Social-Media-Accounts, die ja an Alberts Namen und Identität geknüpft sind?

Rechte nach dem Tod?

Die Expert:innen des Erb- und des IT-Rechts sind sich da tatsächlich nicht einig. Obwohl die Rechte einer Person grundsätzlich mit dem Tod erlöschen – sie kann sie ja nicht mehr ausüben – gibt es einzelne, die auch nach dem Ableben weiterbestehen.

Damit Alberts Andenken nicht geschädigt und auch seine Hinterbliebene, Bianca, nicht darunter leiden muss, gibt es die sogenannten postmortalen Persönlichkeitsrechte (§ 17a ABGB). Diese geben den nahen Angehörigen die Möglichkeit zu klagen, wenn jemand Alberts Privatleben in der Öffentlichkeit auf unangenehme Art zur Schau stellt. Wenn also zum Beispiel Pierre peinliche Partyfotos von Albert verbreitet und sich über ihn lustig macht, kann sich Bianca auf die Verletzung von Alberts Andenken berufen (Koch, 2023).

Worüber genau sich die postmortalen Persönlichkeitsrechte erstrecken, ist im Gesetz nicht abschließend definiert, denn oft kommt der Schutzbedarf auf die individuelle Situation an. Deshalb gibt es auch zu der Frage, ob diese Rechte auch den Account des Verstorbenen vor fremder Inbetriebnahme schützen, unterschiedliche Expert:innen-Einschätzungen:

Joachim Pierer, Zivilrechtsexperte an der Universität Wien, (2018) meint, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht den Verstorbenen auch vor dem digitalen Identitätsdiebstahl bewahren sollte. Wenn Bianca sich in den Instagram-Account ihres verstorbenen Verlobten einloggt, erscheint sie für andere als Albert. So könnte sie unter seinem Namen mit Leuten chatten oder Fotos posten. Weil das für den Experten eine definitive Verletzung des Persönlichkeitsrechts auch nach dem Tod darstellt, spricht er sich dafür aus, dass persönliche Profile nicht vererbt werden können.

In einer der wenigen gerichtlichen Entscheidungen zum digitalen Nachlass kam der deutsche Bundesgerichtshof (III ZR 183/1, 2018) zu dem Schluss, dass der Social-Media-Account vererbt werden kann und der Gedenkzustand tatsächlich die Rechte des Erben verletzt. Die Plattformanbieter müssen den Erben den Zugang zum Profil ermöglichen, das heißt auch Passwörter preisgeben. Auch für das österreichische Recht wird diese Lösung befürwortet. Damit ist jedoch das Problem des Identitätsdiebstahls noch nicht geklärt und es bleiben auch einige andere Fragen offen.

Briefgeheimnis des Toten

Zu Lebzeiten ist die Privatsphäre von Albert durch das Briefgeheimnis geschützt und Bianca darf seine (analoge wie digitale) Post nicht ohne sein Einverständnis lesen (§ 118 f StGB). Sobald Albert stirbt, erbt Bianca seine Post, seine Tagebücher und seinen Computer und hat außerdem die Aufgabe, all seine schuldrechtlichen Geschäfte nun selbst zu erledigen. Besteht der Schutz seiner Privatnachrichten auch nach Alberts Ableben weiter? Dann müsste Bianca unterscheiden, ob sie es mit persönlichen Inhalten, oder mit geschäftlichen Nachrichten, die sie zur Verwaltung benötigt, zu tun hat. Doch wie kann Bianca erkennen, ob die Post von Alberts Mitarbeiterin Chiara ein Geschäft oder eine private Nachricht beinhaltet, ohne sie zu öffnen? Weil das kaum möglich ist, wird angenommen, dass die Angehörigen selbst die Nachrichten lesen, sie aber vor den Augen Fremder schützen können (Höhne, 2015).

Andererseits ist da aber Chiaras Briefgeheimnis, das durch Bianca verletzt wird. Chiara möchte nicht, dass Bianca die geheimen Liebesbriefe zwischen ihr und Albert liest. Der Ansatz einiger Expert:innen ist daher, dass Profile, die private Nachrichten enthalten, für die Erben gänzlich tabu sind. Geschäftliche Profile wie bei LinkedIn sollen ebenso „infiziert“ und dem Zugriff der Erben entzogen sein, wenn sich dort auch nur eine private Nachricht befindet (Martini, 2012). Aus den bereits erwähnten praktischen Gründen wird das nicht durchsetzbar sein und Chiara muss wohl damit rechnen, dass Bianca von der Affäre erfährt.

Wie ich entscheiden kann, was mit meinen Social-Media-Profilen passiert

Letztendlich hat Bianca als Erbin ein Recht darauf, sich in Alberts Profile einloggen zu können, und das kann sie auch gegen Meta gerichtlich geltend machen. Viele rechtliche Detailfragen und die praktischen Auswirkungen sind jedoch nach wie vor weitgehend offen. Je mehr einschlägige Fälle zu diesem Problem von einem Höchstgericht (in Österreich ist das der Oberste Gerichtshof – OGH) in den nächsten Jahren entschieden werden, desto eher werden sich die Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Verlassenschaft herauskristallisieren. Allen Social-Media-Nutzer:innen kann man nur raten, keine Inhalte im Internet zu verbreiten, von denen man nicht möchte, dass sie von anderen gelesen werden. Noch besser ist es, so lange man noch kann, ins Testament zu schreiben, was mit den Profilen nach dem Tod passieren soll. So gibt es nämlich keine Zweifel.

DM = Abk. direct message = Privatnachricht

Reel = Kurzvideo, das über den eigenen Social-Media-Account auf einer Social-Media-Plattform veröffentlicht wird.

Post = Jede Art von Beitrag (Text, Foto, Video etc.), der über den eigenen Social-Media-Account auf einer Social-Media-Plattform veröffentlicht wird.

Meta = Internetkonzern, dem unter anderem Facebook, Instagram und Whatsapp gehören.
Nachlass/Verlassenschaft = Alle Vermögensrechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergehen.

Bundesgerichtshof. (2018). Urteil vom 12. Juli 2018, III ZR 183/17.
Gumilar, M. (2023): Der digitale Nachlass: Mit besonderem Augenmerk auf die notarielle
      Praxis
. MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH.
      https://doi.org/10.5771/9783214251499
Höhne, T. (2015): Der Tod im Internet. Zeitschrift für Informationsrecht, 3, 238–245.
      https://doi.org/10.33196/ziir201503023801
Koch. (2023). § 17a. In Bydlinski, F., Perner, S., & Spitzer, E. (Hrsg.), ABGB:
      Kurzkommentar
(7. Aufl.).
Martini, M. (2012): Der digitale Nachlass und die Herausforderung postmortalen
      Persönlichkeitsschutzes im Internet. JuristenZeitung, 67(23), 1145.
      https://doi.org/10.1628/002268812804469596
Pierer, J. (2018): Postmortaler Schutz von Persönlichkeitsrechten (1. Aufl.). Verlag
      Österreich. https://doi.org/10.33196/9783704679581
Welser, R. (2019): Erbrecht. Manz.

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