An alle Connaisseurs der Torten und Statistiken: In der zweiten Ausgabe unserer Reihe alexandria erklärt befassen wir uns mit Kreisdiagrammen, auch Tortendiagramme genannt, und gehen der Frage nach, wie sie uns täuschen können.

Der 3D-Effekt

Zuerst schauen wir uns das Ergebnis der österreichischen Nationalratswahl 2019 anhand eines neutralen, zweidimensionalen Diagramms an.

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Abbildung 1: Das Endergebnis der österreichischen Nationalratswahl 2019 (Quelle: bmi.gv.at)

Das zweidimensionale Tortendiagramm gibt einen neutralen Überblick über die prozentuale Verteilung der Wähler:innenstimmen. Der klare Sieger ÖVP ist leicht zu identifizieren, genauso wie die Platzierungen der anderen Parteien. (Anmerkung: Aufmerksamen Leser:innen wird auffallen, dass die Summe der Prozente insgesamt 100,01% ergibt; das ist der Rundung der Prozentwerte geschuldet).
Die jeweiligen Parteien werden nun mehr oder weniger zufrieden sein mit dem Ergebnis. Einige würden gerne den Vorsprung zur Konkurrenz noch deutlicher abbilden, andere ein nicht so tolles Ergebnis schönreden. Wie man das bewerkstelligen kann zeigen dir die folgenden Diagramme.

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Torte_3

Abbildungen 2, 3, 4 & 5: Das Endergebnis der österreichischen Nationalratswahl 2019, aus unterschiedlichen Perspektiven

Wir haben die Prozentwerte in den Abbildungen 2, 3, 4 & 5 absichtlich weggelassen, da dies auch in der Praxis oft der Fall ist und den visuellen Effekt (in diesem Fall durch Weglassen von Informationen) verdeutlicht.
Je nachdem von welcher Abbildung du ausgehst, vermitteln dir die dreidimensionalen Tortendiagramme eine andere Information. Der Wahlsieg der ÖVP wirkt in Abbildung 2 noch klarer. Besonders eindrucksvoll ist der Unterschied zwischen Abbildung 3 und Abbildung 5. Während in Abbildung 3 die SPÖ noch klar vor FPÖ und Grünen liegt, ist dieser Unterschied in Abbildung 5 visuell quasi nicht mehr auszumachen. Warum ist das so?
Durch die Veränderung des Blickwinkels siehst du nun die dritte Dimension der Torte – die Seitenfläche. Das ist jedoch irreführend, da die Seitenfläche eine zusätzliche Information bietet, die zur Verzerrung der Daten führt. Ist eine Partei auf der uns zugewandten Seite der Torte, sehen wir zusätzlich zur Oberfläche der Torte die Seitenfläche ihres „Tortenstücks“. Bei den Parteien auf der uns abgewandten Seite sehen wir deren Seitenflächen nicht. Dadurch ist der Anteil der sichtbaren Fläche (Oberfläche + Sichtbare Seitenfläche) in einem dreidimensionalen Tortendiagramm irreführend: Es profitiert immer die Partei, die im Vordergrund steht.

Fazit: Achte auf die Perspektive!

Das dreidimensionale Tortendiagramm schaut hübsch aus, deswegen wird es dir auch weiterhin bei Berichterstattungen über den Weg laufen. Achte aber immer auf die Perspektive, aus der es dir präsentiert wird! Wenn die Prozentanteile der einzelnen Stücke angegeben sind, orientiere dich lieber an den Zahlen. Wenn nicht, messe dem Diagramm nicht zu viel Bedeutung bei. Für eigene Präsentationen oder Berichte können sich Tortendiagramme gut eignen, um etwa die prozentuale Verteilung von Wählerstimmen zu veranschaulichen. Wähle aber dafür immer die zweidimensionale Version.

Daten, Daten, Daten. Täglich werden wir in den Nachrichten und Zeitungen damit überschwemmt. Zu fast jedem Thema werden uns etliche Zahlen und Grafiken gezeigt. Einige mögen das, andere können damit nicht viel anfangen. Aber wir denken nur selten darüber nach, wie uns diese Daten präsentiert werden. Wir vertrauen einfach diesen Linien, Balken und bunten Tortendiagrammen. Ist das klug?
In der Reihe alexandria erklärt beantwortet dir unser Chefredakteur Christian Bauer diese und einige andere Fragen, die du dir wahrscheinlich noch nie gestellt hast. Einen großen Teil seines Psychologiestudiums verbrachte er in der Welt der Statistik. Und die ist viel faszinierender, als es auf den ersten Blick aussieht.

Im ersten Teil kannst du erfahren, warum zwei Liniendiagramme mit denselben Daten ganz unterschiedlich aussehen können.

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