chemikerin führt experiment durch mit spritze und fläschchen

Ein Text über Experimente, die „harten Wissenschaften“ und die Schwierigkeit, sie auf den Punkt zu bringen. Eine Analogie zwischen naturwissenschaftlicher Praxis und Forschung als Haltung.

„Probieren geht über Studieren“ – dieses Sprichwort kennt wohl jeder: Wenn wir mit unseren Gehirnwindungen an Grenzen stoßen und Stift und Papier allein nicht mehr ausreichen, muss ein Experiment her. Experimente werden in verschiedenen Fachbereichen angewandt, doch vor allem innerhalb der Naturwissenschaften ist es die Methode schlechthin. In Gedanken trägt eine Chemikerin meist einen weißen Labormantel, hantiert zwischen Apparaturen und schillernden Flüssigkeiten – vielleicht ertönt noch ein leises Peng. Ja, in echt ist es nicht wirklich, wie Zaubertränke mischen, aber: Erkenntnisgewinn durch Testen und Probieren sowie Fortschritt durch Messen und Beobachten, das bleiben gleich. Im Folgendem wollen wir uns ansehen, welche Schwierigkeiten das Experiment im naturwissenschaftlichen Forschungsalltag birgt, woher sein Alleinstellungsmerkmal kommt und wie sich sein Standing entwickelt hat.

Anforderungen und Realität im Experiment

Wie gelingt also das perfekte Frühstücksei? Ich persönlich bevorzuge, wenn das Eigelb außen bereits fest ist, aber innen noch einen weichen Kern hat. Da das für jeden individuell ist, sehen wir uns das gesamte Spektrum von weich bis fest an und formulieren folgende Forschungshypothese: „Mit zunehmender Kochzeit wird das Eigelb fester.“ Aber auf welche Weise bewerten wir die Festigkeit des Eigelbs? Rein visuell? Durch verbale Beschreibung? Die Naturwissenschaftlerin in mir möchte am liebsten etwas messen … Da das Festwerden des Eigelbs ein Resultat der Temperatureinwirkung ist, müsste sie umso höher werden, je länger die Kochdauer ist. Die neue Hypothese lautet daher: „Mit zunehmender Kochzeit steigt die Temperatur des Eigelbs.“

Es gibt verschiedene Qualitätskriterien für das wissenschaftliche Experiment: Ergebnisse müssen messbar und nachvollziehbar sein, wiederholbar, vergleichbar, gültig und angemessen dokumentiert (Hoffmann, 2009).

Die Praxis sieht oft anders aus: Ich entscheide mich für die Eier vom Supermarkt, da diese in Größe und Gewicht vergleichbarer sind als jene vom Bauern, und kaufe ein digitales Thermometer. In mein Laborjournal würde ich unter Materialien notieren: ein Topf, sieben Eier (Größe M), Smartphone als Stoppuhr. Bei 94,7 °C gebe ich die Eier nacheinander in den Topf und entnehme sie im 30-Sekunden-Takt, beginnend bei 5,0 Minuten, endend bei 8,0 Minuten. Die Variable „Kochzeit“, wurde also unter kontrollierten Bedingungen verändert. Jedes Ei wird unter kaltem Wasser abgeschreckt, während ich bis zehn zähle. Ich öffne die Eier und messe die Temperatur des Eigelbs mit dem Thermometer.

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