Das Salzkammergut ist in diesem Jahr die Kulturhauptstadt Europas - und das mit Sicherheit zu Recht. Denn neben vielen geschichtsträchtigen Schauplätzen und unberührter Natur befindet sich auch die Marktgemeinde Hallstatt in der Region.
Im ersten Teil des Artikels suchen die Archäolog:innen in Hallstatt nach Schätzen im Boden und sichern ein Gelände. Außerdem gibt alexandria einen Einblick in die Hallstattkultur, die schon vor Christi in Österreich Salz abbaute und Handel betrieb. Doch was geschieht mit den archäologischen Stücken, nachdem sie gefunden wurden? Und wie lassen die Wissenschaftler:innen ihren Tag in der Schmied'n ausklingen? Das erfährt ihr hier.
Waschen & Mikroskopieren: Auf der Suche nach dem winzigen Schatz in der Erde
Die Archäologie beinhaltet nicht nur die Untersuchung im Feld. Ein ebenfalls bedeutender Teil ist die Begutachtung der Funde, die im Büro oder in einem Labor erfolgt. Wenn man beim Haupteingang der Schmied’n nach rechts geht und einen Raum mit einem alten, perfekt konservierten Baumstamm durchquert, gelangt man in ein zunächst unscheinbares Büro mit mehreren Schreibtischen.
Gleich im Anschluss befindet sich ein kleines, überdachtes Labor im Freien. Siebe mit verschiedensten Maschengrößen sind feinsäuberlich geordnet, ein Becken ist mit Wasser gefüllt. Hier werden die zuvor genommenen Proben sortiert und gewaschen. Herzstück ist ein großes Gerät mit einfacher Funktion: In diesem kann man Fundstücke aus Erde herauslösen, die man ansonsten eventuell übersehen würde.
Ausgebuddelte Erde, die vermeintlich bedeutend sein könnte, wird hier gesammelt und in den Apparat gegeben. "Das Wasser strömt von unten herein und fließt nach oben", erklärt Silvia Wiesinger, eine Archäo-Botanikerin. Dort kommt es in Kontakt mit der Erde. "Alle Dinge, die ein leichteres spezifisches Gewicht haben als Wasser, steigen an die Oberfläche."
In diesem Gerät wird die Erde gewaschen und die Fundstücke abgetrennt.
Sie beugt sich über das Gerät, ihre behandschuhten Finger rühren das bräunliche Wasser um und versuchen, die Erde vorsichtig zu lockern. Schweres Material wie Keramik und Steine sinken ab und akkumulieren sich am Boden. Am oberen Ende des Geräts ist eine Öffnung, durch die das Wasser wieder hinaustritt. Dort fließen die leichten Funde, die weniger wiegen als das Wasser, ebenfalls ab und werden in einem Sieb aufgefangen.
Zumeist bleiben hier verkohlte Pflanzenreste und Holzkohle hängen. "Verkohltes Pflanzenmaterial ist sehr druckempfindlich." Deswegen werden diese Funde mit besonderer Vorsicht behandelt. Die Stücke werden dann erstmals getrocknet, schildert die Archäo-Botanikerin.
Zurück in ihrem kleinen Büro analysiert sie diese genauer. Mit einem Auflichtmikroskop beschreibt sie, wie das Material aussieht und welche Strukturen es aufweist. Diese Dokumentation ist wichtig, falls das verkohlte Pflanzenmaterial zu einem späteren Zeitpunkt weiter untersucht wird. Holzkohle kann zur zeitlichen Datierung oder der Rekonstruktion von Umweltbedingungen verwendet werden.
Auch Gesteine und Mineralien werden in diesem kleinen Labor grob untersucht und es wird vorab abgeschätzt, worum es sich handeln könnte. Dies kann von großem Interesse für Archäolog:innen sein, denn dadurch kann unter Umständen festgestellt werden, welches Material für Schmuck, Waffen oder Ähnliches verwendet wurde. Durch diverse Analysen könnte man letztlich feststellen, ob die Gesteine aus der Umgebung stammen oder eine Interaktion mit anderen Kulturen stattfand und das Material gehandelt wurde.
Restaurieren und Verpacken: Fertig für die Reise zum Museum
Größere Fundstücke landen indes bei Restauratorin Franziska Kleinschmidt für einen ersten Waschgang. Wenn die Objekte frisch vom Schnitt in die Schmied’n kommen, kann man einen Knochen noch kaum von einem Holzstück unterscheiden. In einem lauwarmen Wasserbad entfernt Kleinschmidt den gröbsten Dreck mit einer weichen Zahnbürste. Die Temperatur des Wassers ist wichtig: zu kalt und die Erdreste lassen sich nur schwer vom Fundstück lösen, zu heiß und das Material wird geschockt und weiter geschädigt. Wenn ein Objekt besonders genau gereinigt werden muss, verwenden die Restaurator:innen gerne ihren sogenannten "Zwirbelwal". Diese eigens kreierte Düse bläst Wasser und Luft in einer Wirbelbewegung auch in die kleinsten Ritzen der Fundobjekte, um hartnäckigen Schmutz herauszulösen.
Die Restauratorin ordnet die Fundstücke aus Hallstatt feinsäuberlich.
Die gewaschenen Gegenstände werden dann nach Material sortiert. Die ausgegrabenen Knochen, Keramiken, Metalle, Steine und andere Funde werden jeweils einige Tage zum Trocknen in Kisten aufbewahrt. Archäometriker:innen, die die archäologischen Fundstücke naturwissenschaftlich untersuchen, können die Objekte dann auch noch datieren und weiter nach Epochen ordnen.
Die Restauratorin Franziska Kleinschmidt füllt die Fundstücke zum Schluss in kleine Plastikbeutel, die sie luftdicht verschließt. Organische Materialien, wie Holz oder Stoffreste, bleiben jedoch feucht am besten erhalten. "Damit das Ganze nicht austrocknet, werden Organiken nur leicht abgetrocknet und in feuchtem Zustand eingeschweißt", erklärt die Restauratorin. "Es kann sich auch kein Schimmel bilden, weil der Sauerstoff, der im Beutel ist, nach kurzer Zeit aufgebraucht wird. Falls also Mikroorganismen drin sein sollten, sterben diese dann ganz von allein."
Die Fundstücke werden zumeist luftdicht verschlossen.
Kleinschmidt zeigt eine eingeschweißte spiralförmige Bronzefibel, eine Art Brosche, mit der man in der Hallstattzeit (ca. 800 v. Chr. Bis 450 v. Chr.) die Kleidung zusammenhielt. Besonders wertvolle Gegenstände wie diese werden mit zusätzlichen Sauerstoffabsorbern verpackt, um eine Korrosion des Metalls zu verhindern. Poröse und brüchige Funde bettet die Restauratorin auf eine weiche Polsterung, damit sie die Fahrt zum Museum unbeschadet überstehen. Nicht alle Gegenstände werden im Museum gleich weiter untersucht oder dort gelagert. Einige verstauen die Forschenden auch im Depot des Salzbergwerks. "Im Berg herrscht das perfekte Klima, denn das bleibt immer bei 8 Grad", erklärt Kleinschmidt. "Temperaturschwankungen sind der größte Feind, gerade für organische Materialien und so ein stabiles Klima hat man in keinem Museumsdepot."
Draußen vor der Schmied’n steht die Sonne bereits tief. Der Arbeitstag neigt sich dem Ende zu.
Die Krönung der Zivilisation?
In der Schmied’n ist es üblich, dass zwei Archäolog:innen früher von der Grabungsstätte zurückkehren und für die gesamte Gruppe ein Abendessen zubereiten. In Töpfen so groß wie Fässer werden Nudeln, Saucen oder Reis gekocht. Um fünf Uhr kommen dann alle Forschende nach und nach in die Schmied’n zurück. Es war ein langer Tag mit harter körperlicher Arbeit - deswegen müssen die hungrigen Mäuler gestopft werden. Jede:r hilft mit, Teller, Gläser und Gekochtes von der Küche ins Erdgeschoss zu tragen.
Bei schlechtem Wetter setzen sich alle in den Raum, der früher als Schmiede genutzt wurde. Er wird dominiert von der großen Schmiedeesse, die in der Mitte des Zimmers thront. Alles andere erinnert aber an eine Zeit, die noch länger zurückliegt: An den Wänden befinden sich Säcke, mit denen im 19. Jhdt. das Salz aus dem Bergwerk transportiert wurde. Weitere raumschmückende Objekte, bei denen es sich um experimentalarchäologische Nachbildungen handelt, erinnern gar an prähistorische Funde.
In dieser Atmosphäre gesellen sich alle an den langen, rustikalen Tisch, essen und scherzen. "Wer will ein Bier?", fragt jede:r, der sich erhebt und Richtung Kühlschrank geht. Auf diesem hängt eine "Bierliste", wo zur Abrechnung mit Stricheln eingetragen wird, wer wie viele getrunken hat.
Wenn die Forschenden hier zusammen den Tag ausklingen lassen, spürt man, dass die Ausgrabungszeit nicht nur von anstrengender physischer und intellektueller Arbeit geprägt ist. Der Aufenthalt am Berg schafft eine ganz besondere Gemeinschaftlichkeit zwischen den Beteiligten. Die Schmiede fungiert im Sommer als ihre große WG, mit Bewohner:innen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Interessen. Man isst zusammen, putzt zusammen, lacht zusammen, streitet und versöhnt sich. Manche sind zum ersten Mal Teil der Gemeinschaft, andere sind schon seit Jahren jeden Sommer dabei. Auch diese soziale Komponente macht die Forschungsarbeit in Hallstatt so außergewöhnlich.
Der alte Schmiedeplatz stellt den Raummittelpunkt dar.
Nach dem Nachtmahl reflektiert das Team über den vergangenen Tag. Sie erzählen Geschichten und plaudern aus dem Nähkästchen. Warum sie die Archäologie in Hallstatt so fasziniert? Grabungsleiter Rudorfer hat eine bewegende Antwort: "Man versucht herauszufinden, wie die Leute damals drauf waren und sieht dann, dass sie sich gar nicht so sehr von uns heute unterscheiden. Die konnten vieles genau so gut, manches sogar besser als wir jetzt. Dadurch lernt man sich selbst als Mensch besser verstehen und erkennt, dass wir heute vielleicht doch nicht die Krönung der Zivilisation sind."
Bevor es zu Bett geht, schleichen sich manche noch ein letztes Mal ins Freie. Die frische Bergluft dringt tief in die Lungen ein. Ein paar Schritte entfernt von der Schmied’n hört man nur noch die Zikaden zirpen, den Bach fließen und Gebüsche rascheln. Es gibt kein Licht, das die Natur durchdringt. Dann wird man Zeuge eines besonderen Naturschauspiels: Entlang des Wegs zur Seilbahn tummeln sich dutzende Glühwürmchen zwischen den Fichtenbäumen.
Keine Menschenseele befindet sich hier, wo vor über 2.000 Jahren um dieselbe Uhrzeit sicherlich schon die meisten Hallstätter schliefen. Am nächsten Morgen mussten sie früh aufstehen und im Salzbergwerk arbeiten.
Wenn man sich langsam wieder der Schmied’n nähert, dringt ein Geräusch der Zivilisation ans Ohr: Die letzten Archäolog:innen plaudern noch vor den Türen des alten Hauses.