Kind geht auf Weg

Wie ist es, Mutter zu werden? Was passiert während der Schwangerschaft, bei und nach der Geburt mit dem Körper? alexandria-Redakteurin Teresa beschreibt ihre Erfahrungen und erklärt die Wissenschaft dahinter. 

Dieser Beitrag ist Teil unseres Schwerpunkts zum Thema "Parenting". Den ganzen November beschäftigt sich alexandria mit der Wissenschaft ums Elternwerden.

„Man weiß erst, wie es ist, wenn man es selbst erlebt hat.“

Wie oft ich das gehört habe. Jetzt weiß ich, wie es ist. Ich weiß, wie es ist, Mama zu werden. Das begann für mich schon mit der Befruchtung einer meiner Eizellen. Denn ab der Kenntnis über das Elternwerden hat das Sorgen und Umsorgen begonnen.
Meine persönlichen Freiheiten wurden eingeschränkt, meine Fähigkeit, für jemand anderen immer da zu sein – sowohl körperlich als auch emotional – wurde auf die Probe gestellt. Während vierzig Schwangerschaftswochen entstand eine Abhängigkeit der besonders schönen Art, die nach der Geburt nicht vorbei war. Denn Mama bleibt man für immer.

Aller Anfang ist schwer?

In diesem Fall nicht. Denn am Anfang steht der Sex. Dabei vereinigte sich ein Spermium der 50 bis 150 Millionen Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit meines Partners mit meiner reifen Eizelle und nistete sich in meiner Gebärmutterwand ein. Biologie ist eben nicht besonders romantisch.

Ungefähr 2 bis 5 Milliliter Samenflüssigkeit wird pro Ejakulation freigesetzt. Sie wird während der dritten Phase der sogenannten menschlichen sexuellen Reaktion ausgeschüttet. Insgesamt gibt es vier Phasen. Selten hat sich Sex so fad und zugleich so genau beschreiben lassen wie mit diesen vier Phasen.

Die erste Phase: die Erregung, welche durch eine Blutstauung, eine hohe Herz- und Atemfrequenz und einen hohen Blutdruck gekennzeichnet ist. Diese Erregung bleibt auf diesem intensiven Niveau in der Plateauphase (zweite Phase), bis es zur dritten Phase – dem Orgasmus – kommt. Mehrere rhythmische Muskelkontraktionen, ein weiterer Anstieg des Blutdrucks, der Herzfrequenz und der Atemfrequenz finden statt. Die letzte Phase: die Auflösungsphase, der nicht erregte Zustand danach.

Dieses besondere Mal, das meinen Partner und mich schließlich zu Eltern machte, fühlte sich genauso an wie jedes andere Mal davor. Es hat genauso viel Spaß gemacht, war genauso schön. Bis zum Ausbleiben meiner Menstruation wusste ich nicht, dass sich danach nicht nur mein Leben stark verändern würde, sondern auch mein Körper.
Plötzlich blieb meine monatliche Regelblutung aus. Selbst als sie schon eine Woche ausgeblieben war, dachte ich mir noch nichts dabei. Um mich aber zu vergewissern, holte ich mir einen Schwangerschaftsschnelltest.

„Möchtest du dir nicht gleich einen zweiten mitnehmen – sicherheitshalber?“, fragte mich der nichtsahnende werdende Vater. „Wozu denn?“, meinte ich nur. Denn die Menstruation kann auch durch Stress ausbleiben. Das kennt man beispielsweise von Athletinnen oder aus lern- oder arbeitsintensiven Zeiten.

Ein Schwangerschaftsfrühtest basiert auf dem Antikörper-Antigen-Prinzip, ist also ein immunchemischer Test. Dieses Prinzip wird auch bei Corona-Antigentests eingesetzt. In diesem Fall ist das Antigen das humane Choriongonadotropin (hCG), ein Hormon, das zum Erhalt der Schwangerschaft dient und im Urin nachgewiesen werden kann. Der Teststreifen ist mit hCG-Antikörpern beschichtet. Kann im Urin hCG nachgewiesen werden, schlägt die Farbe des Teststreifens zusätzlich zum Kontrollstreifen um.

hCG wird etwa acht Tage nach der Befruchtung einer Eizelle gebildet. Bei Ausbleiben der Menstruation, also 14 Tage nach der Befruchtung, ist dieser Schnelltest schon sehr genau. Ich machte meinen Test 21 Tage nach der Befruchtung. Der Test war positiv. Die Aufschrift auf der Verpackung des Schnelltests versprach eine 99-prozentige Richtigkeit des Testergebnisses.

Ich glaubte dem Test trotzdem nicht. Wir holten einen zweiten und einen dritten von einer anderen Marke, mit anderer Anzeige. Selbes Ergebnis.
Was war also passiert? Wie kam es zu dem erhöhten hCG in meinem Urin?

Der weibliche Fortpflanzungszyklus besteht aus zwei Phasen. In der ersten Phase findet die Entwicklung und Freisetzung der reifen Eizelle (Eisprung) statt, in der zweiten baut sich die Gebärmutterschleimhaut auf und bereitet sich auf die Einnistung der befruchteten Eizelle vor.

Die beiden Phasen werden durch die Freisetzung von zwei Hormonen stimuliert: dem follikelstimulierenden Hormon (FSH) und dem luteinisierenden Hormon (LH). FSH und LH stimulieren u.a. die Freisetzung des Hormons Östrogen. LH stimuliert zusätzlich den Eisprung und die Bildung des Gelbkörpers, welcher Progesteron und Östrogen freisetzt. Progesteron und Östrogen sind verantwortlich für die Vorbereitung der Gebärmutterschleimhaut und der Milchdrüsen für die Milchproduktion. Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft werden die Hormonlevel von Progesteron und Östrogen durch die Plazenta aufrechterhalten, die sehr wichtig für den Fortlauf der Schwangerschaft sind.

Erdäpfelsalat statt Kaffee

Ich muss schon zugeben: Als ich das Testergebnis letztlich akzeptierte, war ich ganz schön durch den Wind. Die ein oder andere Träne floss. Ich war mit der neuen Situation etwas überfordert. Dass die hormonelle Umstellung ihr übriges tat und ich jetzt sehr nahe am Wasser gebaut war, merkte ich schnell – und alle um mich herum auch. Ich war müde und gereizt. Da war ich bereits in der 6. Schwangerschaftswoche angelangt, also fünf Wochen schwanger.

Die Schwangerschaftswochen (SSW) beginnen mit dem ersten Tag nach der letzten Menstruation. Da ist man klarerweise noch nicht schwanger, erst ungefähr zwei Wochen später, je nach Länge des Fortpflanzungszyklus, aber diese Zählweise erlaubt eine verhältnismäßig genaue Berechnung des Geburtstermins.
Von den fruchtbaren Tagen bis zum Einsetzten der Menstruation sind es ziemlich genau 14 Tage, unabhängig von der Länge des Fortpflanzungszyklus, der 24 bis 26 Tage dauern kann. Nach dieser Zählweise der Schwangerschaftswochen ist eine Frau zirka vierzig Wochen schwanger.

Ab der 9. SSW bezeichnet man das neue Leben nicht mehr als Embryo, sondern als Fötus. Und ungefähr ab dieser Zeit kann man den Herzschlag mithilfe eines Ultraschallgeräts hören. So ließ ich mir von der Frauenärztin meine Schwangerschaft bestätigen.

Ultraschall im Juni

Ultraschallbild im 2. Schwangerschaftsmonat (© Teresa König)

Jetzt war es offiziell. Und ich wusste dennoch nicht so recht, was ich jetzt tun sollte.

Im Nachhinein fällt es mir schwer, mich ehrlich an meine ersten Gedanken zu erinnern und sie hier festzuhalten. Ich wollte mich freiwillig für oder gegen eine Schwangerschaft entscheiden können. Deshalb schloss ich auch einen Schwangerschaftsabbruch – eine Abtreibung – nicht von Anfang an aus. Diese wäre innerhalb der ersten fünfzehn SSW in Österreich legal. In bestimmten Ausnahmen kann auch ein Spätabbruch, also nach Beginn der 16. SSW, durchgeführt werden.

Es fällt deshalb schwer, mich an diese Momente zu erinnern, weil ich jetzt weiß, dass alles gut gegangen ist. Weil ich weiß, dass ich Unterstützung – sowohl emotionaler als auch finanzieller Art – bekommen habe. Ich weiß aber auch, dass nicht jede Frau in meiner Lage ist. Für mich war zwar der Zeitpunkt ungeplant, aber nicht ein Kind an sich. Und meine Umstände haben es erlaubt, einem Kind eine Zukunft bieten zu können.

Nach unserer Entscheidung riefen wir eine Hebamme an. Das ist in der Regel kein Muss, ich wollte es aber so.
Außerdem meldeten wir den kleinen Zwerg, der zu diesem Zeitpunkt weder geboren war noch einen Namen hatte, gleich für die Kleinkindgruppe im Kindergarten an. Da war ich erst in der 11. SSW. Wir wussten aber, dass diese Plätze begrenzt sind. Das Elternsein beginnt eben schon sehr früh.

Was dann folgte, waren Übelkeit und Müdigkeit. Noch dazu kombiniert mit einer Abneigung gegenüber Kaffee. Das war überraschend, denn ich liebe Kaffee! Der Gang durch die Kaffeeküche in der Arbeit war ungefähr drei Monate, also das erste Trimester, eine echte Herausforderung. Ich wollte mich nicht vor den Arbeitskolleg:innen übergeben müssen.

Bis zum dritten oder vierten Schwangerschaftsmonat werden die zwei wichtigen Hormone Östrogen und Progesteron vom Gelbkörper im Eierstock produziert, erst danach durch die Plazenta, welche erst im vierten Monat vollständig ausgebildet ist.
Auch das humane Choriongonadotropin (hCG) wird von einem Teil der Plazenta, dem Chorion, abgesondert. hCG regt wiederum den Gelbkörper zur Hormonproduktion an. Im vierten und fünften Monat beginnt der hCG-Spiegel bis zur Geburt zu sinken. Progesteron ist wichtig, um die Gebärmutterschleimhaut zu entspannen, den Gebärmutterhals aber fest versschlossen zu halten.

Hormone in der Schwangerschaft

Wichtige Hormone während der Schwangerschaft

Und unglaubliche Lust auf Erdäpfelsalat hatte ich. In Lokalen wurde ich immer etwas fragend angesehen, als ich nur eine große Portion Erdäpfelsalat bestellte, denn vom Bauch war im ersten Trimester noch nichts zu sehen. Aber die Brüste wurden auf einmal um zwei Nummern größer. Diese Hormone! Ich ging also neue BHs kaufen.

Schmetterlinge im Bauch

Während ich meine körperlichen Veränderungen bemerkte, konnte ich die Entwicklung des Fötus nur auf den Ultraschallbildern sehen. Vom zweiten Schwangerschaftsmonat bis zum fünften Schwangerschaftsmonat wurden die Körperteile des Ungeborenen schon deutlicher.
Der Kopf war gut zu sehen, auch der Bauch, die Beine und sogar die Wirbelsäule, da sich die weichen Knorpel zu verknöchern begannen. Der ungefähr zwanzig Zentimeter große Fötus begann zu schlucken, seine Augen zu bewegen und hell und dunkel zu unterscheiden. Er nahm erste Geräusche wahr. Und ich konnte erste Bewegungen als ein leichtes Kitzeln spüren, als hätte ich einen kleinen Schmetterling im Bauch.

Ultraschall im August

Ultraschallbild des Embryos im 5. Schwangerschaftsmonat (© Teresa König)

Das zweite Trimester verlief unspektakulär. Langsam konnte man meinen Bauch sehen. Die Gebärmutter hatte jetzt den größten Teil der Beckenhöhle eingenommen. Es tat sich aber viel mehr in der Entwicklung des Fötus. Gehirn, Nervensystem und Reflexe entwickelten sich rasch, erste Darmaktivitäten waren in dieser Phase möglich.

Im dritten Trimester waren sowohl meine körperlichen Veränderungen als auch die des Fötus deutlicher zu spüren. Ich nahm etliche Kilogramm zu: durch Fötus, Fruchtwasser, Plazenta, Gebärmutter, gesteigerten Appetit und einen erhöhten Gesamtwassergehalt des Körpers.

Die normalerweise 60 bis 80 Gramm wiegende Gebärmutter wuchs auf ein Gewicht von 900 bis 1.200 Gramm an.
Das sich formende Hohlkreuz bereitete bald Schmerzen und durch den erhöhten Blutfluss zur Plazenta und den erhöhten Stoffwechsel stiegen meine Herzfrequenz und mein Blutvolumen zwischen 20 und 50 Prozent an. Um den Blutfluss zur Gebärmutter nicht zu reduzieren, durfte ich nicht mehr auf dem Rücken liegen. Die vergrößerte Gebärmutter hätte sonst die Aorta zusammengedrückt.

Wasser in den Beinen wegen dem verminderten venösen Rückfluss waren daher auch keine Überraschung. Nicht nur, weil ich schon so viel zugenommen und sich mein Umfang beträchtlich verändert hatte, sondern auch, um den erhöhten Sauerstoffbedarf zu decken, keuchte und schnaufte ich nun beim Spazierengehen.
Bei all diesen Veränderungen war es kein Wunder, dass ich immer sehr müde war.

Es wird angeklopft

Das Ungeborene, das immer mehr und mehr einem Baby glich, nahm rasch an Gewicht zu und reifte weiter heran. Fingernägel und Haare wuchsen, es konnte die Augen öffnen, begann einen Schlaf-Wach-Rhythmus auszubilden und auf Geräusche und Berührungen von außerhalb zu reagieren.

Gegen Ende der Schwangerschaft füllte die Gebärmutter die gesamte Bauchhöhle aus und reichte bis oberhalb des Rippenrands. Die Eingeweide, die Leber und der Magen wurden nach oben gehoben, ebenso das Zwerchfell.

„Wie lange Sex in der Schwangerschaft möglich ist?“, fragte ich mich. Wir probierten es aus. Von unserer Hebamme ließ ich mir sagen, dass es so lange erlaubt war, wie es uns freute. Gegen Ende der Schwangerschaft konnte es sogar zu mehr Entspannung führen, was auch für die Geburt von Vorteil war. Es ging nur einfach nicht mehr alles, denn ab dem 7. Schwangerschaftsmonat begann der Bauch einfach oft im Weg zu sein.

Der kleine Zwerg beanspruchte schon viel Platz und fing an, sich bemerkbar zu machen. Fußtritte, ein Stoß mit dem Kopf gegen die Eingeweide oder die Bauchdecke. Die Turnübungen konnte man von außen deutlich sehen. Und spüren umso mehr. Im Bauch blieb für meine Organe immer weniger Platz. Ich konnte nicht mehr viel auf einmal essen, ohne sauer aufzustoßen. Und ich musste ständig auf die Toilette, da der Kopf des Ungeborenen gegen die Blase drückte und die Nierenfunktion erhöht war, um auch die Abfallstoffe des Fötus ausscheiden zu können. Gegen Ende der Schwangerschaft brauchte ich Hilfe, um mir die Schuhe zu binden.

Von zwei auf drei

In diesem walrossartigen Zustand wartete ich auf den Moment, in dem ich in einem nassen Bett aufwachen würde. Ich wartete auf den Blasensprung, wie man ihn aus vielen Filmen kennt. Tatsächlich aber beginnen nur zirka zehn Prozent der Geburten mit einem Blasensprung, die anderen neunzig mit den Wehen. Das erste Anzeichen, dass die Geburt bald bevorstehen könnte, war der sich lösende Schleimpfropf, der den Gebärmutterhals während der Schwangerschaft verschlossen hielt. Ein zäher Schleim löste sich ein paar Tage zuvor.

Wie jeden Morgen ging ich auf die Toilette, entleerte meine Blase und wischte trocken. Doch egal wie oft ich wischte, ich wurde nicht trocken. Ich legte mir eine Einlage ins Höschen, setzte mich zum Frühstück. Dann dämmerte es mir: Ich gehörte zu den zehn Prozent. Die Geburt unserer Tochter begann mit einem Blasensprung um 9 Uhr morgens.

Wir riefen die Hebamme an. Sie kam und bestätigte den Blasensprung mit einem Test, der den pH-Wert maß. Da Urin saurer ist, also einen niedrigeren pH-Wert hat als Fruchtwasser, können die beiden Flüssigkeiten gut voneinander unterschieden werden.

Ins Krankenhaus musste ich wegen des Blasensprungs liegend transportiert werden. Die Rettung holte uns ab. Bis ein paar Stunden nach der Geburt wich der werdende Papa nicht von meiner Seite. Er erlebte alles mit und half mir, durchzuhalten.

Die Stunden bis zum Einsetzten der Wehen vergingen schleppend. Ich sollte mich ausruhen. Ich versuchte es. Aber ich konnte kein Auge zu tun. Ich würde meine Kraft noch brauchen. Doch die Aufregung war zu groß.

Um 15 Uhr begannen die Schmerzen. Die Vorwehen setzten ein. Ich erwartete die Schmerzen im Bauch, ungefähr da, wo bis zur Schwangerschaft meine Gebärmutter gelegen hatte. Falsch gedacht. Es zog zwar überall, doch die stärksten Schmerzen spürte ich im unteren Rückenbereich. Ich duschte lange warm gegen den Schmerz.

Wehen können erst einsetzten, wenn die Wirkung des Hormons Progesteron nachlässt, denn Progesteron hemmt die Uteruskontraktionen. Gegen Ende der Schwangerschaft steigt der Östrogenspiegel im Blut, welches die Wirkung des Progesterons überwindet und die Anzahl an Oxytocin-Rezeptoren auf den Muskelfasern der Gebärmutter erhöht. Oxytocin, bekannt als „das Kuschelhormon“, stimuliert die Uteruskontraktion.

Relaxin ist ebenfalls ein wichtiges Hormon. Zum Zeitpunkt der Einnistung der befruchteten Eizelle trägt es zur Entspannung der Gebärmutterschleimhaut und damit zur erfolgreichen Einnistung bei. Während der Entbindung ist es für die Flexibilität der Schambeinfuge verantwortlich und hilft bei der Erweiterung des Gebärmutterhalses.

Im Kreißzimmer des Krankenhauses bekam ich meine erste Antibiotikainfusion. Mein Blasensprung war bereits über zwölf Stunden her und das Baby noch nicht da. Infektionen sollten durch das Antibiotikum verhindert werden.

Die Krankenhaustasche stand im Kreißzimmer griffbereit. Voll gepackt mit Snacks, ein wenig Gewand für mich und das Baby. Ein paar Tage zuvor rief ich eine Freundin mit Kindern an. Ob denn das von mir eingepackte Gewand denn überhaupt für den Heimtransport reiche? Ich bemühte mich, an alles zu denken. Doch die Zweifel kamen immer wieder – meist wegen Kleinigkeiten. Wie muss das erst nach der Geburt sein? Bei einem Baby und dann einem Kind kann man doch alles falsch machen? Ich kontrollierte noch einmal das Gewand, den Wickeltisch, den Kinderwagen, den Babyautositz … das war wohl der Nestbautrieb.

Doch im Kreißzimmer verschwanden diese Gedanken. Es war, als würde ein Nebel über meinem Verstand liegen. Die Abstände zwischen den Eröffnungswehen verkürzten sich – aber nur sehr langsam. Ich versuchte immer wieder die Augen zu schließen und zu ruhen, bis mich die nächsten Schmerzen wach rissen.

Ich lag halb aufgerichtet auf einem großen und breiten Geburtsstuhl. Wenn ich meinen Kopf überstreckte und hinter mir auf die Wand schaute, konnte ich die digitale Uhr sehen. Sie leuchtete rot. Wieso denn das alles so lange dauert, fragte ich mich. Die Schmerzen wurden stärker, ich bekam Schmerzmittel – zuerst etwas zu stark eingestellt, was mir zu einem der wenigen sehr klaren Momente während der Geburt verhalf.
„Wieso tut man sich sowas öfter an?“, fragte ich meinen Partner und die Hebamme.

Es war schon Mitternacht, als ich in die Badewanne stieg, um die Schmerzen zu lindern. Die Geburt ging nur sehr langsam voran. Zwei Stunden lag ich im warmen Wasser. Zwischendurch bekam ich wieder Infusionen: Antibiotikum und Elektrolyte. Die Hebamme gab mir Zeit, um von den Eröffnungswehen zu den Übergangswehen zu kommen. Es wollte nicht klappen. Ich war sehr erschöpft. Der werdende Papa versuchte mit Müsliriegeln meinen Energiespeicher zu füllen. Die Herztöne des Ungeborenen wurden die ganze Zeit kontrolliert.

Atmen & Pressen

In den Morgenstunden kontrollierte die Hebamme erneut meinen Muttermund. Mit der Breite ihrer Finger maß sie die Öffnung am unteren Ende der Gebärmutter. Für die Geburt muss der Muttermund so weit geöffnet sein, dass der Kopf des Babys durchpasst. Das sind ungefähr zehn Zentimeter. Ich bekam ein wehenförderndes Mittel und versuchte, in einer anderen Position weiterzumachen. Die Wehen hörten auf.

Ich wurde auf die Toilette geschickt und sollte dort versuchen, „groß zu machen“. Ich hatte die längste Zeit eine falsche Vorstellung vom Gefühl der Geburt – falls man sich das überhaupt richtig vorstellen kann. Vielleicht hätte ich mich besser informieren sollen?

Von den sehr intensiven Übergangswehen zu den Presswehen verging die Zeit sehr schnell. Oxytocin wurde in großen Mengen ausgeschüttet, damit die Presswehen einsetzen und ich den Schmerz besser vergessen konnte. Die Presswehen fühlten sich an, als müsste ich dringend „groß machen“. Ich konnte auf der Toilette fast nicht sitzen, danach fast nicht stehen und nicht gehen. Ich wurde ins Kreißzimmer zurückbegleitet, allein war jetzt gar nichts mehr möglich. Ich dachte, ich würde das nicht hinbekommen. Wollte einfach damit aufhören. Doch ich wusste, dass ich da durchmusste. Ich musste noch durchhalten.

Dann versuchte ich nur noch das zu machen, was die Hebamme sagte. Ich atmete, so wie sie es mir riet, presste, wenn sie es verlangte, und quetschte die Hand meines Partners. Ich spürte, wie mich die Hebamme immer wieder abwischte. Das musste wohl der Stuhl sein, der unausweichlich aus mir herauskam, zusammen mit Fruchtwasser und Blut. Ich spürte, wie mein Kopf rot wurde, als ich presste. Ich schrie. Versuchte, wieder zu atmen und zu pressen. Ich spürte den Babykopf zwischen meinen Beinen. Befolgte wieder die Anweisungen. Und hörte schließlich ein Platschen. Es war das Fruchtwasser, dem der restliche Babykörper folgte. Ein zartes Geschrei.
Es war 5 Uhr 30.

Ohr eines Babys

Klein, ein bisschen verschrumpelt, ganz warm und die Nase etwas verbogen. Dann schaute sie uns an mit ihren großen blauen Augen. Mir kamen die Tränen. Wie war denn so etwas möglich? Die kleinen Fingerchen schlossen sich um die des Papas. Der kleine Mund suchte ganz von selbst nach der Brustwarze und versuchte sich in den ersten Saugbewegungen.

Die Wehen während der Geburt werden durch einen positiven Rückkopplungszyklus gesteuert. Solange die Muskeln des Gebärmutterhalses durch den Körper des Babys gedehnt werden, bleibt die Wehentätigkeit, also die Kontraktion des Uterus, aufrecht und die erforderlichen Hormone werden weiter produziert.
Lässt die Dehnung des Gebärmutterhalses aber plötzlich nach, wird auch die Wehentätigkeit reduziert, also die Kontraktionen der Gebärmutter, die das Baby aus dem Körper der Mutter schieben. Auch der Progesteron- und Östrogenspiegel sinken nach der Geburt auf das Level vor Beginn der Schwangerschaft. Der erhöhte Hormonspiegel ist nur zum Fortlauf der Schwangerschaft bis zur Geburt erforderlich.

Ein oder zwei Mal noch sollte ich pressen – die Nachwehen halfen, Plazenta und Eihäute abzustoßen. Jetzt konnten die Blutgefäße in der Gebärmutter beginnen, sich zusammenzuziehen und die Blutung zu stoppen. Dieses Zusammenziehen der Gebärmutter und die Blutung begleiteten mich noch ein paar Wochen nach der Geburt. Vor allem das Stillen unterstützte die Rückbildung meiner Gebärmutter und das Verheilen von einem Labienriss.

Ein kleines Säugetier

Die Milchproduktion wird durch das Hormon Prolaktin angeregt. Prolaktin steigt im Laufe der Schwangerschaft, wird aber durch das Progesteron gehemmt. Da nach der Geburt der Östrogen- und der Progesteronspiegel absinken, kann Prolaktin wirken. Um den Prolaktinspiegel aufrecht zu erhalten, ist das Saugen des Neugeborenen wichtig. Während Prolaktin die Milchproduktion anregt, ist Oxytocin für die Freisetzung der Milch in die Milchgänge verantwortlich, was ebenfalls durch das Saugen oder auch das Schreiben des Babys angeregt wird.

Nicht nur der hohe Nährstoffgehalt ist ein großer Vorteil der Muttermilch, sondern auch die Weitergabe von Zellen, weißen Blutkörperchen, schützenden Antikörpern (Immunglobolin A) und vielen anderen Bestandteilen, die den Säugling besonders gut schützen und für ein optimales Wachstum und eine gute Entwicklung sorgen können.

Hand eines Babys

Eltern sein

Die Geburt war gut verlaufen, doch begann nach ihr erst die eigentliche Aufgabe: Immerhin waren wir nun Eltern geworden.

Während ich Tag und Nacht alle zwei bis vier Stunden stillte und die dafür notwendigen Hormone mich zwar nicht die Geburt und den Schmerz an sich, aber dennoch die Intensität des Schmerzes vergessen ließen, wickelte der Papa so gut wie jede Windel: Zu Beginn waren es täglich über zehn Stück.

Wir schliefen keine Nacht mehr durch und hatten wir ein Kleidungsstück von der verschütteten Muttermilch sauber bekommen, war bereits das nächste mit braunen und weißen Ausscheidungen unseres kleinen Mädchens bedeckt. Neben dem Schlafentzug und der ständigen Vorsicht, bloß nichts falsch zu machen, beherrschte vor allem das Gefühl der Freude unsere Tage: Wir freuten uns über jeden Wimpernschlag, jeden kleinen Quietscher und jeden sanften Strampler.

Wir waren erschöpft und angespannt, aber doch voller Energie. Das Leben zu dritt fühlte sich warm und freundlich an. Es gab nichts mehr, das wir nicht schaffen konnten. Zumindest während des ersten Jahres schien uns so. Dann hörte ich mit dem Stillen auf und bemerkte, was für einen großen Einfluss die Hormone auf meine Wahrnehmung und Einschätzung hatten.

Erst da wurde mir langsam bewusst, dass mein Leben nach der Geburt nicht einfacher werden würde. An dem Geburtstag meiner Tochter hatte nicht nur für sie das große Abenteuer Leben begonnen, sondern auch für mich das große Abenteuer Mutterschaft. Und wie jedes Abenteuer ist es zwar oft anstrengend, doch diese Anstrengung wird für mich aufgewogen von den vielen Momenten des Glücks, die sich in Bewegungen, Lächeln und Blicken verbergen.

Tortora, G. J., & Derrickson, B. (2017). Principles of Anatomy and Physiology (15th ed.). Wiley.

- Estimated Date of Delivery (National Library of Medicine)
- Schwangerschaftsabbruch (Gesundheit.gv.at)
- Premature Rupture of Membranes (PROM)/Preterm Premature Rupture of Membranes (PPROM) (Children's Hospital of Philadelphia)
- So entwickelt sich ein ungeborenes Kind (Gesundheit.gv.at)

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