Seance

Gibt es eine Welt jenseits der sichtbaren? Die Parapsychologie behauptet das - und möchte es wissenschaftlich beweisen. Doch gelingt das? 

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des alexandria-Themenschwerpunkts Leben nach dem Tod, in dem wir uns diesem Thema aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven nähern.

Warum das wichtig ist: Die Forschung zu übernatürlichen Phänomenen in der Parapsychologie, wirft einige Fragen auf: Gibt es eine Welt, die über unsere Sinne hinausgeht und sich der wissenschaftlichen Erklärung entzieht? Können Menschen nach dem Tod noch mit uns lebenden Kommunizieren?
Viele Menschen ringen mit diesen tiefgreifenden Fragen. Obwohl die Parapsychologie versucht, Antworten zu liefern, werden diese von der Wissenschaft als Humbug entlarvt. In diesem Artikel beleuchten wir die Grundlagen der Parapsychologie und erklären, warum es sich um eine Pseudowissenschaft handelt.

Das Übernatürliche erobert die Kinoleinwand

„Ich sehe tote Menschen“, offenbart der Junge Cole seinem Psychiater Dr. Crowe im Thriller-Klassiker „The Sixth Sense“. Das geheimnisvolle und unheimliche Bekenntnis enthüllt die tragische Bürde, die auf Coles Schultern lastet, und setzt die düstere Reise der beiden Hauptfiguren in eine übernatürliche Welt in Gang.

Solche Geschichten inspirieren uns, darüber nachzudenken, ob es eine Welt gibt, die außerhalb unserer Sinne liegt; eine Welt, die nicht durch die Erkenntnisse der Wissenschaft erklärt werden kann. Diese Frage stellen sich nicht nur Autor:innen und Filmemacher:innen, auch Forscher:innen der Parapsychologie versuchen, Licht in die obskure Welt des Übernatürlichen zu werfen.

An der Schnittstelle zwischen dem Messbaren und dem Verborgenen ist jedoch viel Raum für Interpretation, die es nicht nur der Wissenschaft schwer macht. Er regt auch die Fantasie vieler Forscher:innen an. Die Welt der Parapsychologie ist gefüllt mit fantastischen Geschichten über Geistererscheinungen, Telekinese und Wiedergeburt; Ereignisse, die förmlich danach schreien, näher untersucht zu werden. Doch wie viel Wissenschaft steckt hinter der Forschung der Parapsycholog:innen?

Bild von Cole aus Sixth Sense

Haley Joel Osment in seiner Rolle als Cole Sear im Thriller-Klassiker "The Sixth Sense".
IMDB)

Psi und das Mysterium des Übernatürlichen

Um in die Welt der Parapsychologie einzutauchen, müssen wir erst den zentralen Begriff „Psi“ betrachten. Darunter vereinen sich alle paranormalen Fähigkeiten wie Telepathie, Telekinese und Präkognition. Diese Fähigkeiten stehen in der Fachsprache für Gedankenlesen, Gegenstände mit der Kraft der Psyche bewegen zu können und die Zukunft vorherzusehen. Es klingt wie ein Stoff aus Hollywood, ist aber die Grundlage, auf der die Parapsychologie aufbaut.

Auch die Kommunikation mit den Seelen verstorbener Menschen, umgangssprachlich als Geister bezeichnet, ist ein Teilgebiet der Parapsychologie, dem speziell um die Wende des 20. Jahrhunderts viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Übernatürliche Erscheinungen (engl. apparitional experiences), die nicht mit konventionellen Mitteln erklärt werden konnten, wurden als Beweis für die Existenz unbekannter Formen der Kommunikation (Telepathie) interpretiert (Myers, 1904).

Wenn man der Parapsychologie Glauben schenkt, bekam Cole durch seine telepathischen Fähigkeiten Einblicke in die Welt nach dem Tod. Wir befinden uns hier allerdings auf dem Wissensstand des frühen 20. Jahrhunderts. Seither gelang es Parapsycholog:innen nicht, ihre Annahmen zu beweisen. Alleine die Tatsache dieses mangelnden Fortschritts wird von einigen Wissenschaftler:innen als Grund gesehen, die Parapsychologie in den Bereich der Pseudowissenschaften einzuordnen (Reber & Alcock, 2020).

Bild einer Seance

Beispiel einer sogenannten Séance, bei der mittels eines Mediums vermeintlich Kontakt mit Verstorbenen aufgenommen wird.

Ist die Parapsychologie eine
Pseudowissenschaft?

Laut Website der Koestler Parapsychology Unit der University of Edinburgh beschäftigt sich die Parapsychologie mit „…der wissenschaftlichen Untersuchung der Fähigkeit bestimmter Personen, mit ihrer Umwelt auf andere Weise als über die anerkannten sensomotorischen Kanäle zu interagieren“. Hier liegt die Abgrenzung zur Psychologie, die sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen über anerkannte Sinneswahrnehmung (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen) beschäftigt.

Parapsycholog:innen verschreiben sich aber der Anwendung wissenschaftlicher Methoden zur Untersuchung paranormaler Phänomene. Warum wird ihre Disziplin also von vielen Wissenschaftler:innen als Pseudowissenschaft abgelehnt?

Zunächst wäre es notwendig, Wissenschaft exakt definieren zu können, um sie von Pseudowissenschaft abgrenzen zu können. Trotz zahlreicher Theorien und Ansätze zur Unterscheidung sind die Grenzen oft verschwommen und in der Praxis nicht immer leicht zu erkennen. In der Wissenschaft ist dieses Problem als Abgrenzungsproblem bekannt. Ein Lösungsansatz dafür ist zu überprüfen, ob die parapsychologische Forschung den Grundlagen guter, wissenschaftlicher Praxis folgt.

Das Abgrenzungsproblem bezieht sich auf die Herausforderung, klare und eindeutige Kriterien zur Abgrenzung wissenschaftlicher von pseudo-wissenschaftlichen Aussagen zu finden. Es stellt die Frage, wie man den Bereich der Wissenschaft abgrenzen kann, um eine klare Definition von wissenschaftlicher Methodik und Erkenntnis zu ermöglichen. Das Problem zeigt auf, dass oft keine klare Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen und pseudo-wissenschaftlichen Aussagen gemacht wird. Der Philosoph Karl Popper prägte die Diskussion um das Abgrenzungsproblem maßgeblich und entwickelte Kriterien, die eine Unterscheidung ermöglichen. Am bekanntesten ist die Falsifizierbarkeit, also die Möglichkeit Theorien widerlegen zu können.

Keine Reproduzierbarkeit - keine Wissenschaft

Reproduzierbarkeit ist eines der Kriterien für gute, wissenschaftliche Praxis und zugleich eine wesentliche Schwachstelle parapsychologischer Forschung. Um als verlässlich und glaubwürdig zu gelten, müssen Experimente und Ergebnisse von anderen, unabhängigen Wissenschaftler:innen wiederholt werden können. Doch ausgerechnet hier scheitert die Parapsychologie (Mousseau, 2003, Kekesc et al., 2023).

Studien, die paranormalen Phänomenen auf den Grund gehen sollen, sind häufig schwer nachvollziehbar und führen zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, wer sie durchführt; eine klare Verletzung der Durchführungsobjektivität. Mehr über Objektivität, Validität und Reliabilität, die „Heilige Dreifaltigkeit der Forschung“, kannst du in diesem alexandria-Artikel erfahren.

Kontroverse Persönlichkeiten

Doch nicht nur der Mangel wissenschaftlicher Methoden, auch Skandale und kontroverse Persönlichkeiten tragen zum Schattendasein der Parapsychologie bei. Einer der bekanntesten Forscher, der sich mit Psi auseinandersetzt, ist der ehemalige Professor der Sozialpsychologie an der amerikanischen Elite-Universität Cornell, Daryl Bem.

In einer im renommierten Journal of Personality and Social Psychology veröffentlichten Studie berichtete er, Hinweise auf die Existenz präkognitiver Fähigkeiten gefunden zu haben. Darunter verstehen Forscher:innen die Fähigkeit, zukünftige Ereignisse fühlen zu können, was ein Beweis für die Existenz von Psi wäre.

Die Publikation sorgte für viel Aufsehen in der Öffentlichkeit und für postwendende Kritik. So etwa wurden falsche Methoden bei der statistischen Auswertung der Daten verwendet (Wagenmakers et al., 2011). Außerdem erhob ein Kollege Bems, der amerikanische Psychologe Stuart Vyse, den Vorwurf der Datenmanipulation gegen ihn (Vyse, 2017). Diese substanzielle Kritik ließ die Glaubwürdigkeit der ursprünglichen Studie zerbröseln und gipfelte in einer 2023 erschienenen Replikation, die zum Schluss kommt, dass es keine Beweise für Präkognition gibt (Kekecs et al., 2023).

Die Parapsychologie heute: ein Orchideengebiet

Doch trotz all dieser Kritik hat die Parapsychologie nicht vollständig an Bedeutung verloren. Einige Universitäten bieten Kurse und Forschungsmöglichkeiten in diesem Bereich an. So etwa die bereits erwähnte Koestler Parapsychology Unit der University of Edinburgh.

Ebenso existieren einige peer-review Zeitschriften, die sich mit Parapsychologie beschäftigen. So etwa das Journal of Parapsychology, das vom Rhine Research Center, einer US-amerikanischen NGO, herausgegeben wird, und das Journal of the American Society for Psychical Research, herausgegeben von der titelgebenden Gesellschaft in New York. Im Vergleich zu anderen Forschungsrichtungen fristet die Parapsychologie aber bestenfalls ein Dasein als Orchideengebiet. Und dass Journals auch andere Ziele als die Publikation guter Wissenschaft haben können, ist kein Geheimnis.

Coles und Daryls dunkles Geheimnis

Die Parapsychologie mag in der Welt der Unterhaltung und des Aberglaubens ihren Platz haben, solange aber klare Beweise fehlen und die Reproduzierbarkeit ein Problem bleibt, sollte sie aber keinen Platz in der Welt der Wissenschaft haben.

Filme und Geschichten, die paranormale Phänomene erforschen, sind zweifellos fesselnd und unterhaltsam; sie sind aber kein Beweis für deren Existenz. Wir können uns weiterhin von Spukgeschichten faszinieren lassen, sollten jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass Geister nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht existieren. Um zu unserer Popkultur-Referenz am Anfang des Artikels zurückzukehren: Vielleicht konnte Cole nur die Geister sehen, die er selber gerufen hat, so wie Daryl Bem.

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