Trends auf Social Media: Mit einer Spritze zur Wunschfigur?

Die heutigen Schönheitsideale sind uns allen geläufig. Ebenfalls bekannt ist, wie unrealistisch sie mittlerweile sind. Selbst Personen, die Trends vorgeben, greifen inzwischen zu allen möglichen Mitteln, um jung und begehrenswert zu bleiben.
Dies erklärt auch eine weltweite Zunahme an Schönheitsoperationen, und das trotz bekannter Risiken und abschreckender Beispiele (siehe alexandria-Artikel über den Schönheitswahn).

Auf der Suche nach beliebten und auch gefährlichen Trends, die auf Social Media als Beauty-Tipps empfohlen werden, hat das alexandria-Team seinen aktuellen Feed durchstöbert und sich mit dem wissenschaftlichen Hintergrund einiger Themen auseinandergesetzt.

Der natürliche Duft als Aphrodisiakum?

Da wäre zunächst einmal Vabbing. Ein Trend, bei dem die Frauen ihren natürlichsten Duft nutzen. Hierfür wird das Vaginalsekret als Parfum verwendet, das besonders anziehend riechen soll. Genauso amüsant klingt der Vorschlag, Periodenblut als Gesichtsmaske zu nutzen. Die Theorie: Menstruationsblut enthalte wichtige Nährstoffe sowie Stammzellen, welche die Hauterneuerung fördern würden.

Es gibt keine Belege dafür, dass diese Tipps wirken - doch zumindest schaden können sie nicht.
Allerdings stößt man auch auf gefährliche Trends – und diese haben vor allem mit dem Abnehmen zu tun.

Die Kilos einfach wegspritzen

Das Medikament Ozempic (auch unter Wegovy bekannt) wird seit Monaten zur Gewichtsreduktion auf Social Media angepriesen. Einige Influencer:innen teilen auf TikTok ihre Videos, in denen sie sich selbst eine Spritze unter die Haut applizieren und davon schwärmen, wie viel sie mit diesem Wundermittel bereits abgenommen hätten.

Doch worum genau handelt es sich bei diesem Medikament? Der Wirkstoff heißt Semaglutid und gehört zu der Gruppe der GLP-1-Agonisten. Diese so genannten Glucagon-Like-Peptide-1-Rezeptor-Agonisten sind synthetisch hergestellte Polypeptide (aus 10 bis 100 Aminosäuren bestehend), die dem natürlich vorkommenden Glucagon-like Peptide ähneln. Durch diese wird die Sekretion von Insulin stimuliert und die Ausschüttung von Glucagon wird gehemmt.

Insgesamt führt dieser Wirkstoff also zur Speicherung von Glucose (Einfachzucker) als Glykogen (langkettige Kohlenhydrat-Speicherform) in den Muskeln und in der Leber als Energiereserve. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel. Daher wird dieses Medikament zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt (Jurasovic & Bouvier, 2023).

Kann man mit Ozempic abnehmen?

Eine Spritze einmal in der Woche in den Bauch - und die Gewichtsreduktion beginnt… klingt beinahe zu schön, um wahr zu sein. Im Gegensatz zu vielen anderen Trends beruht dieser allerdings nicht auf einem Irrglauben. Mit Ozempic kann man tatsächlich abnehmen.

Als Nebeneffekt verlangsamen diese GLP-1-Rezeptor-Agonisten die Magenentleerung und erhöhen dadurch das Sättigungsgefühl. Ein weiterer Nebeneffekt diese Wirkstoffe ist eine Gewichtsabnahme. Da Diabetes mellitus Typ 2 oftmals durch Übergewicht verursacht wird und damit einhergeht, ist dies im Rahmen der antidiabetischen Therapien sogar ein gewünschter Effekt. Tatsächlich bestätigen zahlreiche Studien eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen um bis zu 15 Prozent (Wilding et al., 2021).

Aus diesem Grund wurde das Medikament im Jahre 2020 von der FDA (Food and Drug Administration) in den USA auch zur alleinigen Behandlung von starkem Übergewicht ohne Vorliegen eines Diabetes mellitus zugelassen. In einigen Studien zeigte die Anwendung von Semaglutid tatsächlich eine schnellere Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Studienteilnehmer:innen als eine alleinige Veränderung des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten (Weghuber et al., 2022).

Nach und nach verbreitete sich nun der Irrglauben, dieses Medikament wäre für alle Menschen, die abnehmen wollen, geeignet.

Spieglein, Spieglein am Handy, sag … habe ich
schon abgenommen?

Immer mehr Nutzer:innen präsentieren stolz, wie die Applikation in den Bauch funktioniert und erläutern ihre bisherigen Erfolge. Zusätzlich werden diese bahnbrechenden Ergebnisse natürlich mit Zahlen und Vorher-nachher-Bildern belegt.

Auch einige Stars und Prominente sprechen sich für diese Abnehmmethode aus. Elon Musk, Gründer von Tesla und mittlerweile Besitzer von Twitter, predigt in einem Twitter-Post die Wirksamkeit des Medikamentes. Er selbst habe dieses zur Gewichtsreduktion eingenommen und sei davon begeistert.
Natürlich sorgt dies für unzählige Nachahmer:innen, die sich von diesem Medikament die versprochene Wirkung erhoffen.

Trend mit weitreichenden Folgen

In den letzten Monaten kam es in Österreich immer wieder zur Medikamentenknappheit. Während es sich bei uns jedoch meist um Bedarfsmedikation handelte, war in anderen Ländern aufgrund des TikTok-Trends auch der Wirkstoff Semaglutid betroffen. Dies war besonders in Australien und Amerika bemerkbar, wo sich der Trend rasant verbreitet hatte. Dadurch hatten Patient:innen, die diese Medikamente wirklich benötigen, keinen Zugriff mehr darauf.

Zusätzlich sind die Kosten nicht zu vernachlässigen. Je nach Bezugsort zahlt man für das Medikament in den USA einige Hundert Dollar. Die Pharmafirma Novo Nordisk gibt die Kosten mit 892,06 US-Dollar an. Natürlich übernimmt eine etwaige Versicherung die Kosten bei einer entsprechenden Indikation (NovoCare, 2023).
Dennoch handelt es sich um eine hohe Summe für eine einmalige Injektion, die wöchentlich angewendet werden muss. Wer in der Lage ist, diese zu zahlen, genießt das schnellere Abnehmen. Aber die hohen Kosten sind nicht der einzige Preis, den man bezahlen muss.

Risiken und Nebenwirkungen

Insulin hat eine blutzuckersenkende Wirkung. Das klingt zunächst vielversprechend. Ist weniger Zucker im Blut nicht automatisch gesünder? Das stimmt nicht so ganz.

Während die Glucose in die Zellen geschleust und dort gespeichert wird (Aufgabe des Insulin), sinkt der Blutzuckerspiegel weiter. Dies kann zu einer Hypoglykämie, also einem Zuckermangel führen.
Betroffen ist hiervon schnell das Gehirn, wodurch es bei starken Hypoglykämien zu Zittern, Schweißausbrüchen, Angstgefühlen, Krampfanfällen und sogar zum Koma kommen kann. Im Gegensatz zu anderen Antidiabetika ist das Hypoglykämie-Risiko relativ gering, doch keineswegs zu verachten - vor allem bei jungen, gesunden Personen, die normalerweise keinen zu hohen Blutzuckerspiegel haben.

Jedes Medikament hat seine Risiken und Nebenwirkungen. Vor allem ein Wirkstoff, der in den hochkomplexen Zuckerstoffwechsel eingreift, kann nicht ohne schwere Nebenwirkungen bleiben.
Oft kommt es nach der Einnahme von Ozempic zu leichten Nebenwirkungen wie Bauchschmerzen, Verstopfung, Erbrechen, Durchfall und Übelkeit.
Die Pharmafirma selbst, welche den Wirkstoff vertreibt, warnt auch vor oben genannten Hypoglykämien, Gallenblasenentzündungen, allergischen Reaktionen, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse und Sehstörungen.

Eine nicht zu vernachlässigende mögliche Nebenwirkung ist das Auftreten von Schilddrüsentumoren. Dazu zählen sowohl gutartige als auch bösartige Krebsarten, wie das medulläre Schilddrüsenkarzinom, das oftmals in Leber und Lunge metastasiert.
Der genaue Zusammenhang zwischen der Einnahme von Semaglutiden und dem Auftreten dieser Krebsarten ist Gegenstand aktueller Forschung. Auffällig ist jedoch das gehäufte Auftreten unter dieser Therapie (Smits & van Raalte, 2021).

Bei einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus kann es zu einer Vielzahl von schweren Langzeitfolgen wie Nierenversagen, Augenerkrankungen, Nervenstörungen und einem stark erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen.
Da die Therapie mit Antidiabetika diesen entgegenwirken kann, überwiegt der Nutzen dieses Medikamentes deutlich das Risiko für solche Langzeitschäden. Wird das Medikament jedoch von gesunden Menschen eingenommen, wiegen die Risiken den Nutzen einer rein kosmetischen Gewichtsreduktion deutlich auf.

Weitere gefährliche Trends

Natürlich handelt es sich bei diesem aktuellen Trend, mittels Semaglutid abzunehmen, lediglich um eine von vielen fragwürdigen Empfehlungen auf Social-Media-Plattformen.
Auch Berichte über die selbstständige Verabreichung von Hyaluronspritzen in die Stirn oder die Unterspritzung der eigenen Lippen, was den teure Gang zu Ärzt:innen ersparen soll, sind derzeit sehr beliebt. In zahlreichen Kommentaren wird dann um eine Anleitung gebeten, damit man dies zu Hause nachmachen kann.

Einer genaueren Kenntnis der Anatomie und etwaiger gefährdeter Gefäße oder Nerven oder gar dem Infektionsrisiko bei eigenständiger Durchführung unter nicht sterilen Bedingungen wird in diesen Aufrufen keinerlei Beachtung geschenkt. Denn wie so oft gilt: Wer schön sein will, muss leiden. Mittlerweile nimmt das Bedürfnis jung, schlank und schön zu sein (oder zu bleiben), immer extremere Züge an. Die eigene Gesundheit wird trotz allem oder auch aus Unwissen in Gefahr gebracht.

Bevor ihr euch also das nächste Mal Tipps zum schnellen Abnehmen, für straffere Haut oder größere Lippen auf Social Media holt – fragt bitte vor dem Nachmachen eure:n Ärzt:in oder eure:n Apotheker:in. Nur zur Sicherheit. Auch wenn Elon Musk etwas anderes twittert.

Dieser Text wurde dankenswerterweise von Die Fehlerwerkstatt Korrektur gelesen.