Erdbeben zerstört Haus

Exzessiver Konsum befeuert die Klimakrise. Viele Folgen davon sind bereits bekannt: Hitzewellen und Dürren, der Anstieg der Meeresspiegel und die Zerstörung von Lebensraum. Doch unser Konsumverhalten trägt auch dazu bei, dass Erdbeben immer stärker werden. 

Den gesamten Juli widmen wir uns dem Themenschwerpunkt "Exzess". Mehr darüber, warum gerade Exzess ein spannendes Thema für die Wissenschaft ist, erfährst du hier.

Warum das wichtig ist: Seit Jahrzehnten konsumiert die Menschheit so viele Güter und Energie, dass dabei die Natur zerstört wird. Neben Umweltverschmutzung ist auch die Klimakrise eine Folge des exzessiven Konsums. Der menschengemachte Klimawandel hat unzählige Konsequenzen für unser Leben; eine der weniger bekannten Auswirkungen sind Erdbeben.

Stell dir vor, du möchtest schon seit Jahren ein neues Fahrrad. Du hast ein bestimmtes im Auge: Es ist dunkelrot lackiert, hat einen praktischen Korb auf dem Gepäckträger und das Fahren fühlt sich wie Schweben an. Über mehrere Monate hinweg legst du Geld auf die Seite – bis du dir die Summe zusammengespart hast. Als du das Rad kaufst, durchströmen dich Glückshormone. Auch die nächsten Wochen und Monate bist du glücklich und dankbar, wenn du dich auf den Sattel setzt.

Immer wieder hört man, dass Konsum die Menschheit unglücklich macht. Eine Metastudie aus dem 2021 bestreitet das. Die Wissenschaftler:innen konnten keine eindeutige Antwort finden, aber die Richtung, in die die Forschung weist, ist klar: Der Konsum von materiellen und nichtmateriellen Gütern macht Menschen scheinbar glücklicher (Veenhoven et al., 2021).

Das ist wohl einer der Gründe dafür, warum Konsum in den letzten Jahrzehnten oft zu Exzessen ausgeartet ist. Kaum jemand kann behaupten, nichts Überflüssiges zu besitzen. Laut Greenpeace kauft sich jede:r Deutsche:r 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Das Verhalten ist nachvollziehbar, denn das Zücken der Kreditkarte an der Kasse versetzt uns für kurze Zeit in einen Dopaminrausch. Dieser Effekt ist bei Online-Shopping sogar noch stärker. Manchmal kaufen wir uns Sachen, die wir gar nicht haben wollen. Zum Beispiel das KitKat an der Kasse. Der Konsumkapitalismus ist schon längst essenzieller Bestandteil unserer Gesellschaft. Das Gebrauchsgut steht im Vordergrund und Verkäufer:innen wollen so viele Waren wie möglich an die Menschen bringen. Gerne auch zu Spottpreisen.

Der Konsumexzess hat nicht nur negative Auswirkungen auf unseren Geldbeutel, sondern auch auf die Umwelt. Der Klimawandel macht sich auf der ganzen Welt mit extremen Wetterphänomenen, Pollenwellen oder steigendem Meeresspiegel bemerkbar. Diese Konsequenzen sind so gut wie jedem bekannt. Die wenigsten wissen allerdings, dass auch Erdbeben durch den Klimawandel ausgelöst werden können.

In der Tiefe der Erde

Wenn ein Erdbeben entsteht, dann liegt der Ursprung zumeist in der Plattentektonik. Der oberste Teil unseres Planeten wird momentan in 51 tektonische Platten eingeteilt, die in manchen Fällen auch ungefähr den geografischen Kontinenten entsprechen. Beispielsweise gibt es die eurasische und die australische Platte. Jede von ihnen ist unterschiedlich dick und besteht aus einem anderen Material, doch sie haben alle eine wichtige Eigenschaft gemeinsam: Sie sind fest.

Die Einheit all dieser Platten wird auch „Lithosphäre“ genannt. Der Bereich unter ihr trägt den Namen Asthenosphäre und besteht aus einer zähen Flüssigkeit. Durch ihre Viskosität schwimmen die tektonischen Platten auf ihr. Auf diese Weise ist es der obersten Erdschicht möglich, sich zu bewegen. Bei diesem „Drift“ entstehen manchmal Erdbeben, zum Beispiel durch die Reibung zwei oder mehrerer Platten gegeneinander oder bei der Entladung von Spannungen.

Die Lithosphärenplatten können aber auch tiefer in die Asthenosphäre gedrückt werden, wenn sie mehr Gewicht gewinnen. Ein gutes Beispiel hierfür ist gefrorenes Wasser in Form von Gletschern. Die Eisdicke kann mehrere hundert Meter betragen. So ist der Schweizer Aletschgletscher, der größte Gletscher der Alpen, an seiner tiefsten Stelle 900 Meter dick und umfasst ein Volumen von 12 Kubikkilometer. Das entspricht in etwa einem Gewicht von 27 Milliarden Tonnen. Die zähe Asthenosphäre gibt unter dem schweren Eis nach und lässt sich von den Gletschern ein wenig nach unten drücken. Geolog:innen gehen davon aus, dass es sich in Skandinavien um rund 400 Meter handelt.

Lithosphäre

Die Lithosphärenplatte bei einem Gebirge ist dicker als in anderen Gebieten. Durch das schwere Gewicht drückt sich die Platte tiefer in die Asthenosphäre.

Ein Gletscher verweilt nicht ewig

Seit dem Ende der letzten Kaltzeit vor 10.000 Jahren schmelzen die Gletscher der Erde. Der Mensch verschnellert den natürlichen Prozess mit seinem exzessiven Konsum. Wir kaufen nicht nur alle paar Jahre ein neues Fahrrad, sondern leisten uns häufig neue Smartphones, fliegen mehrmals pro Jahr in den Urlaub und verschwenden Nahrung und Energie. Die Aufzeichnungen des World Glacier Monitoring Service zeigen, dass die Gletscher in den letzten Jahren zwei bis drei Mal schneller schmelzen als im 20. Jahrhundert. Das ist eindeutig auf den menschengemachten Klimawandel zurückführbar.

Eine der großen Gefahren der rapiden Gletscherschmelze ist der Anstieg des Meeresspiegels. Ein weiteres natürliches Phänomen, das damit im Zusammenhang steht, ist die isostatischen Hebung. Da das Gewicht der Eisschilde abnimmt, kämpft sich die Lithosphärenplatte wieder in die Höhe. Die zähflüssige Asthenosphäre rückt langsam unter der Platte des schmelzenden Eisschilds nach. Ein betroffenes Gebiet hebt sich um mehrere Zentimeter im Jahr. Für einen plattentektonischen Prozess ist das rasant. Die isostatische Hebung kann besonders in Nordeuropa (Norwegen, Schweden und Finnland), Ostsibirien, Kanada und Alaska beobachtet werden (Whitehouse, P.L., 2018). Sie findet aber auch in den Alpen statt.

Durch die isostatische Hebung werden sowohl vertikale als auch horizontale Bewegungen der Platten hervorgerufen. Dadurch können Erdbeben entstehen. Wie stark diese wirklich sind, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt.

Durch die Gletscherschmelze kommt es zu Erdbeben

Wenn das Eis schmilzt, hebt sich die Lithosphärenplatte an. 

Höhere Temperaturen, stärkere Erdbeben?

Wie wir alle wissen, schreitet der menschengemachte Klimawandel mit rasanter Geschwindigkeit voran. Wenn das Gletschereis wegen der Klimakrise schneller schmilzt, so wird wohl auch die isostatische Hebung mit höherer Geschwindigkeit stattfinden. Das kann zu einem großen Problem werden, denn schnellere Bewegungen können zu intensiveren Erdbeben führen.

Eine Studie aus Alaska hat Temperaturen in einen Zusammenhang mit Erdbeben gesetzt. Der pakistanische Wissenschaftler Adven Masih, der sich auf Computing und Information Technology spezialisiert hat, erwartete, dass die Korrelation mit kleinen Erdbeben (bis vier auf der Richterskala) am größten sein würde.

Doch die Studie überraschte ihn selbst: Für mittlere Erdbeben (4 bis 5,9 auf der Richterskala) war die Korrelation am höchsten, aber selbst noch bei starken Erdbeben (höher als 5,9 auf der Richterskala) war der Zusammenhang signifikant (Masih, A., 2018). Diese Studie zeigt eindeutig, dass sogar starke Erdbeben im Zusammenhang mit isostatischer Hebung stehen – und dass der Klimawandel einen negativen Einfluss hat. Auch in Pakistan zeigen sich ähnliche Zusammenhänge zwischen Erdbeben und Temperaturen (Usman, M., 2016).

Ein teuflischer Kreislauf

Wenn wir konsumieren, dann setzen wir einen Prozess in Bewegung. Bei der Produktion der Konsumgüter entstehen CO₂-Emissionen. Diese erhitzen die Erde, weshalb die Gletscher schmelzen. Durch das fehlende Gewicht auf der Lithosphärenplatte hebt sich plötzlich das Gebiet in die Höhe. Und zwar schneller, als es ohne die Treibhausgase des Menschen der Fall wäre. Das führt wiederum zu stärkeren Erdbeben.

Konsumkreislauf

Wie unser Konsumkreislauf die Natur beeinflusst, nicht zuletzt durch Erdbeben

Im deutschsprachigen Raum wird es wahrscheinlich nicht zu so drastischen Auswirkungen kommen. Auch in den Alpen schmelzen die Gletscher schnell, doch insgesamt ist eine geringere Fläche von Schnee und Eis bedeckt. Die Konsequenzen werden in Nordeuropa, Alaska und Kanada stärker zu spüren sein. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass die isostatische Hebung und damit auch der menschengemachte Klimawandel eine Rolle bei zukünftigen Beben spielen werden.

Die Erdbeben sind ein weiterer Grund, warum der Konsumexzess eingeschränkt werden sollte und wir aktiv gegen die Klimakrise arbeiten müssen. Das bedeutet nicht, dass wir vollständig auf Konsum verzichten sollen. Immerhin macht er uns laut vieler wissenschaftlichen Studien glücklich. Aber drastische Konsequenzen wie Erdbeben zeigen einmal mehr, dass die Politik handeln muss – schneller und konsequenter als bisher.

Masih, A. (2018). An enhanced Seismic Activity Observed Due to Climate Change:
     Preliminary Results from Alaska. IOP Conf. Ser.: Earth Environ. Sci.
Usman, M. (2016). A Study on the enhancing earthquake frequency in northern Pakistan:
     is the climate change responsible? Natural Hazards, 82, 921-931.
Veenhoven, R., Chiperi, F., Kang, X., & Burger, M. (2021). Happiness and Consumption:
     A Research Synthesis Using an Online Finding Archive. SAGE Open Journals.
     https://doi.org/10.1177/2158244020986239
Whitehouse, P.L., (2018). Glacial Isostatic adjustment modelling: historical perspectives, recent advances, and future directions. Earth Surface Dynamics, 6, 401-429.

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